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Junge neue Vielfalt

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Ähnlich wie bei dem Aufstand in Ungarn im Oktober 1956 haben auch im Jänner 1968 in Prag, als sich eine Reformergruppe innerhalb der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei anschickte, einen „Demokratisierungsprozeh einzuleifen, die Jugendlichen eine bedeutende Rolle gespielt. Es handelte sieh dabei um verschiedene Kategorien von Jugendlichen, die sich bei diesen Reformbestrebungen zeitweilig zusammenfanden. Wahrscheinlich nur unter den Studenten verbarg sich ein hoher Prozentsatz rebellischer und straff organisierter Exmitglieder des Jugendverbandes. Natürlich kann auf diese Weise die „tschechoslowakische Reform” mit allen ihren positiven und negativen Begleiterscheinungen nicht nur zu einem Jugendphänomen und Generationswechsel vereinfacht werden. Die Hauptrolle spielt tn diesem Fall die dramatische politische Entwicklung. Es wäre aber ungerecht, die unverkennbaren Elemente des Protestes der tschechoslowakischen Jugend zu übersehen, die zeitlich mit der „Prager Reform", die die Welt seit Monaten in Spannung hält, zusammentrafen und sie auch mitprägten.

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Ähnlich wie bei dem Aufstand in Ungarn im Oktober 1956 haben auch im Jänner 1968 in Prag, als sich eine Reformergruppe innerhalb der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei anschickte, einen „Demokratisierungsprozeh einzuleifen, die Jugendlichen eine bedeutende Rolle gespielt. Es handelte sieh dabei um verschiedene Kategorien von Jugendlichen, die sich bei diesen Reformbestrebungen zeitweilig zusammenfanden. Wahrscheinlich nur unter den Studenten verbarg sich ein hoher Prozentsatz rebellischer und straff organisierter Exmitglieder des Jugendverbandes. Natürlich kann auf diese Weise die „tschechoslowakische Reform” mit allen ihren positiven und negativen Begleiterscheinungen nicht nur zu einem Jugendphänomen und Generationswechsel vereinfacht werden. Die Hauptrolle spielt tn diesem Fall die dramatische politische Entwicklung. Es wäre aber ungerecht, die unverkennbaren Elemente des Protestes der tschechoslowakischen Jugend zu übersehen, die zeitlich mit der „Prager Reform", die die Welt seit Monaten in Spannung hält, zusammentrafen und sie auch mitprägten.

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Die Maßnahmen zur Überwindung der politischen und wirtschaftlichen Krisenerscheinungen füllen derzeit den tschechischen Alltag aus. Der Wechsel des politischen Systems, das zwanzig Jahre auf den Prinzipien der direkten Leitung basierte, vollzieht sich infolge mannigfaltiger Widerstände nur sehr langsam. Dieser Umstand muß aber in Betracht gezogen werden, wenn man vor allem die verschiedensten Strömungen innerhalb der tschechischen und slowakischen Jugend- und Studentenbewegung näher beleuchten will. Der scheinbar nicht mehr aufzuhaltende Zerfall des Tschechoslowakischen Jugendverbandes (Ceskoslo- vensky svac mládeze — CSM) und die Gründung neuer Organisationen hat nichts mehr mit einer Krise zu tun. Es ist dies schon ein Prozeß der Krisenüberwindung mit allen Aspekten der Differenzierung und der zeitweiligen Desorientierung. In der scharfen politischen Differenzierung hofft man aber eine neue Plattform für die Jugend zu finden, damit sich deren Aktivität frei und ungehindert entfalten kann, was zwei Jahrzehnte kaum der Fall war.

Der CSM war bis vor kurzem noch die einzige universelle Massenjugendorganisation. Die ihm ebenfalls zugedachte Rolle eines „Transmissionsriemens“ war kaum dazu angetan, die Jugend in ihrer vielschichtigen Gesamtheit besonders zu begeistern. Die Jugend spürte die schmerzhaften politischen Fesseln und konnte sich durch die allumfassende Bevormundung nie recht im legalen politischen Rahmen erreftfftbft. Me büfbkratléchd StßiSKü’’ tur des Jugendverbandes und sein üdéfdffifeMhmerféF - rFtmktiofi5 i apparat taten noch das Übrige. Ähnlich wie die Gewerkschaften war auch der Jugendverband nur ein Papierkoloß, der in einer politischen Scheinwelt, weitab von den wahren Interessen und Bedürfnissen der Jugend, pseudoaktiv agierte. Als im Dezember 1965 der letzte Versuch der Studenten, den Jugendverband auf föderalistischer Grundlage radikal zu reformieren, scheiterte, sank sein stark angeschlagenes Prestige, vor allem unter der engagierten Hochschuljugend, weiter ab. Im Frühjahr des Jahres 1968 war dieser Prestigeverlust bereits so groß, daß der Tschechoslowakische Jugendverband de facto als politischer Repräsentant der Studenten zu existieren aufgehört hatte. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß es heute noch an einigen Fakultäten CSM-Ausschüsse gibt.

Eine repräsentative Organisation zu besitzen ist heute das Hauptanliegen einer gesellschaftlich stark engagierten Studentenschaft. Den schlechten Erfahrungen, die eih Großteil der Studenten mit dem kommunistischen Jugendverband gemacht hat, ist es zuzuschreiben, daß man sich über die Art und die Prinzipien der neuen Organisation noch nicht ganz im klaren ist. Wir sind Zeugen einer Reihe von Versuchen, verschiedene Organisationen auf die Beine zu stellen. So sind beispielsweise Bestrebungen im Gang, eine rein politische Organisation der Studenten zu schaffen, sozusagen eine oppositionelle „Jugendpartei“. Interessanterweise ist diese Strömung unter den Studenten relativ schwach und es hat im Augenblick den Anschein, als ob die ersten zaghaften Gründungsversuche im Sand verlaufen würden. Die Gründer des Prager „Futurologischen Studentenklubs“ dürften inzwischen auch erkannt haben, daß ihr von Visionen getragenes zukunftsbetontes Programm von den meisten Studenten nichit ernstgenommen wird.

Die stärksten sachbezogenen Gründungsinitiativen waren auf dem Sektor der politischen Jugendorganisationen zu verzeichnen. Im Verlauf des Prager Frühlings wurden auch unzählige Stimmen laut, die für die Schaffung parteipolitisch gefärbter Jugend verbände plädierten. In kommunistischen Kreisen fanden diese Vorstellungen von separaten Jugendorganisationen begreiflicherweise am wenigsten Anklang. Mit unverhohlener Begeisterung wurde dagegen diese Idee in Kreisen der Tsche chischen Volkspartei und der sogenannten Sozialistischen Partei aufge- ‘nömmeh,so in d!ä’,iMknÄpril .und Mai .verschiedene Jugendklubs und Ausschüsse förmlich aus dem Boden gestampft wurden. Gegenwärtig ist wieder eine merkliche Verflachung dieses Gründungseifers zu verzeichnen und es mehren sich neuerdings Stimmen, die solchen Jugendverbänden keine große Über- lebenachance einräumen. Während in Böhmen und Mähren die Frage der separaten Jugendklubs wenigstens in Erwägung gezogen wurde, gab es in der Slowakei keine diesbezüglichen Versuche. Dies hängt auch damit zusammen, daß die „nichtkommunistischen slowakischen Parteien“, die Partei der Freiheit und die Partei der Slowaki schen Erneuerung, im Gegensatz zur Tschechischen Volkspartei und der Sozialistischen Partei, nur über einen äußerst bescheidenen Parteiapparat verfügen, der sie eher als Verein denn eine ernst zu nehmende Partei aus weist.

Wenig Anklang fand auch der Versuch einer Gruppe Prager Studenten, die eine linksgerichtete Jugendorganisation gründen wollten. Hier handelt es sich ohne Zweifel um eine verbesserte Variante des alten, überlebten kommunistischen Jugendverbandes mit beträchtlichen Modifikationen, was die Tätigkeit betrifft. Da der neue Verband in Wahrnehmung der Jugendinteressen sich hauptsächlich althergebrachter politischer Mittel bedienen will, dürfte er im Augenblick keine Chancen haben, die erhoffte Breitenwirkung zu erlangen.

Die Mehrheit der Studenten strebt ohne Zweifel die Erneuerung der Vorkriegstraditionen in der Studentenbewegung an, konkret durch die Bildung des Verbandes der Hochschulstudenten (Svaz vysokoskol- skeho studentstva — SVS), der bereits im Mai dieses Jahres in Olmütz seinen ersten Kongreß abhielt. Neben diesem Verband existieren vor allem in Prag noch etliche akademische Studentenräte (Akademicke student- skerady — ARS) und unzählige Studentenvereine verschiedener Richtungen. Es wäre demnach falsch anzunehmen, daß durch die Schaffung einer repräsentativen Studen- tenorganisation (SVS) die Spaltung in der Studentenbewegung schon auch die Vertreter der Mittelschüler, der

Lehrlinge, der Dort- und Landjugend, der Arbeiterjugend, der Pfadfinder und anderer besonders rührig. Deshalb ist es auch ungemein schwierig, im Augenblick eine Standortbestimmung der tschechoslowakischen Jugendbewegung vorzunehmen. Selbst der Status quo verliert sich im Nebel nicht endenwollender Polemiken und Diskussionen, die hcp hierorts ,gef üijrt er ,. wo junge, politisch interessierte Menschen i in der, Tschechoslowakei. Zusammentreffen.

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