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Universität als Gesellschaftsmodell?
Mit solchen Bemühungen kommt der VSStö leicht in den Verdacht, „symbolische Politik“ zu betreiben — Surrogatbefriedigung durch Demonstrationen zur Weltpolitik an Stelle echter Veränderungen an den österreichischen Hochschulen. Hochschulpolitik (durch Jahre hindurch die ausschließliche Domäne des BSA) blieb auf so globale Formeln, wie „Universität als Modell der zukünftigen Gesellschaft“, auf die generelle Forderung nach „Demokratisierung“, beschränkt. „Konkrete Vorstellungen in der Fraktion hat es bis jetzt kaum gegeben“ (Kreisky). die Flucht in wohlklingende Schlagwörter dominierte. Erst vor Jahresfrist wurde ein hochschulpolitischei Arbeitskreis gebildet, der die abstrakten Forderungen nach „neuen Strukturen“ in konkrete hochschulpolitische Forderungen umsetzen soll. Wieweit dabei ein Kompromiß zwischen den Vertretern der „totalen Revolution“ ä la Berlin und den ..braven Sozialdemokraten“ zustande kommt, bleibt abzuwarten.
Trotz des Aufwandes an äußeren Aktivitäten erhofft sich der VSStö keinen gewaltigen Stimmenzuwachs bei den nächsten Hochschulwahlen. Dies verhindert sowohl die derzeitige Sozialstruktur der Studentenschaft als auch die dominierende Mentalität. „Der österreichische Student steht nicht links und will nicht links stehen“ (Dr. Schuster, Präsident des Wahlblocks). Dennoch ist der Einfluß des VSStö, auch wenn er sich nicht in Mandaten niederschlägt, nicht zu unterschätzen. Er erfüllt zur Zeit in Wien, wo sich seine Aktivität konzentriert (in den anderen Hochschulstädten tritt er kaum in Erscheinung), die Funktion der „minorite agissante“.
Nur eine kurzfristige Revoluzzerära?
Also nur eine kurzfristige „Revoluzzerära“ an den Hochschulen — Revoluzzer im Wahlblock, Revoluz-
zer in der Aktion, Revoluzzer nach dem Vorbild Berlins? Happenings auf Hochschulboden an Stelle Übernahme echter politischer Verantwortung, „anarchistische Welle“ statt konkreten Engagements? So leicht dürfte die aufgebrochene Unruhe unter den Studenten, die nun mit der üblichen Verspätung von drei bis fünf Jahren gegenüber Deutschland. Frankreich, Belgien oder Italien die österreichischen Hochschulen erreicht hat, nicht zu erledigen sein.
Die Tatsache, daß es sich beim Erwachen der Studenten (in Deutschland spricht man bereits von offener Rebellion) nicht um einen isolierten Vorgang handelt, läßt darauf schließen, daß die Ursachen tiefer liegen als in einer vorübergehenden revolutionären Modewelie: in der zunehmenden Diskrepanz zwischen den Anforderungen, die die Gesellschaft an die Hochschulen stellt, und der tatsächlichen Situation der Hochschulen, in der Insuffizienz der Bildungsinstitutionen und dem daraus resultierenden Unbehagen der Studenten, das sich von den Institutionen der Bildung auf die anderen gesellschaftlichen Institutionen überträgt. Damit aber werden die Studenten in Zukunft zu einem politischen Faktor, der nicht mehr allein nach Wählerstimmen und machtmäßigem Interessendenken gemessen werden kann — eine Vorstellung, an die man sich auch in Österreich langsam gewöhnen wird müssen.
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