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Revisionsbedrftige Gebarung

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Durch verschiedene Einzelheiten über die Finanzgebarung der Hochschülerschaft (so wurde zum Beispiel eine zweckgebundene Subvention von 100.000 Schilling für ein geplantes Studententheater anderweitig verwendet) wurde erneut die Frage aufgeworfen, ob nicht das System der Finanzgebarung revisionsbedürftig sei. Die Hochschülerschaft lebt hauptsächlich von Spenden und Subventionen, es kommt auf 'die „Verbindungen“ und die Regsamkeit eines Vorsitzenden an, wieviel Geld er auftreiben kann; was er dann damit macht, ist offensichtlich nicht so entscheidend, falls es ihm gelingt, Defizitlöaher durch neuerlich erbettelte Spenden und Subventionen wieder zu.stopfen. So wird ein Millionenbudget „verwaltet“ :— bei ungenügender Kontrolle. Denn jener Gebarungsausschuß, der die ÖHS-Finanzen kontrolliert, prüft nur die Richtigkeit der Gebarung.

Daß manche Laxheiten durch die bisherige Stabilität der Machtverhältnisse noch gefördert wurden, ist verständlich: Es blieb sozusagen „alles in der Familie“, und wenn ein Vorsitzender vom anderen Schulden übernahm, dann war. es immer ein Vorsitzender derselben Couleur.

Eine kontinuierliche politische Bewußtseinsbildung der Studenten hat die Hochschülerschaft hie gepflegt. Versuche blieben in den Ansätzen stecken, weil die Studentenschaft kein Interesse zeigte. Einerseits ist kein Interesse da, anderseits wird es nicht mit genug Intensität geweckt. Die Lust der Studentenschaft an ihrer politischen Lethargie ist beängstigend: „Das Hemd ist uns schließlich näher als der Rock“, verkündete da zum Beispiel ein studentischer Diskussionsredner bei einer Wahlveranstaltung. Ein Satz, dessen Wahrheitsgehalt kaum bezweifelt werden .kann, wenn man genau weiß, was das Hemd und was der Rock ist. Vielen Studenten scheint dieses Unterscheidungsvermägen aber zu fehlen. Für sie ist die Politik, die ihr Leben bestimmt und die sie mitbestimmen sollten, der Rock — und das Hemd, das sind die „studentischen Angelegenheiten“. Angelegenheiten, die wiederum weitgehend auf der politischen Ebene entschieden oder zumindest mitbestimmt werden. Ob es dem Referat für politische Bildung hier gelingt, einen Wandel herbeizuführen, wird die Zukunft zeigen. Zu sehr wird „die Politik“ auch auf Hochschulböden mit „der Parteipolitik“ identifiziert, und ein anerzogener und durch manche Beispiele geförderter politischer Puritanismus verführt viele Studenten zu einer mehr gefühlsmäßigen als reflektierten Ablehnung der Parteipolitik. Deshalb auch der Erfolg des RFS, der die Forderung nach parteipolitischer Keuschheit auch in seihen Statuten verankert hat: „Mitglied im RFS kann jeder ordentliche Hörer einer österreichischen Hochschule oder Akademie österreichischer Staatsbürgerschaft werden,' der sich .zu den Grundsätzen des RFS bekennt und nicht Mitglied' einer politischen Partei oder einer, ihrer Teilorganisationen ist.“ Daß auch für den RFS die HochSchulpolitik ein Mittel ist, „Politik zu machen“, Politik in einem größeren Rahmen, beweist ein Wort des Exvorsitzenden der Grazer Technik, Rudolf Aita, in der Februaimummer der „Aiula“. Aita schreibt dort: „Wir müssen an dieser Stelle auch an die uns nahestehenden Verbände und Studierenden die eindringliche Bitte richten, durch rege Mitarbeit unsere Basis au verbreitern, denn die Hoch-schulpolitik stellt heute eine sehr beachtliche Möglichkeit dar, unsere Anschauungen und Vorstellungen der Öffentlichkeit nahezubringen.“

Das ist sehr vorsichtig formuliert, aber doch ziemlich eindeutig. Was nimmt es wunder, wenn die FPÖ pünktlich über Erfolge des RFS zu jubilieren beginnt, decken sich doch bei RFS und FPÖ manche „Anschauungen und Vorstellungen“, besonders in Fragen des „nationalen Bekenntnisses“.

Daß die Hochschülerschaft auch ein politisches Mandat hat, wurde von ihren Funktionären bisher zu wenig beachtelt: Ein Mandat im Sinne einer bewußten und permanenten Konfrontation mit der Politik.

„Zu den Aufgaben der studentischen Selbstverwaltung gehören die ergänzende politische Bildung und Heranführung der Studenten an die Prinzipien der rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung, die Organisation der wirtschaftlichen Selbsthilfe, die Unterstützung der musischen Interessen der Studenten, die Gestaltung und Vertretung der Studentenschaft als einer kulturellen und sozialen Gemeinschaft, die Pflege der internationalen Beziehungen der Studentenschaften.“ Die politische Bildung steht hier also sogar an erster Stelle — allerdings in einem Gutachten des Verbandes Deutscher Studentenschaften.

Wahrscheinlich wird die politische Bildung in der deutschen Bundesrepublik deshalb so betont, weil man dort mit soziologischen Untersuchungen schon etwas weiter fortgeschritten ist als in Österreich.

Die Soziologen konstatierten einen prinzipiellen Rückzug der geistigen Elite von der Realität der Gesellschaft, eine Haltung, die „von einem Rückzug in den Bereich der Innerlichkeit gleichermaßen geprägt zu sein scheint wie von einer pragmatischen Anpassung an die sogenannten äußeren Notwendigkeiten“. Da sich nun die Frage ergibt, was geschieht, wenn sich diese äußeren Notwendigkeiten wandeln, wurde das politische Potential eines repräsentativen Durchschnitts von Studenten untersucht. Das „Potential“ soll angeben, wie fest die politischen Haltungen sind, die Menschen zur Schau tragen. Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse:

Befragte mit definitiv demokratischem Potential 9 Prozent, unproft-liertem Potential 66 Prozent (aber eher demokratisch 20 Prozent, ganz unproflliert 26 Prozent, aber eher autoritär 20 Prozent), definitiv autoritärem Potential 16 Prozent, disparatem Potential 9 Prozent.

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