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ÖSU am Scheideweg

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Es war ähnlich wie 1979. Die lennkh- sten Gesichter gab es wieder bei der österreichischen Studentenunion (ÖSU). Denn die unter dem Vorsitzenden der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), Fritz Lennkh, nach wie vor auf Linkskurs befindliche ÖSU erlitt ein Wahldebakel.

Ansonsten gab es fast nur Sieger an diesem langen Wahlabend des 21. Mai, nur der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), die Fraktion Theologie und die Liste Kommunistischer Hochschulorganisationen (LKH), die aus dem ÖH- Zentralausschuß (ZA) hinausflog, mußten ebenfalls Verluste hinnehmen.

In den Stellungnahmen der Studentenpolitiker schlug in erster Linie Bestürzung über das relativ gute Ab.schneiden der rechtsradikalen ANR (Aktion Neue Rechte), in zweiter Linie Freude über das leichte Ansteigen der Wahlbeteiligung durch. Wobei 34,69 Prozent Beteiligung noch immer kein Grund zur Euphorie ist.

Überdies gab es beträchtliche regionale Unterschiede. So wählten etwa an der Montanuniversität Leoben - wo die ANR besonders gut abschnitt - 55,48 Prozent, an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien 53,18 Prozent, aber an der Wiener Akademie der bildenden Künste nur 19,18 Prozent.

Daß sich die nunmehr 89 Mandate auf 13 verschiedene, zum Teil recht kleine, Gruppen verteilen, läßt erwarten, daß Mehrheitsbeschlüsse im ZA noch schwerer als bisher Zustandekommen werden, zumal die linken Gruppen jede Zusammenarbeit mit Fraktionen, die rechts von der ÖSU stehen, ablehnen, während diese Gruppen allem, was links von der ÖSU steht, abhold sind und schon bei einer Zusammenarbeit mit der ÖSU Probleme sehen.

Hauptsieger der Wahl war zweifellos das Studentenforum, das 1979 nur in Graz aufgetreten war, heuer aber bereits der ebenfalls weiter erstarkten

Jungen Europäischen Studenteninitiative (JES) ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte. Sowohl JES-Vorsitzender Philipp Hartig, JES-Spitzenkandidat Michael Ikrath und Studentenforum-Spitzenkandidat Norbert Haselsteiner bekannten sich zu einer christdemokratischen Linie und bekräftigten die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

Das erste Wahlziel der JES, die erstmals an einer Hochschule (Wirtschaftsuniversität Wien) zur stärksten Fraktion wurde, von 20 Prozent Stimmenanteil wurde verfehlt, das zweite, die Verhinderung einer ZA-Mehrheit von ÖSU, VSStö (Verband Sozialistischer Studenten Österreichs) und KSV (Kommunistischer Studentenverband) hat Österreichs hartigste Studentenfraktion aber praktisch erreicht.

Daran konnten auch - angesichts des chaotischen Wahlprogramms - überraschend hohe Gewinne des VSStö unter Spitzenkandidat Christian Cap nichts ändern. Angesichts der Zersplitterung des bürgerlichen Lagers wurde der VSStö sogar zur stärksten Fraktion an der Universität Wien. Aber obwohl auch der KSV deutlich stärker wurde, kommt die ÖSU mit diesen beiden Gruppen nur auf 43 von 89 Mandaten.

Will also die ÖSU ihr umstrittenes Linksbündnis, das ihr nun schon das zweite Wahldesaster beschert hat, fortsetzen, müßte sie auch noch die Kooperation mit links orientierten Splittergruppen, etwa der GRM (Gruppe Revolutionärer Marxisten), anstreben. Das wäre eine Mehrheit mit Ach und Krach und würde für die ÖSU mit Sicherheit eine weitere Wahlniederlage in zwei Jahren und schon vorher starke Zerreißproben bedeuten.

Arrangiert sich die ÖSU dagegen mit den Mitte-Rechts-Gruppen, zu denen JES, Studentenforum, Forum, Fraktion Theologie und Fachliste Alternative zählen, kann sie mit einer soliden Mehrheit rechnen, geht aber vermutlich ebenfalls inneren Spannungen entgegen. Ein echtes Dilemma, wo guter Ikrath teuer ist...

Fest steht, daß ohne ÖSU keine Mehrheit möglich ist. Fest steht auch, daß das Thema ANR noch einmal vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden soll, wie ÖH-Boß Lennkh ankündigte. Fest steht aber auch, daß 866 ANR-Wähler ein Alarmsignal und auch durch ein allfälliges ANR-Verbot nicht auszuradieren sind.

Abzuwarten bleibt das Verhalten der beiden Kleinfraktionen LUSt (Liste Unabhängiger Studentinnen) und Morgenmuffelverein. Letzterer hatte mit der Parole, Vorlesungszeiten später anzusetzen, auf Anhieb großen Erfolg. Die absolute Mehrheit der Studenten hat freilich eine Gruppe hinter sich, die gar nicht kandidiert hat: der Wahlmuffelverein ...

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