Die Lehrer haben schon genug abgefedert

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Die AHS-Lehrer wehren sich dagegen, dass immer wieder die Pädagogik dem Sparstift zum Opfer fällt.

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Die AHS-Lehrer wehren sich dagegen, dass immer wieder die Pädagogik dem Sparstift zum Opfer fällt.

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Die Geduld der AHS-Lehrer ist zu Ende. Die vielen Verschlechterungen im Schulbereich, der für Akademiker im Öffentlichen Dienst sehr schlechte Gehaltsabschluss und die Aussagen von Beamten des Bundesministeriums für Öffentliche Leistungen und Sport, wonach weitere Einsparungen im Schulbereich in dieser Legislaturperiode ausgeschlossen seien, haben dafür den Ausschlag gegeben. Das nunmehr vorliegende Gesetz war daher nur mehr Anlass, nicht aber allein Ursache dafür, dass sich fast 90 Prozent der Abstimmenden für einen Streik ausgesprochen haben. Die Bundessektionsleitung für AHS-Lehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst beschloss, einen eintägigen Warnstreik für die Erhaltung der Arbeitsplätze und damit der Qualität an Österreichs Allgemeinbildenden Höheren Schulen auszurufen. Der Gesetzesentwurf trifft die AHS-Lehrer in dreifacher Hinsicht: * Pädagogisch: Die hoch pädagogische Arbeit der Klassenvorstände wird durch eine rein administrative Abgeltung und der Herausnahme aus den Lehrerstundenkontingenten in den Bereich einer reinen Verwaltungstätigkeit gedrängt. Und das geschieht in einer Zeit, in der, wie die gerade veröffentlichte Lehrerarbeitszeitstudie beweist, von der Schule und speziell von den Klassenvorständen große gesellschaftliche Defizite ausgebügelt werden müssen.

* Finanziell: Durch die Umwandlung der Lehrerstunde (14 x jährlich) in eine Zulage (10 x jährlich) und der ersatzlosen Streichung der administrativen Belohnung von rund 9.000 Schilling jährlich ergibt sich für jeden Klassenvorstand ein mehr oder minder größerer finanzieller Verlust. Auch die Kustodiate (Verwaltung der Lehrmittelsammlungen) werden durch die Umstellung abgewertet, obwohl in diesem Bereich bereits Sammlungen verwaltet werden, deren Wert mehrere Millionen Schilling ausmacht. Die neue Abgeltung für Supplierstunden - eine Stunde pro Woche gratis, und erst ab der zweiten Stunde ein fixer Schillingbetrag - ist ebenfalls eine Verschlechterung. Die einzige Verbesserung betrifft die dauernden Mehrdienstleistungen, die im AHS-Bereich kaum etwas bringen, da im letzten Jahrzehnt die dauernden Mehrdienstleistungen stark abgebaut wurden, um Universitätsabsolventen einstellen zu können.

* Beschäftigungsmäßig: Durch die Einsparung der Klassenvorstandsstunde im AHS-Bereich 13.000 Werteinheiten (entspricht 650 Dienstposten) müssen viele Kolleginnen und Kollegen eine Klasse dazunehmen, um eine volle Lehrverpflichtung zu erreichen. Da es mit ganz geringen Ausnahmen keine Gegenstandskombination gibt, die nur eine Wochenstunde Unterricht hat, sind mindestens zwei oder in den Sprachfächern mindestens drei Stunden dazuzunehmen. Das führt dazu, dass Kolleginnen und Kollegen, ohne es zu wollen, Überstunden übernehmen müssen, die anderen letztendlich fehlen. Diese Stunden kommen selbstverständlich von den jüngsten Kolleginnen und Kollegen, die in vielen Fällen, entweder auf unfreiwillige Teilzeit gehen müssten, oder ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Verbunden mit der Erhöhung des Pensionsalters wäre dies ein weiterer Rückschritt, bei dem Vorhaben eine gute Altersdurchmischung der Lehrkörper zu erreichen.

Die hohe Streikbereitschaft der AHS-Lehrer ist ein deutliches Zeichen dafür, dass weitere Einsparungen im Bildungsbereich bereits an der Qualität der österreichischen Allgemeinbildenden Höheren Schule rütteln. Die AHS-Lehrer verwahren sich nicht gegen sinnvolle und mögliche Sparmaßnahmen, wehren sich aber dagegen, dass in den letzten Jahren die Pädagogik immer wieder dem Sparstift zum Opfer fiel und sehr viele Dinge nur dadurch abgefedert werden konnten, dass die Lehrerinnen und Lehrer weit über das von ihnen verlangte Ausmaß hinaus für die Schule tätig waren.

Der Autor ist Vorsitzender-Stellvertreter der Bundessektion AHS in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

Zum Thema: Lehrerstreik Am Dienstag streikten die rund 20.000 AHS-Lehrer in Österreich, was immerhin 185.000 Schülern einen freien Schultag bescherte. Der Protest der Pädagogen richtete sich vor allem gegen die im Zuge des Budgetbegleitgesetzes verabschiedete Neuregelung bei der Bewertung von Klassenvorstands- und Kustodiatstätigkeiten. Die Lehrergewerkschaft fürchtet vor allem den Abbau von Junglehrern. Für "absolut überzogen" halten die Bildungssprecher der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ den Streik der AHS-Lehrer. Angesichts internationaler Statistiken, die Österreichs Bildungssystem als eines der besten der Welt ausweisen würden, könne von keinem Kahlschlag im Bildungssystem gesprochen werden, wie die Opposition und die AHS-Lehrer-Gewerkschaft behaupten. WM

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