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Welche Bildungsziele?

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Für den Bereich der Bildungspolitik gingen die Politiker mit der Ankündigung in den Urlaub, man sei dabei, einen Kompromiß zwischen den bisher unvereinbar scheinenden Positionen zur Schulreform zu finden. Unterrichtsminister Fred Sinowatz wollte nicht mehr auf der zwangsweisen Einführung der integrierten Gesamtschule für alle Zehn- bis Vierzehnjährigen bestehen, falls die ÖVP bereit wäre, wortgleiche Lehrpläne für Hauptschule und Gymnasial-Unterstufe zu akzeptieren.

Ein Silberstreif am Horizont, der andeutet, man könnte aus der Sackgasse herauskommen, in die die Schulreformkommission trotz ihrer Verdienste auf anderen Gebieten geraten ist?

Es ist sicherlich höchste Zeit, die Schulreform zu einem vernünftigen Abschluß zu führen. Ob die Schule von morgen so aussehen soll, wie sie sich der Minister vorstellt, dürfte eine andere Frage sein.

Dazu haben berufene Fachleute eine andere Meinung. Zwei Papiere flatterten in diesen Tagen nach Schulschluß auf dig Redaktionsschreibtische, die zu aktuellen Fragen der Schulreform Stellung nehmen. Die Katholische Aktion Österreichs zeichnet als Initiator des einen verantwortlich, die Konferenz der schulerhaltenden Orden für das andere.

Als Autoren treten der Bereichssprecher für das Schulwesen in der KAÖ, Direktor Erich Schmutz vom Kollegium Kalksburg, und die Vorsitzende der Kommission für Bildung und Erziehung, Sektionschef Agnes Niegl einerseits, Oberin Magda Fröhlich (St. Pölten) und Hofrat Johann Winkelbauer (Wien-Strebersdorf) andererseits auf.

Übereinstimmend richtete sich die Kritik gegen den Umstand, daß man sich in der Diskussion um die Schulreform bisher in den Strukturfragen festgerannt habe, das Gesamtkonzept der österreichischen Schule aber in Verlust geraten sei.

Was ist das Ziel schulischer Bildung? Welche Wege führen zu diesem Ziel? fragen Schmutz und Niegl. In den Diskussionen um Schulreform und Schulversuche sei kaum die Rede davon, auf welche Weise und durch welche Art der Unterrichtsführung der gesetzliche Auftrag erfüllt werden könne, die Heranwachsenden zu den Werten des „Wahren, Guten und Schönen“ zu erziehen, wie der Auftrag im Zielparagraphen des Schulorganisationsgesetzes umschrieben wird.

„Ist die Erziehung zum Wahren, Guten und Schönen nicht mehr aktuell?

Durch welche Werte will man sie ersetzen? Kann auf eine wertorientierte Erziehung verzichtet werden?"

Die Frage nach den Bildungszielen formulieren die Autoren des anderen Pa- pieres konkreter auf die umkämpften Schultypen bezogen: Laut Schulorganisationsgesetz soll die Allgemeinbildende Höhere Schule eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung bieten, die zur Hochschulreife führt, die Hauptschule dagegen eine Allgemeinbildung, die über das Lehrziel der Volksschule hinausreicht, die Schüler für das praktische Leben und den Eintritt in berufsbildende Schulen befähigt, geeigneten Schülern aber auch den Übertritt in höhere Schulen ermöglicht.

Diese Bildungsziele sollen weiterhin Geltung haben, fordern Oberin Fröhlich und Direktor Winkelbauer, und die Lehrpläne beider Schultypen sollten auf Grund dieser (verschiedenen) Bildungsziele erstellt werden: also unterschiedlich.

Die Autoren stellen die Forderung nach Chancengerechtigkeit (mit der damit zusammenhängenden Chancenvielfalt) dem Schlagwort der Gegenseite von der Chancengleichheit entgegen. Ein differenziertes Schulsystem mit jeweils eigener Zielsetzung und dementsprechenden Lehrplänen, also die Erhaltung der Langform der Allgemein- bildenden Höheren Schule, solle dem Rechnung tragen.

Die Leistungsgruppen, wie sie für die drei Hauptfächer in den Gesamtschulversuchen erprobt wurden, hätten sich bewährt und sollten in der Hauptschule die bisherigen Züge ersetzen, plädieren die Ordenssprecher. (Das entspricht auch den ÖVP-Vorschlägen für die „Neue Hauptschule“.)

Skeptischer stehen die KA-Refe- renten dieser Frage gegenüber. Wenn im Bewußtsein der Schüler zwischen wichtigen Fächern - in Leistungsgruppen - und unwichtigen - im Klassenverband - unterschieden wird, könne dies zu einer’ Beeinträchtigung der Allgemeinbildung und zu einer weiteren Verkümmerung der handwerklichen und musischen Fähigkeiten führen, meinen sie.

Beide Papiere sehen aber in den Leistungsgruppen die Gefahr, daß die erzieherische Wirkung der Klassengemeinschaft verloren geht. Dem müßte durch gezielte Maßnahmen entgegengewirkt werden.

übereinstimmend begrüßen beide Stellungnahmen die Einführung von

Vorschulklassen - jedoch nur für Kinder, die schulpflichtig, aber noch nicht schulreif sind, und deswegen zurückgestellt wurden, nicht aber für noch nicht schulpflichtige Kinder. Diese gehörten in den Kindergarten.

Die Katholische Aktion warnt vor einer Aushungerung des Dorfes, wenn zwanzig Prozent der Absolventen mittlerer oder höherer berufsbildender Schulen nicht mehr nach Hause zurückkehren, weil sie dort keinen entsprechenden Arbeitsplatz finden.

Daruberhinaus wäre eine gehalts- rechtliche Gleichstellung zwischen Maturanten und Absolventen von Schulen, die bei gleicher Bildungsdauer direkt in den Beruf führen, bildungspolitisch günstiger. Dies gilt etwa für Kindergärtnerinnen und Arbeitslehrerinnen.

Die Ordenssprecher machen schließlich darauf aufmerksam, daß die angepeilte Herabsetzung der Schülerhöchstzahl pro Klasse zwar sicherlich pädagogisch vorteilhaft wäre - für die Privatschulen würde sie jedoch eine unzumutbare finanzielle Mehrbelastung bedeuten; hier müßte der Bund mit einem Sachaufwandbeitrag einspringen.

Die beiden Papiere werden in die weiteren Verhandlungen eingebracht werden müssen. Noch besser wäre es jedoch, hiefür bereits ein konkret ausgearbeitetes Konzept mit ausformulierten Bildungszielen - die auch die Öffentlichkeit versieht und billigt - und den darauf aufbauenden Maßnahmen als Diskussionsgrundlage vorzulegen.

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