Priester der  Revolution 1848 - Anton Füster, „Feldkaplan der Akademischen Legion. Mitglied des ersten österreichischen Reichstages. Bürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika.“ - © Foto: A. Häusler

Schubumkehr zum Totalitären

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Was mit demokratischer Dynamik und der Akademischen Legion 1848 begann, führte zum totalitären Deutschnationalismus.

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Was mit demokratischer Dynamik und der Akademischen Legion 1848 begann, führte zum totalitären Deutschnationalismus.

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Ein merkwürdiges Grabdenkmal auf dem Wiener Zentralfriedhof, zwischen Ehrengräbern und Lueger-Kirche, zeigt einen von der Kanzel predigenden Priester lebensgroß in Marmor: Dr. Anton Füster. Mit Mühe entziffert man die Inschrift auf dem Sockel: „Feldkaplan der Akademischen Legion. Mitglied des ersten österreichischen Reichstages. Bürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika“, dazu noch den Satz seiner Sonntagsexhorte am 12. März 1848 von der Kanzel der Jesuiten-, damals Universitätskirche: „Für das Vaterland darf euch kein Opfer zu groß sein.“ Der 1808 in Radmannsdorf/Radovljica in Krain /Slowenien geborene, in Triest und Laibach ausgebildete Doktor der Theologie wurde 1847 als Professor für Religion, Philosophie und Pädagogik an die Wiener Universität berufen. Am 12. März 1848 forderte die Petition der Studenten als erstes Programm der Demokratie „im Namen der Freiheit: Preß- und Redefreiheit, Gleichstellung der verschiedenen Glaubensgenossen in staatsbürgerlichen Rechten, allgemeine Volksvertretung“.

Füsters Predigt sollte die Studenten von der Kundgebung zur Ständeversammlung im NÖ Landhaus in der Herrengasse abhalten – sein leidenschaftlicher Appell bewirkte das Gegenteil. Die Märzrevolution stürzte Metternich und den Polizeichef Sedlnitzky, beendete die Zensur, brachte Bewaffnung der Bürger und Studenten in Nationalgarde und Akademischer Legion und das Versprechen einer Verfassung. Füster wurde zum Priester der Revolution: Am Grab der Märzgefallenen ließ er Isaak Noah Mannheimer den Vortritt – die erste interkonfessionelle religiöse Zeremonie in Österreich: „Altes und neues Testament reihten sich unter der Fahne der Freiheit.“

Revolution und Reaktion

Der Slowene Füster vollzog die Wendung zum schwarz-rot-goldenen Deutschtum; antitschechische Ressentiments blieben ihm nicht fremd. Die Sache der Arbeiterschaft fand mit ihm einen Fürsprecher. In den Kundgebungen der Aula, damals noch im Zeichen des Völkerfrühlings, wurde er zur Leitfigur. Akademische Legion, Vorstadtgarden und Arbeiter erreichten in der Sturmpetition am 15. Mai einen Überraschungserfolg: Ein Reichstag aufgrund allgemeiner Wahlen sollte die Verfassung beschließen.Der Coup der Reaktion folgte auf dem Fuß: Erzherzogin Sophie, die Mutter des künftigen Kaisers Franz Joseph, übersiedelte in einer Blitzaktion den Hof in das treubiedere Innsbruck, den hilflosen Kaiser Ferdinand im Gepäck.

Von Tirol aus koordinierte die energische Wittelsbacherin die Operationen der gegenrevolutionären Militärmacht. Die Hoffnung der Reaktion, die Akademische Legion aufzulösen, scheiterte jedoch: Füster stellte sich der anrückenden Kompanie in den Weg und sprach in der Aula: „Die Legion stirbt, aber sie ergibt sich nicht. Wir müssen uns die Freiheit wieder erobern wie im März!“ In den engen Gassen um die Universität, bald in der ganzen Innenstadt wuchsen Barrikaden aus dem Boden, die Demokratie siegte, Füster war am Höhepunkt seiner Popularität. Als Abgeordneter zum Reichstag war sein Platz auf der Linken dieses ersten österreichischen Parlaments. Er teilte das Schicksal seiner Kollegen; in absentia zum Tod verurteilt, ging er ins amerikanische Exil, aus dem er 1876 verarmt zurückkehrte. Als er am 12. März 1881, dem Jahrestag seiner historischen Rede, starb, wurde das Begräbnis zu einer politischen Großkundgebung, an der so unterschiedliche Männer wie Victor Adler und Georg von Schönerer, damals noch durch das Linzer Programm verbunden, teilnahmen.

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