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Welche Ehre, welches Vaterland?

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Selbstverständlich ist der „Ring Freiheitlicher Studenten“ als ganzes keine Organisation von Neonazis, selbstverständlich würde man den Corps, den Burschenschaften und den anderen im RFS zusammengeschlossenen Verbänden Unrecht tun, würde man sie in ihrer Gesamtheit als Rechtsextremisten und Antiösterreicher abstempeln. Aber genügen solche Feststellungen wirklich, um die Vorwürfe gegen die im RFS vereinigten Studentenverbindungen zu entkräften? Das wäre doch zu einfach. Rufen wir uns einige der nur zu gut bekannten, wenn auch gerne vergessenen Fakten ins Gedächtnis.

Es gibt in Österreich „schlagende“ Verbindungen, die auch heute noch, mehr als zwei Jahrzehnte nach Auschwitz, den Arierparagraphen führen bzw. sich rühmen „judenrein" zu sein („Alemannia“, „Germania- Innsbruck“).

Norbert Burger, Organisator von Terroranschlägen in Südtirol und Mitarbeiter der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilten „Deutschen National- und Soldatenzeitung“, war früher Spitzenfunktionär des RFS; Rainer Mauritz und Helmut Wintersberger, wegen eines Sprengstoffanschlags ver urteilt, kommen vom RFS (Mauritz war sogar Chefredakteur der RFS- Zeitung „Ring“); Kuno Schraffl und Klaus Peter Porsche, wegen Schändung eines jüdischen Friedhofs verurteilt, waren Burschenschafter („Brixia“, „Schwaben“). (Diese Liste kann noch fortgesetzt werden.)

Die Burschenschaft „Olympia“ mußte von den Sicherheitsbehörden wegen rechtsextremistischer Tätigkeit aufgelöst werden.

Die Rufe „Hoch Auschwitz", d'ie bei den Demonstrationen vom 29. und 31. März 1965 ertönten, werden wohl nur schwer Wahlblock-Studenten zugeschrieben werden können.

Kein Zufall...

Das alles ist kein Zufall, das alles hat seine lange Vorgeschichte. Es wird nicht notwendig sein, diese Vorgeschichte dem CVer Manfred Leeb in Erinnerung rufen zu müssen. War es doch der CV, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts begann, die Übermacht des Deutschnationalismus an den Hochschulen zu bekämpfen. Nicht nur aus religiösen Gründen, sondern auch aus staatspolitischen. Bei Friedrich Funder („Vom Gestern ins Heute“) kann man es nachlesen. Österreich stand im

Mittelpunkt des politischen Denkens der katholischen Verbindungen, den Anschluß — zuerst an Bismarck- Deutschland, dann an Hitler- Deutschland — hatten die Deutschnationalen auf ihre Fahnen geschrieben.

Heute hingegen hat es manchmal den Anschein, als würde sich die jüngste CV-Generation am liebsten von staatspolitischen Auseinandersetzungen absentieren. Bei Diskussionen über brisante Themen, etwa bei den Veranstaltungen der Volkshochschule Brigittenau, lassen sich die Diskussionsteilnehmer fast durchweg in zwei Fronten einord- nen: in „Linke“ und — der Ausdruck ist hier durchaus am Platz — in Rechtsextremisten. Wo bleibt der CV, wo bleiben die Studenten, die an den österreichischen Hochschulen die Mehrheit bilden, die Wähler des Wahlblocks? Sicherlich fehlen sie nicht, weil sie mit den Argumenten der Deutschnationalen einverstanden wären. Aber der Mehrheit der österreichischen Studentenschaft ist eine weitgehende Interesselosigkeit für politische, für grundsatzpolitische Themen vorzuwerfen. Es ist nicht zu bestreiten, daß die österreichischen Studenten, vergleicht man sie mit ihren Kollegen im Ausland (gerade auch mit den deutschen Kollegen), zu den politisch uninteressiertester zählen.

Liberal?

Doch zurück zum RFS. Es gibt wohl kaum eine falsche Gleichung die sich so hartnäckig am Leben hält, wie „deutschnational ist gleich liberal“. Die Zeiten, in denen die Corps und Burschenschaften Bannerträger des Liberalismus waren, sind schon sehr, sehr lange vorbei, spätestens seit den Zeiten Georg Schö- nerers, der den Haß gegen alles Nicht-Deutsche predigte. Zeitloses liberales Ideengut findet man heute in allen politischen Lagern, am wenigsten jedoch bei der sogenannten „dritten Kraft“. Hauptträger wirtschaftspolitisch liberaler Ideen ist die ÖVP, die kulturpolitischen Vorstellungen des Liberalismus vertritt vor allem der demokratische Sozialismus. Für die „Freiheitlichen“ — die Partei und die Studenten — bleibt hier keine echte Funktion. Was sollte auch der Deutschnationalismus, was sollte überhaupt Nationalismus mit dem Liberalismus zu tun haben, der die Würde und die natürliche Freiheit des Individuums lehrt, unabhängig von Rasse und Nationalität? Wenn die Zeitschrift des RFS vehement die südafrikanische Apartheid verteidigt, die den Menschen nach der Hautfarbe bewertet, so ist das nicht liberal, sondern eher rassistisch zu nennen. Wenn die deutschnationalen Studenten schon lange vor 1938 an der Wiener Universität es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, ihre jüdischen Kommilitonen regelmäßig zu verprügeln, wenn sich „schlagende“ Verbindungen heute noch ihrer „Judenreinheit“ rühmen, so ist das nicht liberal, sondern das Gegenteil davon.

Ohne Romantik!

Manfred Leeb erwähnt seine Schwierigkeiten mit dem Begriff „Nation“. Das ist nicht ungewöhnlich, ist doch die Tradition des unseligen Herderachen Nationsbegriffes noch immer für viele ein Bleigewicht. Aber schieben wir Herders Romantik, die für unsere Zeit natürlich überhaupt keine passende Antwort hat, zur Seite. Denken wir dar an, mit welcher Selbstverständlichkeit in Großbritannien und in den USA der Terminus „nation“ gebraucht wird, in wissenschaftlichen und anderen Publikationen. Nation ist Staatswille, ist der Wille zur Gestaltung des gemeinsamen Schicksals in einem gemeinsamen Staat. Die Nation kann nie vom Staat abstrahiert werden. Jeder andere Nationsbegriff hält den Realitäten nicht stand. Das eigentlich selbstverständliche Bekenntnis zum Vaterland Österreich ist auch ein Bekenntnis zur Nation Österreich. Das hat nichts mit Deutschfeindlichkeit zu tun, das ist auch nicht Chauvinismus. Um so bedenklicher ist es dann aber, wenn in einer Publikation der „Burschen- schaftlichen Gemeinschaft“ von der „peinlichen Zweck-Lancierung eines österreichischen Nationbegriffes“ gesprochen wird.

„Gegen neonazistischen und traditionskatholischen Antisemitismus gleicherweise, gegen schwarze und rote Korruption unterschiedslos und gegen jede Unduldsamkeit gleich streng“: Diesem Satz Manfred Leebs kann man nur vorbehaltlos zustimmen. Aber gerade deshalb kann man in den deutschnationalen Studentenverbindungen keine harmlosen Vereinigungen sehen, gerade deshalb darf man nicht ignorieren, daß bei vielen (sicher nicht bei allen) dieser Verbindungen nach wie vor der Vorbehalt gegenüber unserem österreichischen Vaterland und ein nur wenig retuschierter Rassismus und Antisemitismus zum guten Ton gehören.

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