Rendi - © APA / Helmut Fohringer

Anton Pelinka: Die vergebene Chance der SPÖ

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Am 3. Juni wird Österreichs Sozialdemokratie in Linz Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler zu ihrem neuen Parteichef küren. Kann sie sich noch als Zukunftspartei aufstellen? Ein Gastkommentar.

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Am 3. Juni wird Österreichs Sozialdemokratie in Linz Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler zu ihrem neuen Parteichef küren. Kann sie sich noch als Zukunftspartei aufstellen? Ein Gastkommentar.

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Die SPÖ hat eine Gelegenheit verpasst, sich als Partei der Zukunft zu profilieren. Sie hätte die Mitgliederbefragung als mutiges Experiment innerparteilicher Demokratie vermitteln können – stattdessen bleibt der Eindruck von Zank und Streit. Und sie hätte Pamela Rendi-Wagner als Schritt in die Richtung einer zunehmend von Frauen bestimmten Politik verstehen können, eine Weichenstellung in eine Ära weiblicher Politik. Das alles hat die SPÖ versäumt. Am 3. Juni bietet sich ihr nochmals eine Gelegenheit, sich als Zukunftspartei zu positionieren.

Doch zunächst bleibt einmal die Auswahl zwischen einem Retro-Austromarxisten, der nostalgische Gefühle anspricht, die im Gestern verharren und die von Bruno Kreisky und anderen eingeleitete Modernisierung rückgängig machen wollen (einschließlich der Wende zur Marktwirtschaft – wobei es Ferdinand Lacina war, der als Finanzminister die umfangreichste Privatisierung der Republik durchführte); und einem Kandidaten, der die FPÖ durch partielle Imitation zu überholen verspricht – eine nach außen hin sozialdemokratisch eingefärbte Strategie à la Sebastian Kurz.

Auffallend ist, dass ununterbrochen Kreisky bemüht wird, der ein Modernisierer jenseits der alten Sozialdemokratie eines Otto Bauer war. Und was noch auffällt, ist, dass die SPÖ-Debatte von einem sich abschottenden Kleinstaat namens Österreich ausgeht: Außen- und Europapolitik kommen in der Debatte nicht vor.

Verweigerte Internationalität

Bruno Kreisky wird missverstanden. Wie wird seine berühmte Einladung an Nicht-Parteimitglieder – „ein Stück des Weges mitzugehen“ – von Babler und Doskozil in das 21. Jahrhundert übertragen? Auch die Beispiele von Palme, Brandt, Mitterrand, Blair werden ignoriert, ebenso das Beispiel von Sanna Marin, die als sozialdemokratische Regierungschefin Finnlands die sicherheitspolitische Neuorientierung ihres Landes eingeleitet hat. Ist die SPÖ eine Partei provinziellen Inseldenkens geworden? Finnlands und Schwedens Weg in die NATO wird nicht diskutiert – und die scheidende Parteivorsitzende hat Mühe, das beschämende Bild zu verteidigen, das ihre Fraktion angesichts der Rede des ukrainischen Präsidenten geboten hat.

Bezeichnend ist auch, wie oberflächlich mit den Begriffen „links“ und „rechts“ umgegangen wird: Andreas Babler gilt als links, obwohl eine gesellschaftspolitische Reformpolitik entweder als europäische betrieben wird – oder nicht stattfinden kann. Der Binnenmarkt der EU zwingt zu einer europäischen Politik – gerade, wenn es um Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn und Migration geht. „Rechts“ sind die EU-Gegner à la FPÖ, „Linke“ müssten glühende Europäer sein. War nicht einmal eine Parole der SPÖ „Hoch die internationale Solidarität“?

Babler signalisiert mit seiner austromarxistischen Rhetorik ein „Vorwärts in die Vergangenheit“; eine Vergangenheit, von der die SPÖ nach 1945 aus guten Gründen schrittweise abgerückt ist. Doskozil hat sich gegen ein Bündnis mit der „Kickl“-FPÖ ausgesprochen und will „SchwarzBlau“ verhindern: Ist dies eine Ansage für „Rot-Blau“ ohne Kickl, verkleidet als ein Weg zur Verhinderung eine ÖVP-FPÖ-Koalition? Apropos: Salzburgs Koalition gibt der SPÖ die Chance, sich als unverzichtbare Stütze jeder Alternative zu einer FPÖ-Regierungsbeteiligung zu profilieren. Ist Doskozil für diese Rolle glaubwürdig? Auch die Antwort darauf wird am Parteitag eine Rolle spielen.

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