6684002-1962_07_04.jpg
Digital In Arbeit

DR. ALFRED MALETA / MANN DES GESPRÄCHS

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt im heutigen Österreich Männer des öffentlichen Lebens, die die immer seltener werdende Gabe der freien, mitreißenden Rede besitzen. Und es gibt harte Verächter des so leicht manipulierbar gewordenen Wortes, die sich auf das mehr oder weniger monotone Ablesen eines Textes beschränken, den ein „Geisterschreiber“ verfaßt hat. Dr. Alfred Mal e t a, der in diesen Tagen das Amt des „zweiten Mannes“ im Staate antreten wird, gehört zu keiner der beiden Typen. Man merkt seinen Reden an, daß sie selbst verfaßt wurden. Ihr Stil spiegelt den Menschen: Etwas von der doktrinären Trockenheit des Soziahheoretikers ist darin und etwas von der wirkungssicheren: zuweilen etwas selbstgefälligen

Formulierungskunst eines geschickt verhandelnden Anwalts. Ein Pathos, das durch einen stets wachen, manchmal ironischen Intellekt an der Entfaltung gehindert wird. Ein Atem, der aber dennoch ausreicht, große Gedankenperioden, kühne Schlußfolgerungen zu entwickeln.

Dieser heute in der Mitte der Fünfziger stehende Mann ist seinem ganzen Wesen nach der Jüngste unter den Alten, der Vertreter der Kriegs- und Nachkriegsgeneration in der zur Zeit noch am Ruder befindlichen Führungsschicht der Volkspartei: einer, der die weltanschaulichen Richtungskämpfe der Ersten Republik als Student in Graz noch mitfocht, der am denkbar linkesten Flügel des ständischen Regimes stand und in den Debatten der dreißiger Jahre das Verständnis der Sozialisten für ein modernes, über den faschistischen Ansatz hinauswachsendes Österreichkonzept suchte, der in der politischen Hochschule des Hitlerschen KZs die Erfahrungsreife hinzugewann und der 1945 bei den ersten war, die in diesem neuen Staat eine Partei der christlichen Demokratie aufzubauen begannen.

Er ist aber auch der Älteste und somit ein natürlicher Mittelpunkt jener jüngeren Generation, die den großen Aderlaß der Schlachtfelder und Todeslager erlebte und im Tageskampf der Nachkriegsjahre soviel an Lebenssubstanz zusetzte. Er ist einer der wenigen Politiker in Österreich, die über die Zaunpfähle der eigenen Parteigemarkung oder des Interessenverbandes hin-

auszusehen vermögen, der aus einer gewissen Gleichgestimmtheit heraus die sogenannte „skeptische“ Generation versteht, die von der Politik und ihren Repräsentanten mehr verlangt als die Erfüllung eines Parteiauftrags. Maleta war Zeit seines Lebens immer der „leichte Reiter“ und nie der Klopffechter seiner Partei, der er deswegen nicht weniger treu verbunden ist als mancher überlaute Kämpe. Er schwärmte gern aus — zuweilen so weit, daß ihn die besorgten Truppenführer im Gelände sogar aus dem Auge verloren. Aber er kam immer wieder. Und brachte nicht nur Kundschaft, sondern auch unerwartete Beute mit.

Nicht immer waren seine Wege so übersichtlich, wie das gerade jene Menschen katholisch-österreichischer Grundsatzorien tierung, aus deren Kreisen er seinen Werdegang genommen hatte und die ihm die Treue zu halten bereit waren, von ihm erwarteten. Es sei hier nur an das sehr ernste klärende und in vieler Hinsicht korrigierende öffentliche Gespräch erinnert, das der verstorbene Gründer der „Furche“ in diesem Blatt mit dem damals noch jungen Generalsekretär der Volkspartei führte.

Mehr als acht Jahre bekleidete er diese Funktion. In diese Zeit fielen Erfolge und Siege, die sich größtenteils mit anderen Namen als dem seinen verbanden. Es kamen Rückschläge und Schlappen, die er zwar nicht allein verschuldet hatte, für die man ihn aber recht gern die Zeche zahlen ließ. Er hatte in

den guten Jahren seine persönliche Erfüllung nicht in Parteiehrungen gesucht; also erschütterte ihn der Klimawechsel nach dem schlechten Wahlausgang von 1959 auch nicht im Innersten. Der politische Tages-kampf, die Kleinarbeit, noch mehr iber die Scheuklappen, die er verlangte; das alles war im Grunde nicht das Richtige für ihn. Er ist weder ein Kämpfer noch ein Demagoge. Seide Gabe ist die der Klärung und Vermittlung, der Formulierung, die oft schon der Anfang für die Lösung eines solcherart bewußt gemachten Kontroversproblems ist.

Im Parlament ist er als Abgeordneter seit 1945, als Klubobmann seit 1953, als Dritter Präsident seit Jahresfrist zu Hause. Er wird sein neues Amt weder als ehrenvolles Ausgedinge noch als Übungsfeld für einen geltungsbedürftigen Neuling auffassen. Er will dem Haus am Ring, dessen Bedeutung in den letzten Jahren gegenüber der Anfangszeit nach 1945 merklich verblaßte, wieder ein Gewicht zu geben versuchen, das seiner verfassungsmäßigen Stellung entspricht. Parlament: Das Wort hängt mit Sprechen zusammen. Statt des Schreiens und des Flüsterns soll dieses Sprechen nun wieder mehr zur politischen Auseinandersetzungsform in Österreich werden.

Maleta beherrscht diese Kunst. Er hat es bewiesen und er gedenkt es noch in verschiedenen Situationen zu beweisen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung