6858183-1977_24_16.jpg
Digital In Arbeit

Die Assoziation „streng, fad, fromm” gehört längst der Vergangenheit an

19451960198020002020

Als eine Schülerin eines öffentlichen Gymnasiums gefragt I wurde, was ihr zum Stichwort „Klosterschule” einfiele, assoziierte sie: streng, fad, fromm, unsportlich, Internat. Tatsäch-! lieh nimmt aber der Trend zur Klosterschule - zumindest in Wien - zu: In drei renommierten Mädchenschulen mußte in einer (St. Ursula) in den letzten drei Jahren die Hälfte der Anmeldungen abgewiesen werden, die andere (Maria Regina) hat seit vier Jahren drei und die dritte Schule (Sacrė Coeur) hat zwei Parallelklassen.

19451960198020002020

Als eine Schülerin eines öffentlichen Gymnasiums gefragt I wurde, was ihr zum Stichwort „Klosterschule” einfiele, assoziierte sie: streng, fad, fromm, unsportlich, Internat. Tatsäch-! lieh nimmt aber der Trend zur Klosterschule - zumindest in Wien - zu: In drei renommierten Mädchenschulen mußte in einer (St. Ursula) in den letzten drei Jahren die Hälfte der Anmeldungen abgewiesen werden, die andere (Maria Regina) hat seit vier Jahren drei und die dritte Schule (Sacrė Coeur) hat zwei Parallelklassen.

Werbung
Werbung
Werbung

Das „Privatschulgesetz” vom 25. Juli 1962 befaßt sich auf 27 Seiten eingehend mit den Voraussetzungen für die Errichtung und Führung von Privatschulen. Es enthält auch den Vertrag, der für den Heiligen Stuhl und die Republik Österreich zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen am 9. Juli 1962 von Nuntius Opilio Rossi, Außenminister Bruno Kreisky und Unterrichtsminister Heinrich Drimmel unterzeichnet wurde. Dort werden die /Rechtswirkungen des öffentlichkeitsrechtes, das Ausmaß der Subventionen, die Behördenzuständigkeit, aber auch die Lehrverpflichtungen und andere schulische Belange geregelt.

In den Privatschulen werden zwar die Lehrer vom Staat bezahlt, für alles andere, wie Sekretariat, Schularzt, Lehrmittel, muß die Schule aufkom- men. Das bedeutet ein Schulgeld zwischen 250 und 500 Schilling im Monat, bei Aufnahme ins Internat Kosten zwischen 2000 und 2500 Schilling (und so manche Kleinigkeit, die , dann noch dazu kommt).

Warum geben Eltern ihre Mädchen in eine Klosterschule? Die Schulleite- rinnen meinen, daß spätestens seit dem Schulunterrichtsgesetz 1974 ein gewisses Unbehagen mit dem Schulsystem, das fortgesetzt reformiert und immer unübersichtlicher wird, die Eltern dazu bringt, ihre Kinder in Privatschulen zu schicken. Dazu kommt eine steigende Unsicherheit der Eltern in der familiären Erziehung. Die Schule ihrerseits bemüht sich, auch eine gute Glaubensgrundlage zu vermitteln, Schulbildung auch im geistlichen Sinn als Bildung der Gesamtpersönlichkeit zu sehen.

Das würde den Schluß zulassen, daß die Eltern der Klosterschülerinnen .vor allem praktizierende Katholiken sind. Aber auch prominente Sozialisten geben ihre Kinder dorthin, weil sie der Ansicht sind, daß es gute Schulen sind, die eine solide Grundlage fürs Leben bilden, worauf man bei Mädchen nach wie vor großen Wert legt. Es gibt allerdings auch Eltern, die ihr Kind in der 5. Klasse herausnehmen, weil ihnen die Erziehung „plötzlich” zu religiös wird. Als ob sie das nicht von Anfang an gewußt hätten.

Gut ein Drittel der Kinder - Massenweise verschieden - kommt aus geschiedenen Ehen. Auch andersgläubige oder Kinder ohne Religionsbekenntnis finden Aufnahme. Durch den Wegfall der Aufnahmsprüfung ist auch die Privatschule gezwungen, mehr auf die Noten zu sehen und versucht, in einem Testgespräch mit Kind und Eltern, die Auswahl zu treffen, t

In den Klosterschulen hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten viel geändert, auch sie haben ihr Image aufpoliert und bemühen sich um eine moderne Erziehung. Im Lehrkörper überwiegend die Laien-Professoren, auch männliche Kollegen haben sich eingeschlichen. Im Sacrė Coeur ist Mag. Dr. Helmtrud Pröglhöf die erste weltliche Direktorin, die beiden anderen Schulen haben geistliche Leiterinnen.

Die Beibehaltung der Schulklei- dung (das Wort „Uniform” wird tunlichst vermieden) geht aut den ausdrücklichen Wunsch der Eltern zurück. Was ursprünglich dazu gedacht war, die sozialen Unterschiede zu verwischen, stellt sich auch heute als günstig heraus, um in einer Konsumgesellschaft einen problemlosen Ausgleich zu schaffen. Daß es auch dem Wunsch der Schülerinnen entspricht, zeigt das Beispiel der Schülervertretung des Sacrė Coeur, die im Herbst 1976 einen Antrag auf ein zusätzliches Blouson mit Kapuze und dem Emblem der Schule eingebracht hat. Im anschließenden Wettbewerb für den Entwurf saßen wohl Lehrer in der Jury, aber alles übrige, wie Herstellung und Vertrieb, haben die Schülerinnen selbst übernommen.

So viel Initiative von seiten der Schülerinnen wäre vor Jahrzehnten wahrscheinlich undenkbar gewesen. Gerade in dieser Schule gab es aber schon vor den vom Schulunterrichtsgesetz allgemein eingeführten Schülervertretungen zur Wahrung einer größeren Demokratie die gewählten Klassenvertreter, mit denen eine monatliche Besprechung stattfand. Überhaupt hat das Gesetz viele Dinge forciert, die gerade an Schulen mit Internaten schon lange vorhanden waren.

Im Prinzip sind die Leitungen aller drei Schulen für die Koedukation, wenn sie auch sagen: wozu sollen wir Knaben nehmen, wenn wir nicht wissen, wo wir die Mädchen hintun sollen? Manche Eltern allerdings fürchten den etwas rüderen Ton der Knaben.

Sacrė Coeur verfügt bereits über eine gemischte Volksschule und wird daher ständig von Eltern mehrerer Kinder bestürmt, doch auch ein koeduka- tives Gymnasium zu führen. Das scheitert aber vor allem an den Kosten, da die sanitären Anlagen verdoppelt und verschiedene andere Umbauten durchgeführt werden müßten.

Im Sacrė-Coeur-Internat in Preß- baum, das seit einiger Zeit gemeinsam mit der Erzdiözese Wien geführt wird, gibt es schon längst Koedukation. Die Burschen sind bereits in der 7. Klasse Gymnasium. Auch das Haus in Graz - mit neusprachlichem und wirt- schaftskundlichem Gymnasium sowie Internat - wird im Schuljahr 1977/78 Buben aufnehmen. Die erforderlichen Umbauten sind im Gange.

Tempora mutantur et nos mutamur in illis - hört man die Berichte der Großmuttergeneration über den Aufenthalt in einem Kloster vor -zig Jahren, so muß man sich wundem: Baden in der Wanne nur mit einem Hemd an getan, eine Spange durfte von der Schulter geschoben werden, bevor die Schwester zum Rückenwaschen kam.

Man setzte damals nicht sehr viel Vertrauen in die Schülerinnen! Geschlafen wurde in Sälen zu zwanzig oder mehr Kindern, jedes Bett von einem Vorhang umgeben. Die kalte Kirche, die man täglich zur Messe vor Schulbeginn aufsuchen mußte, und cŲe kalten Gänge führen viele aus dieser Generation als Ursache ihres heutigen Rheumatismus an. Ein Gang durch heutige Schulen überzeugt den Besucher von hellen, modernen Räumen. Auf den Gängen fallen dem Betrachter Aschenbecher auf (allerdings nur für die Lehrer). Die Schulleiterin trägt Slingpumps zum Ordenskleid. Es gibt genauso viele Sportstunden im Lehrplan wie an den öffentlichen Schulen.

Es bleibt den Privatschulen aber auch überlassen, selbst initiatv zu werden. So hat sich St. Ursula zu einem Schulversuch entschlossen. Die geistliche Direktorin meint, es sei vor allem eine politische Entscheidung gewesen, da man nicht Voraussagen kann, wie die politische Entwicklung weitergehen wird. Vielleicht werde der Schulversuch, der in der Oberstufe in Fremdsprachen und Mathematik eine Leistungsdifferenzierung einführt, einmal die einzige Uberlebenschance für eine Privatschule sein. Sinn dieser Schulversuche ist es, die Begabungen stärker zum Tragen zu bringen.

Wie in anderen Schulen gibt es auch hier ab der 6. Klasse „Wahlpflichtfächer” über mindestens acht Wochenstunden (bis zur Matura), wie Datenverarbeitung (6), Rechtskunde (2), Politische Bildung (4), Geographie und Wirtschaftskunde (4). Im neusprachlichen Gymnasium wird Literatur in Englisch, Französisch, Italienisch oder Deutsch (4) geboten, ferner Biologie und Umweltkunde (6). Die politische Büdung hat an dieser Schule die Direktorin selbst übernommen. Sie besucht Kurse und Seminare der Lehrerfortbildung für Schulversuche, die vom Unterrichtsministerium ausgeschrieben werden. Hingeworfene Bemerkung am Rande: „Früher habe ich das Brevier gelesen, heute lese ich das Schulunterrichtsgesetz.”

Obwohl durch das Schulunterrichtsgesetz die Tätigkeit der Elternvereine gefördert wird, gibt es noch viele Schulen ohne solche. Aber alle diese drei Klosterschulen besitzen einen Elternverein, in dem die Eltern sich aktiv beteiligen. Manche Freiheiten erschienen den Eltern zu groß. Sie wollten etwa nicht auf die Entschuldigungen in der 7. und 8. Klasse verzichten. Ist das nicht ihr gutes Recht?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung