6838139-1975_27_04.jpg
Digital In Arbeit

Auf die Finger schauen

Werbung
Werbung
Werbung

Der Berg hat gekreißt und eine Maus geboren. — So läßt sich am besten das Resultat charakterisieren, das die Wahl zum Vorsitzenden der österreichischen Hochschülerschaft am vergangenen Freitag erbrachte. Georg Schneider von der ÖSU wurde doch noch in die ersehnte Position katapultiert, als Aufpasser wurden ihm Hubert Gärtner vom Forum Innsbruck und Carina Rys von der JES-Studentendnitiatave in den Pelz gesetzt Zumindest die JES äst jedoch an einer formellen Koalition oder an einer institutionellen Mitarbeit nicht interessiert, sie bleibt bei ihrem distanzierten Verhältnis zur ÖSU. Diese wird sich in jedem Einzelfall um JES-Sitimmen bemühen müssen, ohne die sie keinen Beschluß (somit auch kein Budget) durcbbekommen kann.

Die Vorgeschichte dieser turbulenten Wahl ist kurz folgende: Die Verluste der ÖSU bei der letzten ÖH-Wahl führten dazu, daß sie nur mehr 21 von 55 Mandaten im Zentralaus-schuß, dem höchsten Gremium der ÖH, besetzen kann. Sie ist daher zur Mehrheitsbildung auf andere angewiesen. Ais Partner in Frage kamen die Sozialistischen Studenten (VSStö), die jedoch sehr bald ihr völliges Desinteresse an einer Zusammenarbeit mit Jxmrgeoisen Gruppen“ bekundeten, der FPÖ-abhäwgdge RFS, oder aber eine Lösung zusammen mit Forum und JES. Diese erschien der ÖSU als die beste, weil billigste, und Doch-Noch-Spitzenimann Georg

Schneider (sein Angstgegner Karasek hatte sich innerfraktionell nicht durchsetzen können) wurde ausgeschickt, mit JES und Forum zu verhandeln. Es begann sich der ÖH-übliche Postenschacher Zu entfalten, wobei die ÖSU in ihrer Großzügigkeit dieselben Referate dem Forum und JES versprach. Die ÖSU-Studenten, gewöhnt, um Budgetmittel und Positionen zu feilschen, waren fassungslos, als JES auch politische Konzessionen verlangte. Es war sichtlich unfaßbar für sie, daß jemand prinzipiellen Fragen eine derartige Bedeutung beimessen konnte, wie JES das tat.

Der Eklat kam mit der Frage des allgemeinen politischen Mandats. Mit der Frage, oh die ÖH das Recht haben soll, auch die allgemeinen politischen Interessen der Studenten zu vertreten; im Klartext: das Recht, den Schah als Mörder zu beschimpfen und gegen das „blutrünstige Franco-Regime“ zu Felde zu ziehen. Dies wird von der JES abgelehnt, von der ÖSU jedoch zum unverzicht baren Bestandteil ihrer Politik erklärt. Carina Rys, Spitzenmändatarin der JES: „An dieser Frage und an der Unmöglichkeit, mit der ÖSU Ansätze zu einer nichtsozöaiListischen Bildungspolitik zu findien, sind am Monitag vor der Wahl die Verhandlungen gescheitert. JES konnte unter diesen Umständen die Verantwortung für eine Zusammenarbeit mit der ÖSU nicht übernehmen, „Am Dienstag wurde in einer letzten Verhandtalg ein Kompromiß ausgearbeitet, mit dem die ÖSU-Spiltze sich einverstanden erklärte, nur um ihn dann in der Nacht, 10 Standen vor der Wahl, zu widerrufen.

So kam es bei der konstituieren« den Sitzung des Zentralausschlusses zum Patt Trotz dreier Versuche konnte kein Vorsitzender gekürt werden. Die ÖSU war völlig ratlos und verzweifelt. Da ergriff JES die Initiative und machte der ÖSU ein Rettjungsangebot, um die Bestellung eines Regierungskommissärs (die erfolgt, wenn kein Vorsitzender gewählt werden kann) zu verhindern. Nachdem eine Einigung mit Schneider offenibar unmöglich und Karasek innerparteilich ausgebootet war, wollte man mit einem dritten Mann verhandeln. Diesen zu finden, war die ÖSU jedoch nicht imstande.

So verlief auch der erste Wahlgang der vertagten Sitzung ergebnislos. Als offensichtlich wurde, daß die ÖSU niemand anderen als Schneider zu bieten hatte, unternahm JES einen letzten Versuch, das ohnehin schon stark angeteraitzte Ansehen der ÖH zu retten und das Übergreifen des von ihr stets bekämpften Staatseinflusses auch auf die Hoch Schülerschaft zu verhindern. Es wurde die Lösung Schneider-Gärtner-Rys ausgehandelt, die schließlich auch durchging. Peinliches Detail am Rande: beim ersten Versuch ging die Wahl Schneiders schief, weil vier seiner öSU-Mannen gegen ihn gestimmt hatten.

Unbeschreiblich war die Reaktion des RFS auf diese Lösung. Nachdem er in seiner Sturheit alle realistischen Kompromisse boykottiert hatte, wurde ihm klar, wie sehr er sich damit in die Ecke manövriert hatte. Seine Wut machte sich in übelsten Schimpfkanonaden und körperlichen Attacken gegen Forum- und JES-Mandatare Luft.

Carina Rys stellt sich die Zukunft der JES so vor: „Wir werden der ÖSU sehr genau auf die Finger schauen. Dazu bietet uns die Position des stellvertretenden Vorsitzenden die besten Möglichkeiten. Wir sind jedoch wegen der grundsätzlichen Differenzen nicht bereit, durch Referate und Koalitionsverträge die Verantwortung für die Politik der ÖSU zu übernehmen. Wir haben jedenfalls durch unsere Initiative die Installierung von Firnbergs Regie-rungskommissär verhindert und so der Studentenschaft eine neuerliche Niederlage erapart“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung