Pyrrhussieg nach Quoten

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Sieben Jahre ist es her, dass ATV und Puls 4 ihren "langen Marsch durch die Institutionen" (© Rudi Dutschke) begonnen haben: nicht deklariert, aber kontinuierlich, ungeachtet der Stabilisierung von ORF-Quoten und -Qualität im Informationsbereich. Bei der Niederösterreich-Wahl im Frühjahr 2008 mussten sie sogar noch draußen bleiben. ATV übertrug live im bitterkalten Wind vor dem Landhaus St. Pölten. Doch schon bei der Nationalratsentscheidung im Herbst gaben sich die Spitzenkandidaten bei Puls 4 im Wiener Museumsquartier zu ungewöhnlichen Talk-Formaten die Klinke in die Hand.

Mit der Wien-Wahl 2015 sind die Privatsender endlich angekommen. Das liegt weniger daran, dass ATV mit Martin Thür und "Klartext" ein attraktives neues Polit-TV-Format geschaffen hat. Es hat auch kaum damit zu tun, dass Puls 4 mit "Pro und Contra" ein ambitioniertes Info-Talk-Format dagegen aufbietet. Ursache der schlagartigen Emanzipation ist die "Elefantenrunde" der Wiener Spitzenkandidaten. Es war schon ein Coup, dass der ORF sich dafür auf einen privaten Partner eingelassen hat. Doch erst dessen Unterschätzung durch den Platzhirsch verschafft ihm jenen Respekt, den er nur selbst wieder zerstören kann.

Schuld daran war die parteiische Moderation von ORF-Wien-Chefredakteur Paul Tesarek, während Puls4-Informationsdirektorin Corinna Milborn neutrale Zurückhaltung übte. Angesichts der klaren Positionierung ihres Senders in der Flüchtlingsdebatte mag das Laien überrascht haben, doch ein TV-Profi hätte das journalistische Gespür der einstigen Club 2-Gastgeberin nicht unterschätzen dürfen.

Wenn der ORF dann über fast eine Million Zuschauer - achtmal so viel wie zugleich Puls 4 - jubelt, feiert er einen Pyrrhussieg. Denn er hat ohne Not die Glaubwürdigkeit ein bisschen verschoben - vom öffentlichrechtlichen zum Privatsender.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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