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Judounterricht in der Klosterschule

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Die katholischen Privatschulen wollen sich der Öffentlichkeit präsentieren: in einem Bundeskongreß in Salzburg vom 4. bis 6. und in einer Informationswoche in ganz Österreich vom 7. bis 14. April. Hier sollen Leistungen präsentiert werden, die viel zuwenig bekannt sind. Hier sollen aber ebenso Probleme diskutiert werden, die sie alle betreffen - ideelle wie finanzielle. Eine dieser Schulen sei als Beispiel herausgegriffen.

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Die katholischen Privatschulen wollen sich der Öffentlichkeit präsentieren: in einem Bundeskongreß in Salzburg vom 4. bis 6. und in einer Informationswoche in ganz Österreich vom 7. bis 14. April. Hier sollen Leistungen präsentiert werden, die viel zuwenig bekannt sind. Hier sollen aber ebenso Probleme diskutiert werden, die sie alle betreffen - ideelle wie finanzielle. Eine dieser Schulen sei als Beispiel herausgegriffen.

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Daß an einer Klosterschule Judo gelehrt wird, zählt wohl nicht zu den Charakteristika katholischer Privatschulen. Die Tatsache kommt auch nur ganz am Rande zur Sprache, wenn man nach den „Besonderheiten“ gerade dieser Schule fragt. Sie fällt in den Gesamtkomplex der Zusatzangebote, die hier im Haus im Bereich des Sportes besonders reichlich sind, und ebenso erfährt man, daß Schwester Elisabeth, die sonst in der Hauptschule Mathematik und Religion unterrichtet, erst kürzlich in voller Tracht ins Schwimmbecken sprang, um eine Schülerin zu retten, die unterzugehen drohte.

„Klosterschule“? Eine, der 358 katholischen Privatschulen, die sich in der nächsten Woche der Öffentlichkeit präsentieren wollen. Im konkreten Fall die „Lehranstalten Mater Salvatoris“ unweit des Wiener Westbahnhofs, im Volksmund als „St. Kenyon“ bekannt.

„Klosterschule“ - heute? Was soll sie noch, nachdem doch längst der Staat anbietet, was durch Jahrhunderte vor allem die Kirche angeboten hat, eine Schule für alle?

Schwester Castula, bürgerlich: Hofrat Rosa Maurer, umschreibt die — zeitlose — Aufgabe der katholischen Schule mit der einfachen Formel „Miteinander — füreinander“. Die Schulgemeinschaft von Eltern, Lehrern und Schülern soll — über alle gesetzlich dekretierten Ausschüsse hinaus — christlich-humanistische Erziehung als Basis für das künftige Leben der jungen Menschen anbieten. (Wieweit sie später tatsächlich zum Tragen kommt, hängt nicht nur von der Schule ab.)

Natürlich ist auch die Privatschule an die staatlichen Schulgesetze gebunden — aber es liegt an den Lehrern, das Beste aus diesen herauszuholen.

In der Kenyongasse geht's vom Kindergarten über Volks- und Hauptschule bis zum neusprachlichen Gymnasium, zum wirt-schaftskundlichen und Oberstufen-Realgymnasium, aber auch zur gerade erst reformierten Ausbildung der Arbeitslehrerinnen, Kindergärtnerinnen und Horterzieherinnen, mit Internat und Halbinternat.

In der Hauptschule begann man schon ein Jahr vor der allgemeinen Einführung mit dem Leistungsgruppensystem. Die kleinen Gruppen sind angenehm zu unterrichten, spricht Schwester Elisabeth aus der Erfahrung. Die große Hoffnung, die die Pioniere der Neuen Hauptschule auf die Möglichkeit des Hinaufreihens in eine bessere Leistungsgruppe gesetzt haben, scheint Illusion zu bleiben.

Diese Möglichkeit wird nicht zuletzt durch die starke Lehrerbindung gerade bei den Zehn- bis Elfjährigen erschwert. Und diese Lehrerbindung spricht nicht gerade gegen die Lehrkräfte.

„Die eigene Haltung ist das wichtigste Erziehungsmittel“, formuliert auch Schwester Nor-berta, die Direktorin der berufsbildenden Schulzweige, die Vorbildfunktion der Lehrer. Diese Funktion schwingt auch mit, wenn Eltern mit eher lauer Kirchenbindung ihr Töchterchen nach „St. Kenyon“ geben, weil es dort „gut aufgehoben“ ist.

Auch wenn kein Hehl daraus gemacht wird, welcher Geist hier vermittelt werden soll — Kirchennähe ist keine Aufnahmsvoraussetzung. So gibt es neben der Mehrheit katholischer Schülerinnen auch knapp zwei Dutzend evangelische und sogar etliche Muslim. Sie bekommen ihren Religionsunterricht von eigenen Seelsorgern.

Im vielfältigen Angebot über den Lehrplan hinaus — es reicht von Instrumentalmusik, Stegreifspiel, Italienisch, Maschinschreiben und Stenographie bis zu Volleyball und Synchronschwimmen — nehmen religiöse Veranstaltungen einen besonderen Platz ein: die Jugendvesper an jedem dritten Dienstag im Monat, von Schülern, Lehrern und Ehemaligen gemeinsam gestaltet, Einkehrwochenenden, Meditationen — freiwillig und sehr unterschiedlich in Anspruch genommen.

Nur mehr etwa zehn Prozent der Lehrkräfte kommen aus dem Orden. So gilt hier wie an allen Privatschulen als Kernproblem die Frage: Woher engagierte Lehrer nehmen, die bereit sind, in diesem Team mitzuarbeiten, Lehrer, die gewillt sind, ihren Beruf nicht als „Job wie jeden andern“ zu sehen, sondern als Berufung? Davon gibt es zuwenig.

“ Klosterschule „St. Kenyon“ -eine von 360 in Österreich, für die mutatis mutandis die gleichen Probleme gelten: 270 von ihnen werden von Orden unterhalten, 90 von ihren Diözesen. Alle mit demselben Grundauftrag der ganzheitlichen Erziehung auf der Basis des Evangeliums. Alle mit gleichen materiellen Sorgen in der Schere zwischen steigenden Ansprüchen eines modernen Unterrichts und beschränkter Leistungsfähigkeit der Eltern und Schulerhalter. Jede einzelne unentbehrlich.

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