6843473-1976_05_09.jpg
Digital In Arbeit

Travniceks Auftrag

19451960198020002020

Auch die letzte Gesprächsrunde zwischen dem vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Casaroli, und dem CSSR-Staats-sekretär für Kirchenangelegenheiten, Karel Hruza, im Dezember hat zu keiner Änderung der Situation geführt. Im Spätherbst hatte das Plenum des Zentralkomitees der KP noch einmal die Notwendigkeit des antireligiösen Kampfes eingeschärft: „Der sozialistische Mensch, aktiver und pflichtbewußter Schöpfer der neuen Gesellschaft, muß vom rückschrittlichen Gedankengut befreit werden. Dazu gehört die Religion, sie basiert auf blindem Glauben und Angst, sie hemmt die Kräfte des Menschen, sie beschränkt die Möglichkeiten seiner vielseitigen Entwicklung und unterdrückt ihn geistig durch moralische Grundsätze, die mit Menschenglück nichts gemein haben.“

19451960198020002020

Auch die letzte Gesprächsrunde zwischen dem vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Casaroli, und dem CSSR-Staats-sekretär für Kirchenangelegenheiten, Karel Hruza, im Dezember hat zu keiner Änderung der Situation geführt. Im Spätherbst hatte das Plenum des Zentralkomitees der KP noch einmal die Notwendigkeit des antireligiösen Kampfes eingeschärft: „Der sozialistische Mensch, aktiver und pflichtbewußter Schöpfer der neuen Gesellschaft, muß vom rückschrittlichen Gedankengut befreit werden. Dazu gehört die Religion, sie basiert auf blindem Glauben und Angst, sie hemmt die Kräfte des Menschen, sie beschränkt die Möglichkeiten seiner vielseitigen Entwicklung und unterdrückt ihn geistig durch moralische Grundsätze, die mit Menschenglück nichts gemein haben.“

Werbung
Werbung
Werbung

Vor allem die Abwürgung des Religionsunterrichts wird systematisch vorangetrieben. Die Anmeldung eines Kindes zum Religionsunterricht muß von beiden Elternteilen unterschrieben und persönlich in der Schule abgegeben werden. Laut Gesetz muß für die Anmeldung eine fünftägige Frist festgesetzt werden. Nach Berichten aus der Slowakei werden in den Schulen aber oft nur zweimal zwei Stunden am Nachmittag für die Anmeldung fixiert, und zwar zur Zeit des Schichtwechsels, so daß es für die Eltern besonders schwierig ist, gemeinsam in die Schuldirektion zu kommen. Offensichtlich wird auf Lehrer und Schulleiter von den vorgesetzten Stellen Druck ausgeübt, damit sie entgegen den gesetzlichen Bestimmungen die Anmeldungen zum Religionsunterricht behindern, aber auch den Unterricht selbst, der nur nach Abschluß der normalen Schulstunden erteilt werden darf, scharf überwachen. In den Religionsstuuden müssen die Schüler in Gruppen von 30 bis 40 zusammengefaßt werden, ohne Rücksicht auf ihr Alter oder ihre wissensmäßigen Voraussetzungen.

Die Zahl der zum Religionsunterricht angemeldeten Schüler sinkt ständig. So berichtete die slowakische Lehrerzeitung „Ucitelske no-viny“, daß in der Mittelslowakei heute nur mehr 27 Prozent der Schüler den Religionsunterricht besuchen gegenüber 78 Prozent in den Jahren 1968 und 1969. Im Bezirk Banska Bystrica gebe es bereits 25 Schulen, an denen überhaupt kein Religionsunterricht mehr erteilt werde. „Ucitelske noviny“ deutete gleichzeitig an, daß Lehrer, die den Direktiven in Sachen Religionsunterricht nicht folgen wollten, aus dem Schuldienst entlassen worden seien: „Von vielen Pädagogen, die die wichtigsten Grundsätze unserer Schulpolitik nicht anerkannten, haben wir Abschied genommen“. Nach Aussagen eines slowakischen Katholiken in der Schweizer Zeitschrift „Glaube in der Zweiten Welt“ sind jene Lehrer, die ihrer Beförderung zuliebe besonders intensiv an der materialistischen Bewußtseinsbildung der Kinder mitarbeiten, die gefährlichsten Gegner der Priester. Sie organisieren an Sonntagen genau zum Zeitpunkt der Meßfeiern im Ort Jugendtreffen. Schüler, die den Gottesdienst solchen Programmen vorziehen, bekommen schlechte Betragensnoten. In einem slowakischen Bezirk gaben die Lehrer den Klassensprechern den Auftrag, in der Kirche alle Kinder, die das Firmsakrament empfangen wollten, zu beobachten und zu notieren.

Die Kampagne gegen den Religionsunterricht hat für die Kirche auch an einer Nebenfront negative Konsequenzen. In die Priesterseminare dürfen nur Kandidaten aufgenommen werden, die ein Gymnasium absolviert haben. Zum Studium an Gymnasien werden aber anderseits Kinder, die in der Grundschule am Religionsunterricht teilgenommen haben, nicht zugelassen. Daher haben die Kandidaten, die sich für das Theologiestudium melden, oft nur minimale wissensmäßige Voraussetzungen.

Die Priester sind in letzter Zeit zunehmend der Willkür der Bezirkssekretäre für Kirchenfragen ausgesetzt, deren Vollmachten gesetzlich nicht festgelegt sind. In der Praxis müssen sich die Priester von ihnen die Erlaubnis holen, wenn sie in einem Nachbardorf Eucharistie feiern wollen. Die Bezirkssekretäre bestimmen darüber, wie viele Priester bei welcher Gelegenheit Beichte hören dürfen, welche Geistlichen bei der Firmung assistieren oder eine Wallfahrt führen können.

Pläne zur weiteren Einengung des kirchlichen Lebensraums in der CSSR ließen sich aus einer Rede des Vizepräsidenten der Narodna Fronta („Nationale Front“, die politische Dachorganisation der CSSR, in der neben der KP nominell auch die anderen klassischen Parteien der Tschechoslowakei ein Kümmerdasein führen), Tomas Travnicek, vor dem Bundesausschuß der vom Regime geförderten Priestervereinigung „Pa-cem in terris“ herauslesen. Wörtlich erklärte Travnicek: „Die Religionsgemeinschaften dürfen nur solche Aktionen entfalten, die direkter Bestandteil des religiösen Kults sind und das vor allem in kirchlichen Objekten, die zu diesem Zweck der Kirche zur Verfügung stehen.“ Der „Narodna Fronta“-Vize ließ keinen Zweifel daran, daß es „zwischen der Ideologie des sozialistischen Staates und der kirchlichen Ideologie“ einen unüberwindlichen Gegensatz gebe. Jedenfalls werde alles getan werden, damit sich die Bürger der CSSR die marxistisch-leninistische Überzeugung vom Vorhandensein unabänderlicher Gesetze der Entwicklung der Natur und der menschlichen Gesellschaft zu eigen machten. Die Priester und die Gläubigen dürften sich trotzdem nicht auf „die andere Seite der Barrikade“ stellen, sondern müßten am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft mitarbeiten. Faktisch verlangte Travnicek damit von den Priestern nichts anderes, als die Ausbreitung des Atheismus zu unterstützen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung