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Studenten werden unruhig

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Im Zusammenhang mit der Errichtung einer Gruppe „Aktion“ auf Grazer Hochschulboden erhalten wir einen Bericht. Wir haben gleich-zeitig den „Wahlblock“ eingeladen, von sich aus zu der Neugründung und den Bedingungen, die sie bestimmt haben, Stellung zu nehmen.

Die Redaktion

Kommen in der österreichischen Hochschulpolitik die seit bald zwei Jahrzehnten festgefügten Fronten in Bewegung? Fast scheint es so. Kurz vor Abschluß des Sommersemesters

hat sich in Graz die „Aktion Neue österreichische Studentenverefni-gung“. konstituiert, die sich zum Ziel setzt, studentische Interessen frei und unabhängig zu vertreten und „gegen kulturelle und politische Passivität in der Gesellschaft“, vor allem in der studentischen, anzukämpfen. Der bisherigen Interessenpolitik an den Hochschulen soll, wie die Aktion mitteilt, eine möglichst offene Politik unter stärkerer Miteinbeziehung auch der Nichtkorporierten gegenübergestellt werden; eine Politik, die darum bemüht sein will, die Hochschülerschaft aufzuwerten und

der Studentenschaft auch als gesellschaftspolitischem '“ Faktor mehr Wirksamkeit zu'verschaffen.

Student und moderne Gesellschaft

Neben der routinemäßigen Interessenpolitik will die „Aktion — Neue österreichische Studentenvereinigung“ vor allem eine verstärkte Konfrontation des Studenten und der Hochschule mit den Erscheinungen der modernen Gesellschaft. Gefordert wird auch ein umfangreicher internationaler Studentenaustausch und eine „studentische Außenpolitik“, die nach Westen und Osten offen ist. Intensiv will sich die

„Aktion“ auch mit der Organisation der Hochschulen auseinandersetzen, wobei betont wird, daß eine Reform von innen Voraussetzung für eine Reform von außen sei. Die Neugründung steht unter dem Motto: „Uns interessiert 1974 mehr als 1934.“

Der Initiator der neuen Vereinigung, Gerfried Sperl, schrieb im März 1965, damals als Vorsitzender der ÖHS an der Grazer Universität, in einem Artikel der ebenfalls in Graz erscheinenden und von der Hochschülerschaft herausgegebenen Studentenzeitschrift „Impuls“:

„Die Universität besteht aus einer Gemeinschaft von Professoren, Assistenten und Studenten. Alle Mitglieder einer Hochschule tragen die Verantwortung gemeinsam, indem sie forschen, lehren und studieren, Sie müssen deshalb auch ... in demokratischer Weise an der Erfüllung der hochschulischen Aufgaben beteiligt werden. Nicht nur wissenschaftliche Arbeit, sondern auch in zunehmendem Maße reine Forschungsarbeit wird heute in Gruppen geleistet, die österreichische Hochschulorganisation nimmt davon noch immer nicht Notiz. Es wird trotzdem nicht möglich sein, jeden Diskussionsversuch mit einer abweisenden Handbewegung abzutun, denn hier könnte man wohl das Argument ins Treffen führen, daß wir alle“,in eitlem Boot sitzen...' In den letzten Jahren ist die Bildung allzusehr in das Zentrum engstirniger Parteipolitik gerückt worden, die Hochschulpolitik ist .daher von solchen Bestrebungen zu säubern. Die Hochschülerschaft als Interessenvertretung aller österreichischen Studierenden — wobei sie auch eine besondere Aufgabe in der Betreuung und Einführung der ausländischen Kollegen in das Leben der Studentenschaft sieht — muß ihrer Position gemäß ihr Wirken nach diesen Forderungen (Energie und Flexibilität — Anm. d. Red.) ausrichten.“

Die Reaktionen auf solche ungewohnten Worte machten Sperl das Leben als Vorsitzenden nicht leicht

Es ist hier nicht der Platz, im Detail zu schildern, wie und warum Sperl, der mehr als eineinhalb Jahre Vorsitzender der ÖHS an der Grazer Universität war, mit seiner Gruppe vorläufig aus der Hochscnürp“öfltik ausschied, aber seine Ansichten über die Korporationen scheinen entscheidend zu einer Versteifung der Fronten und schließlich zum offenen Bruch beigetragen zu haben. Manches entbehrt dabei nicht einer skurril österreichischen Note, wobei eine gewisse wechselseitige Abneigung die Entwicklung beschleunigte. Feststeht jedenfalls zum Beispiel, daß Sperl, der zwar Fraktionsführer des „Wahlblock“ an der Universität Graz war, mit seiner Gruppe nie in den „Wahl-

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