Selbstkritik im Spiegel des Budgets

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In den letzten Nationalratssitzungen 2010 schenkt die Opposition der Koalition | nichts mehr. Der geht es ums Budget - und darum, sich neu zu positionieren.

Während die 183 Nationalratsabgeordneten der Regierungs- und Oppositionsparteien bis kurz vor Weihnachten das Für und Wider des veranschlagten Budgetentwurfs 2011 debattierten, begann sich das Volk langsam damit abzufinden, den Gürtel bald viel enger schnallen zu müssen.

Um die Protestgrundlage weiter Teile der Gesellschaft nochmals zu beleuchten: Auf dem Fahrplan stehen u. a. Kürzungen bei den Familien sowie im Bereich Pflege und Behinderung; zudem bei der Entwicklungshilfe, bei außeruniversitären Forschungsinstituten sowie im Strafrecht - indem man etwa Opfer einer Körperverletzung auf das Zivilrecht verweist, womit ein finanzielles Prozessrisiko droht.

Treffsichere Steuervielfalt

Weiters werden mit der Erhöhung der Mineralölsteuer, einer neuen Flugticketabgabe und der als "Massensteuer" verdächtigen Bankenabgabe Belastungen geschaffen, denen sich niemand entziehen kann. Es sei denn, man benutzt kein KFZ, verreist nicht per Flieger und benötigt keinerlei Dienstleistung eines Geldinstituts.

Die Vorwürfe, der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann und der christlich-soziale Finanzminister Josef Pröll hätten ein sozial wenig ausgewogenes Sparpaket vorgelegt, scheinen aber - trotzdem die bekannten "Abschleifungen" nur wenig Entspannung brachten - an diesen nicht spurlos vorüber zu gehen. In der ORF-"Pressestunde" am vierten Adventsonntag, also noch bevor die umstrittenen Einsparungen Gesetz wurden, sprach Faymann bereits von Entlastungsmaßnahmen. Diese sollten mit einer Steuerreform unbedingt in der laufenden Legislaturperiode, die regulär bis Herbst 2013 andauert, Realität werden.

Auch SPÖ-Klubobmann Josef Cap versicherte im Parlament: "Jede Kürzung tut weh", weshalb sich die SPÖ 2011 besonders für "Korrekturen" bei Studierenden, Pensionisten, Familien und bei der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen wolle. Dafür zog er den Umstand zu Hilfe, dass die staatlichen Einnahmen "im Steigen sind" - was nicht zuletzt am Sparkurs liegt (womit sich der sprichwörtliche Hund in den eigenen Schwanz beißt). Parteiziel bleibe, so Cap, die "Vermögensbesteuerung ab einer Million Euro und eine sozial gerechte Steuerreform".

Realpolitik vs. Ideologie

"Handlungsbedarf" sieht auch Josef Pröll, wie auf der ÖVP-Website - ebenfalls schon im Vorfeld des Budgetbeschlusses - festgehalten wurde. Neben der Reform von Schulen und Unis stellt der Finanzminister die langfristige Sicherung des Gesundheits- und Sozialsystems in Aussicht: "Natürlich vor dem Hintergrund der Fragen Wachstum, Schuldenentwicklung und Föderalismus", benennt er die Unsicherheitsfaktoren. Pröll führt damit freilich Vorhaben an, die Experten (und die wechselnde Opposition) längst fordern.

Wie zu erwarten herrscht auch zwischen den Regierungspartnern eine geladene Diskussion - um nicht zu sagen: ein dauernder Koalitionsstreit - betreffs der gerechten (Be)Steuerung der Gesellschaft. Insbesondere bei der Gesamtschule (SPÖ) und der Möglichkeit gerechter Studiengebühren (ÖVP) sowie bei der Entscheidung, ob vermögende Bürger stärker besteuert (SPÖ) oder auf die Mindestsicherung angewiesene Menschen strenger kontrolliert (ÖVP) werden sollten, sind die Fronten ideologisch verhärtet.

Jedoch zeigen die Akteure sich zum Jahreswechsel selbstkritisch. So sagte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf dem "Standard", dass seine Partei mit der SPÖ verstärkt an der Kompromissfindung arbeiten wolle - ansonst am Ende die FPÖ als lachender Dritter das Kanzleramt einnehmen könnte.

Dass das nicht ausgeschlossen ist, ging in den vergangenen Wochen aus mehreren Umfragen hervor. Die stellten in Aussicht, dass die ÖVP keineswegs mit Gewissheit an zweiter (geschweige denn erster) Stelle eines Wahlergebnisses liegen würde. Wobei gerade die Volkspartei weiß, dass ein Wahlsieg weder legistisch noch realpolitisch Voraussetzung für den Posten des Regierungschefs ist.

Auch die Opposition glaubte trotz vieler Abänderungsanträge und Sitzungsverzögerungen zuletzt nicht, dass das Budget, dem ein Verfassungsbruch vorausging, fällt. Inoffiziell (aber durchschaubar) hatte die Koalition wegen der steirischen (26. September) und Wiener (10. Oktober) Landtagswahl die Deadline für Prölls Budgetrede am 22. Oktober verstreichen lassen. Der unwahrscheinliche Fall, dass Bundespräsident Heinz Fischer deshalb das Budgetbegleitgesetz kippt, für dessen Beschluss die SPÖ-ÖVP-Mehrheit reicht, hat sich bis Redaktionsschluss nicht abgezeichnet.

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