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Auf Suche nach dem Kompromiß

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Der Entwurf zur siebenten Novelle des Schulorganisa-tionsgesetzes (SchOG) hat eine Lawine von Reaktionen ausgelöst. In den letzten Wochen jagte eine Aussage zu diesem Thema die andere, mehr oder minder

deutliche Distanzierungen vom ministeriellen Gesetzentwurf waren an der Tagesordnung.

Eine (sicher unvollständige) Liste der Kritiker: die österreichische Bischofskonferenz (vertreten durch Weihbischof Helmut Krätzl), die Vereinigung österreichischer Industrieller, der österreichische Cartell-Verband, der Mittelschüler-Kartell-Verband, die Katholische Aktion, der Hauptverband Katholischer Elternvereine, die Katholische Lehrerschaft, der Verband der Professoren Österreichs, ein Schülerkomitee .Aktion zur Rettung des Gymnasiums" und nicht zuletzt der Katholische Familienverband Österreichs, der für den Fall des In-Kraft-Tretens des vorliegenden Entwurfes sogar ein Volksbegehren ankündigte.

Heikelster Punkt des auch sonst Zündstoff enthaltenden Entwurfes: Bekanntlich bekennt sich Unterrichtsminister Fred Sinowatz unverhohlen zur gemeinsamen Schule aller 10- bis 14jähri-

gen und setzt nun einen weiteren Schritt in diese Richtung.

Der Entwurf sieht zwar das Weiterbestehen von zwei Schultypen für diese Altersgruppe vor, doch sollen für beide die gleichen Aufnahmebedingungen, wort-idente Lehrpläne und Bildungsziele gelten.

Neben der AHS-Unterstufe, der man als einzige Ausnahme noch den Lateinunterricht ab der dritten Klasse zugesteht, soll die „Mittelschule" (so soll die bisherige Hauptschule in Zukunft heißen) die „Mittelstufe" bilden. In der neuen „Mittelschule" soll in Deutsch, Mathematik und einer lebenden Fremdsprache in „bis* zu drei" Leistungsgruppen unterrichtet, also das Modell der Schulversuche mit der Integrierten Gesamtschule (IGS) übernommen werden.

Die Regierungspartei nennt dieses rein äußerliche Abgehen von ihrem Ziel, der totalen Einheitsschule für alle Zehn- bis 14jährigen, einen „Kompromiß" (zu dem sie, da Schulgesetze eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern, die Zustimmung der OVP braucht). Es wäre freilich ein fragwürdiger Kompromiß.

Denn die Schulen der Zehn- bis 14jährigen würden sich dann wirklich nur mehr durch verschiedene Türschilder, unterschiedlich ausgebildete und bezahlte Lehrer (was neuen Konfliktstoff birgt) und allenfalls den Lateinunterricht unterscheiden.

Dabei sprechen weder die Erfahrungen im Ausland noch die österreichischen Schulversuche für eine solche De-facto-Einfüh-rung der Gesamtschule. Selbst ei-

nen der relativ erfolgreichsten Gesamtschulversuche in Deutschland — an der katholischen Privatschule in Münster — sehen die dortigen Verantwortlichen für nicht so geglückt an, daß eine Übernahme in das Regelschulwesen zu rechtfertigen wäre (FURCHE/1980).

Eine Studie am Institut für Soziologie der Universität Wien stellte fest, daß eines der Hauptziele der integrierten Gesamtschule, die soziale Integration, in den Schulversuchen deutlich verfehlt worden sei.

Ein weiteres Hauptargument für die Gesamtschule lautet: Im österreichischen Bildungswesen würden mit zehn Jahren bereits entscheidende Weichen gestellt, Spätentwickler kämen dabei unter die Räder.

Doch das stimmt nicht: Schon heute hat die Mehrheit der österreichischen Maturanten erst eine Hauptschule besucht, was sichtlich kein Hindernis für die spätere Reifeprüfung war. Die IGS-Schulversuche zeigen, daß ab der dritten Klasse praktisch kein Aufsteigen in eine höhere Leistungsgruppe mehr vorkommt, also mit zwölf Jahren auch den Spätentwicklern „der Knopf aufgeht". Eine gemeinsame Schule hätte also höchstens bis zwölf einen Sinn!

Insofern verdienen die einander ähnelnden Modelle des Hauptverbandes Katholischer

Elternvereine und des Verbandes der Professoren Österreichs Beachtung, die auf eine „differenzierte Hauptschule" ab der dritten Klasse hinauslaufen, zu einem Zeitpunkt also, wo bereits ziemlich klar ist, ob und welche weiterführenden Schulen für den betreffenden Schüler in Frage kommen.

Diese Hauptschule — oder „Mittelschule" (dann sollte aber die AHS zwecks Unterscheidung durchwegs „Gymnasium" heißen) - könnte dann in den folgenden Jahren gezielt auf diese weitere Schullaufbahn (AHS-Oberstufe, BHS-Oberstufe, berufsbildende mittlere Schule, Berufsschule) vorbereiten.

Daß die einen mit Leistungsgruppen, die anderen mit „Binnendifferenzierung" innerhalb eines Klassenverbandes arbeiten wollen, ist, wenn es zu einer Senkung der Klassenschülerzahlen kommt, womit die „Binnendifferenzierung" leichter fiele, kein unüberbrückbares Problem mehr.

Wichtig für einen echten Kompromiß wäre, daß man alle Begabungen (nicht nur intellektuelle) fördert und gleich hoch bewertet! Ein Vergleich aus dem Sport: Man sollte nicht alle zu Hochspringern trainieren, wenn bereits erkennbar ist, daß etliche sich besser zum Schwimmen, Schachspielen oder etwas anderem eignen.

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