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Bruderzwist im ÖH-Haus

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An Österreichs Universitäten geht’s wieder einmal rund. Die Hochschülerschaftswahlen stehen vor der Tür: vom 19. bis 21. Mai wählen die Studenten ihre Vertreter.

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An Österreichs Universitäten geht’s wieder einmal rund. Die Hochschülerschaftswahlen stehen vor der Tür: vom 19. bis 21. Mai wählen die Studenten ihre Vertreter.

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Der Kampf um die begehrten Wählerstimmen der österreichischen Studenten bei der Hochschülerschaftswahl vom 19. bis 21. Mai ist heuer kaum von den üblichen Hackereien zu unterscheiden. Nach der Flaute vor den Nationalratswahlen, als niemand so recht wußte, auf welche zukünftige Rolle er sich nun einstellen soll-

te, schössen die Anschuldigungen, Gegendarstellungen und Gegen-Gegendarstellungen der Studentenpolitiker wie die berühmten Schwammerln aus dem Boden.

Schon richtig Tradition hat der etwas groteske Streit zwischen den beiden OVP-nahen Fraktionen „Aktionsgemeinschaft“ (AG) und JES („Junge Europäische Studenteninitiative“ ). Was auch nicht weiter verwundert, kämpfen sie doch beide um das „bürgerliche Lager“ unter den Studenten. Der Kampf lärm ist derzeit so laut, daß die nach der AG zweitstärkste Fraktion VSStö, der „Verband Sozialistischer Studenten“ , leicht überhört werden kann.

Wenn sich AG und JES nicht mehr an einen Tisch setzen können, so ist das auch Folge ihrer gemeinsamen Vergangenheit: von 1981 bis 1985 bildeten sie im bundesweiten Zentralausschuß eine übermächtige Koalition. Die immer stärker werdende AG hielt diese „Vernunftehe“ bald für nicht mehr notwendig, was schließlich zum Bruch führte. „Seither“ , so der VSStö-Bundes-vorsitzende Bernhard Heinzlmai-er, „spielt die JES die enttäuschte Liebe“ . Enttäuschte Lieben neigen oft zu Rachegefühlen.

Die Liste der gegenseitigen Vorwürfe scheint endlos. Ein Beispiel: Als das JES-Organ „Student-aktuell“ im Dezember 1986 schrieb, die AG habe das ihr überantwortete Hochschülerschaftsbudget unsachgemäß verwaltet, ließ die AG mit ihrer Reaktion nicht lange auf sich warten. Prompt erschienen Plakate und Flugblätter mit der netten Uberschrift „JES lügt“ , auf denen genau das Gegenteil behauptet wurde, daß nämlich 1982 und 1983, als die ÖH-Exekutive in den Händen der JES war, die ÖH-Finanzen defizitär geworden seien. Erst die AG habe sie in mühevoller Kleinarbeit wieder saniert.

Darauf stand im „Student-aktuell“ , es gäbe seit 1979 überhaupt keine ordnungsgemäßen Bilanzen mehr, außerdem wühle sich die Wirtschaftspolizei gerade durch Fragmente einer AG-„Buchhaltung“ . Daher könne auch nicht von einer „sanierten ÖH“ gesprochen werden.

Da auch der VSStO sein Scherflein zur „Defizitabdeckung“ nach der Koalition beigetragen haben will, müßten ja eigentlich alle wieder glücklich und zufrieden sein.

Der nächste Schlag ging gegen die JES. Als im Februar vier Funktionäre der JES die Hochschülerschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien (HWU) verließen und sich in den Dunstkreis der Aktionsgemeinschaft begaben, wurde dies von der AG sofort weidlich ausgeschlachtet. Matthias Kopetzky, das Zugpferd der Umsteiger, war immerhin Kronprinz in der HWU, wenn auch mehr geduldet als geliebt. Als dann nach langen internen Streitigkeiten ein Rücktrittsschreiben

“Die AG nannte Tuppy den .Mann von gestern’ …“

mit gefälschter Unterschrift auftauchte, zog er augenblicklich die Konsequenzen.

Die vier Geächteten wollen nach der Wahl als „Exekutive“ fungieren, um Mißstände an der WU zu beseitigen. Unter anderem auch die Möglichkeit, daß Studenten und Assistenten durch sogenannte ,J>aukerkurse“ bis zu 64.000 Schilling pro Semester verdienen …

Erstaunlich gelassen reagiert der JE S-Bundesvorsitzende Matthäus Thun-Hohenstein auf Kopetzkys Vorwürfe. Die gefälschte Unterschrift ist in seinen Augen einfach die Aktion eines „politisch Wahnsinrügen“ und „moralisch unbedenklich“ , da Kopetzky ohnehin eine Rücktrittsankündigung an den Vorsitzenden der HWU, Martin Hofer, geschickt hat. Die AG wiederum will wissen, daß Hofer selbst die Unterschrift gefälscht hat.

Viel bedrückender als die schon gewohnten Attacken der AG ist für Thun-Hohenstein die Haltung der ÖVP: „Uns erschreckt, daß die ÖVP zuschaut, wie die eine von ihr finanzierte Fraktion versucht, die andere fertigzumachen.“ Er hätte sich von der ÖVP „zumindest soviel politischen Verstand erwartet, daß sie nicht zuläßt, daß sich ihr eigenes Nachwuchsreservoir umbringt.“

Genauso unzufrieden ist VSStö-Mann Heinzlmaier mit seiner Mutterpartei. Der VSStö hätte im Gegensatz zur SPÖ „keinen opportunistischen Grund, seine Gesinnung zu bestimmen“ , daher orientiere er sich „an Grundsächlicherem als an der aktuellen Ausrichtung der Politik der SPÖ“ . Die Koalition ist für ihn ohnehin kein Thema.

Und dann kam die Nominierung Hans Tuppys zum Wissenschaftsminister. Am Anfang stand die große Enttäuschung. Die AG hatte sich ausdrücklich für Heinrich Neisser als Wissenschaftsminister eingesetzt, der VSStö fühlte sich um das Wissenschaftsressort geprellt, und auch die JES war nicht ganz glücklich, obwohl sie vermutlich jeden ÖVP-Kandida-ten akzeptiert hätte.

Kaum hatte sich die erste Aufregung gelegt, als Detaüs aus dem Rechnungshofbericht bekannt wurden. Die AG reagierte giftig. Sie nannte Tuppy den „Mann von gestern“ und rief im Namen der ÖH nach Stipendienerhöhung, Inskriptionsreform und Einlösung alter Versprechen. Jedenfalls sind lautstarke Proteste angesagt, denn „dieser Minister reagiert, wenn wir mit unseren Forderungen nicht zu leise sind“ , so der ÖH-Vorsitzende Michael Goldinger.

Schon wieder Lärm also. Eigentlich seltsam, wie wenig* die Studentenpolitiker von den „Großen“ unterscheidet, die sie immer kritisieren.

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