6742250-1966_46_05.jpg
Digital In Arbeit

Formeln ohne Inhalt

Werbung
Werbung
Werbung

ln Nr. 34/66 der „Furche“ diskutierten Manfred Le eb und Anton Pelinka über den „Ring Freiheitlicher Studenten“ („Wie österreichisch ist der RFS“). Diese Beiträge veranlaßten den Generalsekretär des RFS, Manfred H. Schmid, zu einer Wortmeldung („Furche“ Nr. 37/66, „Wille zur Radikalität"). Das Für und Wider hatte auch ein Echo in der Oktobernummer der MonatszeitsArift des ÖCV, „Academia": Michael Mitterauer

(„Absenz?") nahm zu einigen in der Diskussion zwischen Leeb und Pelinka aufgeworfenen Fragen Stellung. Der Autor des folgenden, auf die oben angeführten Artikel bezogenen Diskussionsbeitrages, Erich W. M air, ist Stellvertreter des Vorortspräsidenten des ÖCV.

Bewußt setzt die „Furche“ in Nummer 34/1966 den Hebel an einem Punkt an, der seit Generationen Österreicher, die an die Lettern und nicht den Inhalt von Worten glauben, in den Wahnsinn treibt. Die Begriffe „national“ und „liberal“ sind im Laufe der letzten Jahrzehnte den deutschen Sprachmei- stern etwas außer Kontrolle geraten. Romantischen Eiferern gelang es, diese Begriffe mit einem Fluidum zu versehen, das von ihnen Ersatzreligionen ihren Ausgang nehmen ließ. Und heute stehen wir vor der Aufgabe, diese Begriffe auf eine zweckentsprechende Aussagekraft ziurück- zaiführen.

Wir bewegen uns nach wie vor in einer Phase, in der das einfache Berühren von Stellen, die einmal wund waren, bestraft wird mit Ausbrüchen von Vorurteilen und demagogischen Tiraden. Hier dürften böse Erinnerungen ins Unterbewußtsein verdrängt worden sein, das vernünftige Argument kommt kaum zum Zug. Schlag nach bei Sigmund unter P. Wie sonst ließe sich verstehen, wenn Horst Schmid in Nr. 37/1966 Zuflucht nimmt zu Sätzen mit rein formalem Inhalt, wenn versucht wird, mit Argumenten zu streiten, die keine auf Tatbestände bezogene Aussage liefern, die auf Grund ihres Formalgehalts gar nicht falsch, genauso wenig richtig, sondern einfach sinnlos und überflüssig sein müssen? Wie sonst ließe sich verstehen, wenn Tautologien wie „die Konsumgesellschaft orientiert sich am Konsum“ zur Erklärung gesellschaftlicher Erscheinungen herangezogen werden? Wie sonst ließe sich erklären, wenn der Generalsekretär des RFS dialektisch meint, es sei unwahr, daß die Olympia seinerzeit „wegen Rechtsextremismus“ aufgelöst wurde, wahr sei vielmehr, daß sie wegen Sat- zungsüberschreitumg aufgelöst wurde?

Besser unterlassen hätte der Generalsekretär des RFS auch den Hinweis auf die Haltung der ÖVP in bezug auf liberale Wirtschaftsprinzipien, denn

• mit Adam Smith begann die liberale Wirtschaftspolitik, sie hörte mit ihm nicht auf,

• wäre so mancher jetzt verstaatlichte Betrieb damals unter russischer und nicht österreichischer Verwaltung gewesen, ich bin sehr sicher, so viele Angehörige von Burschenschalten, wie jetzt dort sind, wären nicht dort beschäftigt.

Was sicher keine Antwort auf die Frage nach dem Sinngehalt des Wortes „liberal“ sein kann. Sicher isit aber, daß die Sozialgeschichte genug Beispiele dafür kennt, was liberal nicht sein kann.

Anton Pelinka unternahm den originellen Versuch, an Hand der Demonstration eines gewissen liberalen Engagements der großen Parteien der kleinen, die sich nur selbst liberal nennt, die Existenzberechtigung abzusprechen. Nur zu verständlich, wenn Kollege Schmid, getrieben von eifrigem „Radikalismus gegen sich selbst“, was nach seinen Worten die Kemforderung des RFS an seine Mitarbeiter sei, darauf hinweist, welche Unklarheiten in der deutschen Sprache von heute bezüg- lidi des Wortes „liberal“ bestehen, und anschließend die bekannte Version von der Verbindung eines „Nationalen Bekenntnisses“ mit freiheitlichem Denken einmal mehr zum besten gibt. Denn so einfach ist das Leben, muß es wohl sein, wenn es möglich sein soll, ganze Weltanschauungen in kurzen, einfachen Sätzen unterzubringen! Ob diese nun heißen mögen: „Der einzelne ist nichts — sein Volk ist alles“, was nach Ansicht des Generalsekretärs des RFS „das Volk ins Nichts geführt und einzelne zu Verbrechern werden lassen hat“, oder „Der einzelne ist viel — ųnd für sein Volk alles“, was, wie man hört, im RFS dem vorhergehenden Satz vorgezogen wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung