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Schulische Erziehung unter Mitwirkung der Eltern

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Das Schulunterrichtsgesetz 1974 hat an Österreichs Schulen die Weichen für ein Mehr an Demokratie und für ein besseres Zusammenwirken zwischen Eltern, Lehrern und Schülern gestellt. Stichworte wie „mehr Schü- lermitsp rache“, „Schülerzeitungen“ oder „transparente Leistungsbeurteilung“ stehen stellvertretend für den Gesamttrend. Ganz besondere Auswirkungen hat das Schulunterrichtsgesetz - und das wird immer wieder übersehen - auf den Stellenwert des primären Erziehungsfaktors Familie. Etwa die neu aufgestellten Schulge- meinschaftsausschüsse für die Oberstufen der höheren Schulen (Eltern, Lehrer, Schüler) können mit starken Impulsen auf das Schulklima einwirken.

Lehrer, Eltern und Schüler sind also zur Zusammenarbeit aufgerufen. Vor allem geht es um die Gestaltung des Schullebens: Schulskikurse, Schul- landwochen, Wandertage, Eltem- sprechtage, Baumaßnahmen, Schulwegsicherung, Mittags- und Fahrschülerbetreuung, Schulgesundheitspfle- ge, Verkehrserziehung, Berufsberatung u. a.

Dies scheinen sekundäre Angelegenheiten zu sein, aber alle Beteiligten sind daran wegen der damit verbundenen pädagogischen, gesundheitlichen und finanziellen Fragen brennend interessiert. Bei der Lösung dieser Fragen können sich Anhänger verschiedener Richtungen sehr wohl im Sachlichen finden. Es können aber auch unterschiedliche pädagogische oder weltanschauliche Positionen aufeinandertreffen, wenn es z. B. um die Auswahl der Schulbücher, die Sexualerziehung oder die Förderung des Religionsunterrichtes geht. Die primitive Unterscheidung in „rot“ und „schwarz“ wird dabei allerdings wenig nützen.

Durch diese Maßnahmen geschieht an der Schule ein - zu begrüßender - Prozeß der Gesellschaftsveränderung. Er ist vergleichbar mit der Mitbestimmungsfrage in der Wirtschaft. Durch das Gesetz sind die Instrumentarien geliefert worden. In welche Richtung wird die Entwicklung nun gehen? Manche Gruppen sehen den permanenten Klassenkampf: Lehrer, Eltern und Schüler kämpfen um die Vorherrschaft. Andere, wieder - und sie können sich sicher auf die christliche Soziallehre berufen - wollen die partnerschaftliche Zusammenarbeit nach dem Begriff der Solidarität.

Entscheidend für die weitere Entwicklung werden jene Menschen sein, die als Lehrer, Eltern, Schüler im Schulbereich initiativ werden. Das erfordert aber - wie überall in der Demokratie - mehr Engagement und daher auch mehr Schulung für diese Aufgaben.

In Österreich gibt es etwa 7000 Schulen mit 52.000 Klassen. Das verlangt Mitarbeiter für ebensoviele Elternvereine und die entsprechenden Klassenvertreter, 1500 Schulgemeinschafts- ausschüsse, ebensoviele Schulsprecher und 16.000 Klassensprecher. Ein unlösbares Problem? Sehr viele Eltern, Schüler und Lehrer sind bereits mit viel Eifer und Einsatzbereitschaft tätig. Wenn man sie auch in der Politik wenig findet: in der Schule sind die Frauen als Eltemvertreter sehr zahlreich anzutreffen.

Die Schülervertreter brauchen eine entsprechende Ausbildung, um sich auf dem demokratischen Parkett bewegen zu können, haben sie doch vielfach keine geeigneten Vorbilder. Auch für Schulleiter und Lehrer hat ein Lernprozeß begonnen. Sie sollen ja in der Klasse Demokratie betreiben, leben aber selbst noch in einer hierarchischen Ordnung. Lediglich seit der Einführung der Personalvertretungen im Bundesdienst 1967 haben die Lehrer ein beschränktes Mitspracherecht, soweit es ihre Interessenvertretung betrifft.

Aber nach oben zu Schulbehörde und Ministerium herrschen weiterhin autoritäre Verhältnisse. Auch unter der SPÖ-Regierung wurde nichts an diesem System geändert. Auf lange Sicht kann man aber vom Lehrer nur dann Demokratieverständnis dem Schüler gegenüber erwarten, wenn sich auch die Schulverwaltung auf dieses Prinzip umstellt.

Durch die innere Schulreform - sie ist mindestens so wichtig, wie die äußere - sind die Eltern als primäre Erzieher akzeptiert und in das Schul- geschehen eingebaut worden. Auf die Eltern wird es ankommen, ob sie diese Chance nützen. Es ist zu hoffen, daß diese Chance nicht in Vergessenheit gerät gegenüber den anderen Problemen, die derzeit im Mittelpunkt des Interesses stehen:

• Zur Ganztagsschule wird oft eingewendet, daß die katholischen Inter nate ja schon seit Jahrhunderten die gleiche Zielsetzung hätten. Der kleine, aber wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, daß die Eltern freiwillig ihre Kinder dorthin geben, wenn sie es für richtig halten. Die Ganztagsschule - wenn sie einmal eingeführt ist - wird aber unvermeidbar zur Regel für alle Kinder, da man ja nur in den großen Städten zwischen verschiedenen Schulen wird auswählen können. Und damit wird den Eltern und den Schülern die Freiheit der Entscheidung genommen. Die obligate Verschulung der Kinder wäre die Folge - ansonsten ja nicht ein Hauptanliegen der Linken. Dagegen gibt das Alternativmodell der „Tagesheimschule“ die Möglichkeit der freien Wahl, weil am Nachmittag kein Unterricht stattfindet.

• Ähnlich steht es mit der 5-Tage-Wo- che an der Schule. Wenn auch die pädagogischen Aspekte den absoluten Vorrang haben, sind doch auch die Konsequenzen für die Familie - nicht nur am Samstag, sondern auch die ganze Woche über - zu berücksichtigen.

• Die in den letzten Jahreneingesetzten finanziellen Mittel wie Schülerbeihilfen, Heimbeihilfen, Schülerfreifahrt und unentgeltliche Schulbücher sind, eine Förderung des einzelnen Kindes zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit (also eigentlich Kinderpolitik). Dabei entlasten sie aber gleichzeitig sehr stark die Familien und sind daher auch der Familienpolitik zuzuordnen und durchaus zu begrüßen.

• Ein heikles Thema ist auch die Sexualerziehung an der Schule. Wer ist der primäre Erzieher? Nach dem Text des Gesetzes eindeutig die Familie, wobei der Schule das Recht der Mitwirkung zusteht. Die Sexualerziehung ist nach dem einschlägigen Mini- sterialerlaß ein hervorragendes Beispiel für eine von Familie und Schule gemeinsam zu lösende Aufgabe.

Bei den Aufgaben der Familie wird die Schule wohl mitwirken, sie aber nicht allein bewältigen können. Das ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Ernsthafte Anstrengungen in der Ehe- umf Elternbildung hat auf breiter Basis bisher nur die Kirche unternommen. Wie wichtig unserer Gesellschaft die Familie wirklich ist, wird man auch daran messen können, welchen Stellenwert man ihr in der Bildungspolitik einräumt.

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