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Heimplätze mit der Gießkanne
Die immer wieder drohend prophezeite Bildungsexplosion ist längst Realität geworden: Gemäß der Einsicht, daß die pluralistische und hochgradig differenzierte Industriegesellschaft eine gediegene Ausbildung ihrer Mitglieder fordert, drän-
gen immer mehr junge Menschen zur Matura und an die Universitäten. Die Probleme, die sich aus de^ steigenden Schüler- und Studentenzahl engeben, werden von Tag zu Tag drückender: Während heuer 14.000 Schüler die allgemeinbildenden höheren Schulen verlassen werden, ist die Zahl der Maturanten für 1976 mit 18.400 zu veranschlagen; und 1980 werden es bereits mehr als
24.0 sein. Einen beträchtlichen Prozentsatz dieser Absolventen werden die Universitäten aufzunehmen haben.
Schon heute sind manche Fakultäten der Universität Wien so stark frequentiert, daß Institute über die halbe Stadt verstreut und in ehemaligen Hotels und Privatwohnungen untergebracht werden müssen.
Da aber ungefähr 50 Prozent der Studenten nicht am Studienort ihren ständigen Wohnsitz haben, rückt das Problem Unterbringung der Studenten immer mehr ins Zentrum.
Einzel- vor Gesamtinteressen
Die derzeitige Situation ist trist: Den zirka 8200 Studentenheimplätzen steht bereits ein Fehlbestand von etwa 7000 Plätzen gegenüber. Ungefähr 50 Organisationen der verschiedensten politischen und konfessionellen Richtungen, die sich mit dem Bau von Studentenwohnheimen beschäftigen, versuchen zwar diese Malaise zu bekämpfen. Da der Bund den Gesamtaufwand für Studentenheime nicht tragen kann, obliegt es Verbänden und Interessensvertre- tungen, die finanziellen Mittel teilweise aufzubringen.
Durch Subventionen, die das Wissenschaftsministerium gewährt, beteiligt sich der Bund an Studentenheimbauvorhaben. Aber bei der Vergabe dieser Subventionen triumphieren Partikularinteressen. Ohne Konzept und Koordination versucht jede Organisation, „für ihre Leute möglichst viel herauszuholen“. Wissenschaftsminister Firnberg wiederum bedauert, nicht über die erforderliche Menge Geldes verfügen zu können und subventioniert ohne langfristiges Konzept nach dem Gießkannensystem. Dadurch kommt es zu Fehlplanungen und Verzögerungen der Bauvorhaben.
Beispiel dafür ist etwa ein Projekt der österreichischen Studentenförderungsstiftung: Diese Stiftung der österreichischen Hochschülerschaft begann vor Jahren ein ehemaliges Hotel in der Wiener Alserstraße aufzustocken und umzubauen, um ein
Studentenheim mit 130 Plätzen in unmittelbarer Nähe der Universität zu errichten. Seit mehr als zwei Jahren ist der Rohbau fertiggestellt. Doch bis jetzt gelang es nicht, den Bau zu vollenden; Witterungsschäden an Außenwänden und Zwischendecken haben bereits die vorgesehenen Kosten überschritten. Da das Ministerium die Subventionen nur für jeweils ein Jahr gewährt, resigniert die Geschäftsführung, und fürchtet, daß kein langfristiges Finanzierungskonzept erstellt werden kann; vielmehr baut man im Vertrauen, daß im nächsten Jahr die Subventionen rechtzeitig und in angemessener Höhe eintref- fen werden.
Im vergangenen Jahr haben sich im Wissenschaftsministerium aus Vertretern aller Studentenheimträger, Experten und Studenten gebildete Arbeitskreise konstituiert, um Vorschläge und Richtlinien für die Errichtung und Führung von Studentenheimen auszuarbeiten. Bis jetzt liegt kein Ergebnis vor; Bewerber um Studentenheimplätze, die die ge-
forderte Qualifikation, nämlich soziale Bedürftigkeit und angemessenen Studienfortgang, erbringen, müssen abgewiesen werden.
Die Kosten für ein Privatzimmer allerdings betragen ungefähr 800 Schilling, womit sie doppelt so hoch sind wie ein Zimmer in einem Studentenheim, ohne freilich den gleichwertigen Komfort bieten zu können.
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