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Schule und Erziehung Probleme von morgen

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Der Fünfjahresbericht der Bischöfe über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich gibt nicht nur in seiner inhaltlichen Aussage, sondern auch in seiner äußeren Form ein deutliches Bild von einem in den einzelnen Bereichen von Schule und Erziehung unterschiedlichen Engagement der Kirche als Ganzem bzw. ihrer Organisationen. Am auffälligsten ist dies im Bericht zur Situation des Schulwesens, in welchem keine bereits stattgefundenen Aktivitäten aufgezählt, sondern prospektiv, stichwortartig, zu bewältigende Probleme genannt werden.

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Der Fünfjahresbericht der Bischöfe über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich gibt nicht nur in seiner inhaltlichen Aussage, sondern auch in seiner äußeren Form ein deutliches Bild von einem in den einzelnen Bereichen von Schule und Erziehung unterschiedlichen Engagement der Kirche als Ganzem bzw. ihrer Organisationen. Am auffälligsten ist dies im Bericht zur Situation des Schulwesens, in welchem keine bereits stattgefundenen Aktivitäten aufgezählt, sondern prospektiv, stichwortartig, zu bewältigende Probleme genannt werden.

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Es ist heute allgemein bekannt, von welch großer Bedeutung die Jahre vor dem Schuleintritt für die Erziehung sind. Die Hauptsorge der meisten Eltern gelte aber, wie es in dem Bericht heißt, einem guten Schulstart ihrer Kinder. Ebenso wichtig ist jedoch das Emotionale, Soziale, Ethische und Religiöse. Besonders für die Erschließung dieser Werte leisten die Kindergärten in katholischer Trägerschaft wichtige Hilfe. Es ist zwar möglich, die Erziehungswissenschaft wertfrei zu betreiben, aber man kann nicht wertfrei erziehen - auch nicht (oder: besonders nicht) in einer pluralistischen Gesellschaft. Von den 6468 Kindergartengruppen in Österreich werden 1354 (mehr als 20 Prozent) in katholischer Trägerschaft geführt. Dieser hohe Prozentsatz und das Niveau der Aus-und Weiterbildung des Personals der katholischen Kindergärten rechtfertigen eine Förderung dieser Institutionen aus öffentlichen Mitteln und ein Mitspracherecht bei der Verteilung dieser Mittel.

Ebenso günstig zu beurteilen wie das katholische Kindergartenwesen selbst ist die Situation hinsichtlich der von den Orden erhaltenen Privatbil-dungsanstalten für Kindergärtnerinnen. Diese Anstalten sind wegen der angeschlossenen Internate sehr gefragt. Von der 23 Bildungsanstalten in Österreich sind 11 privat Der Ausbildung der Kindergärtnerinnen kommt große Bedeutung zu: Sie wirken über die von ihnen zu betreuenden Kinder und deren Eltern als Muliplikatoren.

Vier Probleme stellen sich für die Zukunft:

• Die Ausbildung der Kindergärtnerinnen sollte um ein fünftes Jahr verlängert werden. (Abzulehnende Alternative: Akademie für Kindergärtnerinnen, mit Matura als Aufnahmebedingung.)

• Allgemeiner Nulltarif für Kindergartenplätze. Derzeit wird der Personalaufwand aus der öffentlichen Hand bestritten. Für den Sachaufwand kommt (über den Elternbeitrag) der Kindergartenerhalter auf. Durch den Nulltarif käme mancher kirchliche Kindergarten in Schwierigkeiten.

• Es sollte nicht versucht werden, von der Einschulung zurückgestellte Kinder in den Kindergarten einzugliedern.

• Der Besuch des Kindergartens sollte nicht allgemein verpflichtend gemacht werden, es müßten jedoch Kindergartenplätze in ausreichendem Maße vorhanden sein.

Der „Bericht“ über die Tätigkeit der Kirche auf dem Gebiet des Schulwesens erschöpft sich in der Anführung eines Problemkatalogs. Der Bericht hebt auch zu Recht hervor, daß von kirchlichen Stellen zwar immer wieder Stellungnahmen abgegeben werden, daß man aber den Eindruck gewinne, daß nur andere Vorschläge (wie solche der Regierung) kritisiert würden, eigene Initiativen jedoch fehlen. Der Bericht über diesen Bildungssektor schließt mit einem eindringlichen Hinweis auf die gesellschaftspolitische Bedeutung der Schul- und Bildungspolitik. Sicherlich sollten die beiden aktuellsten schulpolitischen Fragen stärker als bisher auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden:

• die Reform der Schule der Zehn-bis Vierzehnjährigen und

• die Frage der Ganztagsschule. Hiebei wird es allerdings nötig sein,

kritisch darauf zu achten, daß nur solche Prinzipien als Argumente dienen, die für den gesamten Bildungs- und Erziehungsbereich gelten können. Der Wert der familialen Erziehung kann nicht absolut als Argument gegen die Ganztagsschule angeführt werden (es würde sonst auch gegen Heime in katholischer Trägerschaft gelten), sondern nur in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip-ein für den Bildungs- und Erziehungsbereich grundlegendes Prinzip, wenn man von einem Konzept des Menschen ausgeht, das den Menschen als ein auf, Freiheit und Selbstbestimmung angelegtes Wesen sieht

Der Bericht macht deutlich, daß innerhalb der letzten fünf Jahre hinsichtlich des Religionsunterrichtes von der Kirche viel getan wurde: Durch die Gründung von Religionspädagogischen Akademien wurde ein Abschluß der Neuordnung der Ausbildung von hauptamtlichen Laienkatecheten erreicht. In allen Diözesen werden Maßnahmen zur Weiterbildung der Religionslehrer getroffen.Ebenso in allen Diözesen ist der Einsatz von Laienkatecheten und Laientheologen angewachsen. Auch auf dem Sektor der Religionsbücher wurden in den letzten Jahren fruchtbare Initiativen gesetzt: Der 1970 gegründete interdiözesane katechetische Fonds erwirbt alle Rechte an den Schulbüchern für den Religionsunterricht. Auch in der Lehrplanarbeit hat man neue Wege beschritten und Methoden der „Curriculumforschung“ angewendet. Der Religionsunterricht geht dadurch weniger von der theologischen Systematik aus und kann altersadäquat und damit effizient vermittelt werden.

Der Bericht hebt aber auch deutlich teils aktuelle und teils künftig wahrscheinlich noch auftretende Probleme hervor:

• Die Kooperation zwischen den Religionslehrern an den Schulen und den Pfarren läßt oft zu wünschen übrig.

• Die Einführung der Ganztagsschule würde die konkrete Praxis der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit wesentlich berühren.

• Die katechetische Ausbildung der geistlichen Religionslehrer ist scharf zu kritisieren: Eine einzige Vorlesung im Ausmaß von nur zwei Wochenstunden ist für die pädagogisch-katechetische Ausbildung der geistlichen Religionslehrer vorgesehen. „Ohne je geübt zu haben, werden sie im Religionsunterricht eingesetzt, zum Nachteil der Schüler, des Image der Kirche und oft auch zum eigenen Nachteil des Katecheten.“

Einen kurzen Absatz widmet der Bericht auch der Kritik und dem In-Frage-stellen des Religionsunterrichtes seitens kleiner Gruppen innerhalb der SPÖ. Es wird auch erwähnt, daß sich die Parteispitze der SPÖ von solchen Agitationen distanziert hat. Eine vom Amt für Unterricht und Erziehung der Erzdiöseze Wien soeben durchgeführte Erhebung zeigt die geringe Wirksamkeit solcher Agitatonen und daß es richtig ist, sie in den katholischen Medien möglichst nicht, jedenfalls aber nicht zu breit zu erwähnen, um nicht dadurch erst - unfreiwillig -eine Propagandaplattform zu bieten. Jene Gruppen mit ihrem Mißerfolg allein zu lassen, zugleich aber Sinn, Aufgaben und Grenzen des Religionsunterrichtes gründlich zu reflektieren, ist vermutlich das zweckmäßigere Vorgehen.

Die Theologie hat an der während der beiden letzten Jahrzehnte stattgefundenen enormen Ausweitung der Universitäten zwar auch, jedoch nicht proportional teilgenommen. Bei der Zunahme der Hörerzahlen an den Theologischen Fakultäten ist überdies zu bedenken, daß nur eine Minderheit der Theologiestudenten das Priesteramt anstrebt; die meisten werden „Laientheologen“. Die äußere Situation der Theologischen Fakultäten ist erfreulich: Sie sind im Verband der Universität voll anerkannt, sie finden volle Berücksichtigung bei der Wahl von akademischen Amtsträgern und ebenso volle Berücksichtigung bei der Antragstellung zum Budget. Der Bericht fragt jedoch auch kritisch, wie es um die geistige Präsenz der Theologie an der Universität bestellt sei.

Hinsichtlich der Nachwuchsförderung von katholischen Akademikern weist der Bericht auf den Kardinal-In-nitzer-Fonds und auf die Stiftung „Pro Scientia“ hin. Ferner werden die an allen Universitäten bestehenden Hochschulgemeinden erwähnt, die sich um ein Gottesdienstangebot und um ein Angebot eines Bildungsprogrammes bemühen. Allerdings stellt der Bericht resignierend fest: „Nur eine Minderheit der Studierenden erweist sich als ansprechbar, und wiederum nur ein Teil dieser Minderheit ist zu einem intensiveren Engagement bereit.“ Auch die CV-Verbindungen werden in dem Bericht erwähnt. Aktive Mitglieder des ÖCV sind auch hochschulpolitisch tätig, als Funktionäre und Mandatare der studentischen Interessenvertretung. „Im ganzen muß man jedoch sagen, daß extreme Gruppen (insbesondere Linksgruppen..., neuerdings in Ansätzen auch Rechtsgruppen) auf Hochschulboden merklich intensiver agieren (und agitieren) als christliche Gruppierungen.“

In einer so schwierigen Situation kommt jenen Organisationen, die sich hauptsächlich an den Absolventen der Universität, den Akademiker, wenden, um so größere Bedeutung zu. Der Bericht nennt als solche Institutionen die Wiener Katholische Akademie, den Katholischen Akademikerverband Österreichs, die Katholische Sozialakademie und die kirchlichen Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Die gesellschaftliche Wirksamkeit solcher Institutionen läßt sich sicherlich nicht unmittelbar und ausschließlich an der Zahl der an diesen Institutionen aktiven Christen ablesen - sie sollte aber dennoch in irgendeiner Weise schließlich sichtbar werden!

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