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Wasch mir den Pelz ...

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Der noch amtierende Vorsitzende des Zentralausschusses der österreichischen Hochschülerschaft, Georg Schneider, hat erklärt, daß er anläßlich der nächsten Zentralausschußsitzung am 28. Jänner sein Amt aus Studiengründen zurücklegen werde. Damit ist die Frage nach dem neuen Vorsitzenden erneut virulent geworden. Eine neue Krise also?

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Der noch amtierende Vorsitzende des Zentralausschusses der österreichischen Hochschülerschaft, Georg Schneider, hat erklärt, daß er anläßlich der nächsten Zentralausschußsitzung am 28. Jänner sein Amt aus Studiengründen zurücklegen werde. Damit ist die Frage nach dem neuen Vorsitzenden erneut virulent geworden. Eine neue Krise also?

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Die Situation ist deshalb komplizierter als in den vergangenen Jahren, da die österreichische Studentenunion (ÖSU) zwar nach wie vor die Mehrheit im Zentralausschuß stellt, aber nicht mehr über die absolute Mehrheit verfügt und daher auf die Unterstützung einer anderen Fraktion angewiesen ist. Es handelt sich dabei um die Junge Europäische Studenteninitiative (JES), die bereits einmal eine Wahl Karaseks zum ÖH-Chef verhindert hat. Bereits damals wollte Schneider sein Amt zurücklegen, doch war er der einzige Mandatar, auf den sich ÖSU und JES einigen konnten.

In der Zwischenzeit jedoch dürfte sich das Klima zwischen JES und ÖSU wesentlich gebessert haben und die emotionalen Wogen, die insbesondere zu Wahlzeiten manchmal recht hoch schlugen, sind auf Grund des zunehmenden gegenseitigen Verständnisses verebbt.

Karaseks Kandidatur ist zwar formell noch nicht beschlossen, doah bietet sich derzeit innerhalb der ÖSU kein anderer Kandidat mit einer derartigen Profilierung an, und es ist daher anzunehmen, daß sich die Generalversammlung der ÖSU in ihrer Sitzung am 27. Jänner für Karasek entscheiden wird.

Für den Fall, daß die JES jedoch „no“ zu Karasek sagt, bieten sich grundsätzlich zwei Übergangslösunr gen an: entweder Georg Schneider bleibt erneut „vorläufig“ im Amt, oder die stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralaussohusses führen die Geschäfte interimistisch. Da aber diese Stellvertreter Gärtner (Forum-Innsbruck) und Karsek heißen, hieße dies, eine „Wasch-mir-den-Pelz-

aber-mach-ihn-nicht-naß“-Politik betreiben.

Daß ein Gegenkandidat aufgestellt wird, halten Kenner der hochschul-politisohen Situation für ausgeschlossen, denn es erscheint utopisch, daß sich die Opposition, die sich aus Ultralinken (wie z. B. der Gruppe revolutionärer Marxisten) und Ultrarechten (Ring freiheitlicher Studenten) zusammensetzt, auf einen genehmen Kandidaten einigen könnte.

Für den Fall, daß Karasek gewählt wird, müßte aiuoh ein neuer Vorsitzender des Hauptaussohusses an der Universität Wien bestellt werden, da diesen Posten derzeit noch Karasek innehat; hier dürfte der Student Peter Adler die größten Chancen haben, da er sich bereits auf der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät einen Namen machen konnte.

Bezüglich der Schwerpunkte in der Hoohschülerschafts-Arbeit

würde sich durch eine Wahl Karaseks kein Bruch ergehen, denn die derzeit laufenden Initiativen sind zum Großteil unter seiner Federführung zustande gekommen.

Der Bericht über die soziale Lage der Studenten sowie die damit in diesem Zusammenhang geführte Kampagne in der Öffentlichkeit haben — so Karasek — „immerhin zur Schaffung eines Sozialfonds geführt, der mit Hilfe eines Budgetüberschreitungsgesetzes mit 20 Millionen Schilling dotiert werden soll“. Alle jene Studenten, die sich finanziell benachteiligt fühlen, können einen entsprechenden Antrag an diesen Fonds richten. Dennoch ist die ÖSU nicht zufrieden. Nach wie vor steht ihre Forderung nach dem kostendeckenden Stipendium, doch wurde diese Forderung vorerst angesichts der tristen Budgetsituation in die Schublade gelegt. Karasek verweist in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, daß noch im Jahre 1970 das Stipendium 70 Prozent der Lebenshaltungskosten deckte, während heute — infolge des inflationären Kostenauftriebes ' — nur noch eine Deckung von rund 50 Prozent gegeben ist. Während 1970 auch noch 21 Prozent der Studenten Stipendien bezogen, sind es heute nur noch 16 Prozent. Die Gründe für dieses Absinken liegen laut Karasek im starken Ansteigen der Gehälter, was dazu führte, daß auf Grund der starren Bemessungsgrundlagen für Stipendien viele Väter plötzlich nominell „zu viel“ verdienen, wodurch der Sohn oder die Tochter nicht mehr in den Genuß eines Stipendiums kommen können.

Diese Fakten aufzuzeigen und hier wenigstens den durch die Inflation verlorenen Status quo wiederherzustellen, ist eines der Hauptanliegen der ÖSU.

Kummer bereitet der Hochschülerschaft auch die (insbesondere vom Kärntner Ärztekammerpräsidenten Sacher vertretene) Meinung, daß es in Österreich einen Ärzteüberschuß gebe und daher versucht werden sollte, bei den Neuinskribenten zu bremsen.

Doch — wie auch immer die Wahl am 28. Jänner ausgehen wird — Hauptgesprächspartner für den neuen Vorsitzenden der Hochschülerschaft werden in erster Linie Frau Minister Firnberg sowie Minister Androsch bleiben.

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