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Religionsunterricht durch Atheisten

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Vor vielen Jahren, als die Schulen in Dänemark Allgemeingut wurden, hatten sie eine vorrangige Aufgabe zu erfüllen: sie hatten die Kinder im christlichen Glauben zu unterrichten. Nun werden auch hier die Stimmen immer zahlreicher, die den Religionsunterricht ganz aus den Schulen verbannen wollen. Auf diese Vorstöße der Linken haben nun die Christliche Volkspartei und die Konservativen mit einem gemeinsamen Antrag an das Parlament reagiert. Sie wünschen die Errichtung staatlicher „Kirchenschulen“.

Dem Antrag liegt eine Initiative des „Freiwilligen Knaben-und Mädchenverbandes“ zugrunde, einer pfadfinderähnlichen, kirchentreuen Jugendorganisation. Die Kirchenschulen sollen ein Unterrichtsangebot der evangelisch-lutherischen Volkskirche an alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sein, sich in Gratiskursen die Gründlagen und weiteren Kenntnisse der Glaubenslehre zu verschaffen. Die Ausbildung sollte nach dem Wunsch der Antragsteller dem Kirchenministerium unterstellt sein und vom Staat finanziert werden.

Daß der Antrag wenig Aussicht auf Verwirklichung hat, liegt in den politischen Verhältnissen des Landes begründet. Im Sparplan der Regierung, der sogenannten „Augustvorlage“, haben sich die Parteien verpflichtet, dem Staat keine weiteren Ausgaben zuzumuten. Die Christliche Volkspartei und die Konservativen — zwei kleine Gruppen in dem zwischen zehn Parteien aufgespalteten Folketing — haben der „Augustvorlage“ zugestimmt und können daher nicht gut auf einer baldigen Verwirklichung des kostenintensiven Planes bestehen. Außerdem sind auch kirchliche Kreise nicht uneingeschränkt glücklich m:'!; dem Vorschlag, eigene Glaubensschulen zu errichten. Denn es wäre den Gegnern „kirchlicher Indoktri-nierung“ in der Schule nur angenehm, wenn eigene Unterrichtsstätten für die ungeliebte Religion errichtet würden. Dann entfiele jedenfalls ein wichtiger Grund für die Beibehaltung eines verbindlichen Religionsunterrichtes. Die Errichtung von Kirchenschulen könnte — so fürchten viele — das Ende des Religionsunterrichtes an Dänemarks öffentlichen Schulen bedeuten.

Daß der Antrag dennoch von kirchlicher Seite kam, beweist deutlich die Unzufriedenheit mit dem, was heute allen oft als „Religionsunterricht“ angeboten wird. Die Religionslehrer sind nicht von der Kirche ausgebildet; Religion wird mitunter auch als Unterrichtsfach von den Lehrern anderer Gegenstände „mitgenommen“, wobei es oft gleichgültig ist, ob der Vortragende praktizierender Christ, Atheist oder Agnostiker ist. Der Religionsunterricht ist in Dänemark keine „Glaubenslehre“ mehr. Es soll lediglich eine objektive Information über diverse Religionen geboten werden, wobei natürlich der Lehrer die Möglichkeit hat, seine eigene Einstellung den Kindern nahezulegen, oder etwa auch den marxistischen Lehrsatz vom „Opium des Volks“ zu beweisen ...

Dieser Hintergrund macht es verständlich, daß manchem Kirchgänger eine eigene Kirchenschule für seine Kinder lieber wäre als das, was diesen vom derzeitigen Schulsystem angeboten wird. Jungen Erwachsenen freilich stehen die Volkshochschulen offen, von denen immerhin einige von kirchlichen Organisationen geleitet werden. Diese dänischen Volkshochschulen leisten weltweit anerkannte erstklassige Bildungsarbeit.

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