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Keine Spur von starrem Block

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Die Medien melden, ganz erschrocken, scheint’s: „Die Studenten sind brav geworden“, „Ruhiger Wahlkampf an den Unis“, „Der revolutionäre Eifer ist verschwunden“.

Einmal davon abgesehen, daß sich die Medien revoltierende Studentinnen und Studenten wohl nur aufgrund voyeuristischer Sensationsgier wünschen, ist die revolutionäre Tradition der österreichischen Studenten nicht gerade überwältigend.

Fortschrittlich waren sie jedoch immer, und ein Rückblick zeigt,

daß sich die österreichischen Studierenden ein, im internationalen Vergleich, hervorragendes In? strumentarium der Mitbestimmung und der Vertretung ihrer Interessen erkämpft haben.

Der evolutionistische Ansatz einer studentischen Reformpolitik gegenüber Professoren und Ministerium hat sich als längerfristig erfolgreicher erwiesen, als die kurzatmigen Versuche zur Durchsetzung studentischer Maximalforderungen.

Seit 1968 hat sich einiges verändert. Die Universitäten sind nicht mehr Exerzierplätze mitbestimmungsfeindlicher Professoren, die Partnerschaft der universitären Gruppen (Professoren, Assistenten, Studenten) ist ansatzweise verwirklicht und umgesetzt. Feindbilder sind damit ab gebaut worden. Daß Mitbestimmung im Wissenschaftsbetrieb möglich ist, hat sich gezeigt. Offen bleibt noch die studentische Forderung nach Drittelparität in allen universitären Gremien sowie Ausbau der autonomen Entscheidungsmöglichkeiten der Universitäten.

Parallel mit dem Massenandrang an den Unis ergab sich ein interessanter Wandel in der studentischen Identität. Die Studentenschaft ist längst kein homogener Block mit gemeinsamen Interessen mehr, sondern eine, in vielfältige und zahlreiche Grüppchen segmentierte Bevölkerungsschicht. Das heißt auch, daß die Artikulation gemeinsamer Interessen schwieriger ist und seltener wird.

Am ehesten ist das noch in den grundsätzlichen Forderungen nach einer Studienreform möglich. Wir wollen eine universitäre Ausbildung, die uns zukunftsorientiert auf die Notwendigkeiten des Berufslebens ausbildet.

Die derzeitige Studienorganisa tion ist dazu immer weniger in der Lage. Frontalvorlesungen wie vor 200 Jahren in einem Massenbetrieb werden immer weniger den Notwendigkeiten einer flexiblen, Schlüsselqualifikation vermittelnden Ausbildung gerecht. Integrativer Bestandteil des Studienreformmodells der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) ist die Durchlässigkeit und Flexibilität der universitären Laufbahnen. Professoren auf Zeit und nichtpragmatisierte Assistenten gehören ebenso dazu wie der verstärkte Einsatz von Studienassistenten.

Hand in Hand mit der Neuorganisation des Studienablaufs muß eine verstärkte soziale Absicherung der Studierenden erfolgen. Denn gänzlich unakzeptabel für die Studentenschaft ist das Einschleichen eines sozialen nume- rus clausus, der Kindern aus sozial schwachen Bevölkerungsschichten den Universitätszugang erschwert oder unmöglich macht.

Universitätsabsolventen haben genauso wenige oder genauso viele Rechte auf einen Arbeitsplatz, wie jede(r) andere auch. Wir wehren uns jedoch gegen Versuche, arbeitslose Jungakademiker ohne soziale Absicherung ihrem Schicksal zu überlassen.

Nachdem die Integration von Akademikern in den Arbeitsmarkt in manchen Bereichen schwieriger wird, unterstützen wir Formen der studentischen Selbstorganisation und Initiativen nach Kräften.

Nachdem wir die Universitäten jedoch nicht als Elfenbeinturm begreifen, sondern unser Engagement in einen Dialog mit der Gesellschaft einbringen wollen, werden alle interessierten Studierenden, mit Unterstützung durch die finanziellen, organisatorischen und publizistischen Möglichkeiten der ÖH, ihre Ideen gemeinsam mit anderen Bevölkerungsgruppen umzusetzen versuchen. Sei es in der Friedensbewegung, sei es in Frauengruppen oder in Umweltschutzinitiativen.

Die Wichtigkeit dieser Problemstellungen erfordert den Einsatz des politisch bewußten Teils der Studentenschaft, wobei von Seiten der ÖH die Einbeziehung eines möglichst breiten Mei-„ nungsspektrums notwendig ist. Vom neuen Wissenschaftsminister erwarten wir einen innovato- rischen Ansatz und die Bereitschaft, universitäre Problemstellungen verstärkt anzupacken.

Der Autor ist neuer Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft

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