6997925-1987_15_09.jpg
Digital In Arbeit

Eine Kirche In Fesseln

Werbung
Werbung
Werbung

Die Tschechoslowakei ist kein religiöser oder konfessionell neutraler Staat. Im Vorwort zur Verfassung des Landes ist zu lesen: „All unser Streben ist jetzt darauf gerichtet, die materiellen und geistigen Voraussetzungen für den Ubergang unserer Gesellschaft zum Kommunismus zu schaffen.“

Die Verwirklichung dieser Politik bekommen die zehn Millionen Katholiken der CSSR tagtäglich zu spüren. Vom Kindergarten bis zur Universität wird versucht, die Menschen von Glaube und Religion abzubringen. Diejenigen, die sich dagegen wehren, haben mit gesellschaftlicher Diskriminierung und beruflicher Benachteiligung zu rechnen.

Etwa zwei Drittel der Einwohner der Tschechoslowakei gehö-ren-laut einem gerade veröffentlichten Bericht der Wiener Politischen Akademie - der römischkatholischen Kirche an. Das Land ist in drei Kirchenprovinzen - die Böhmische, die Mährische und die Slowakische — gegliedert. Von den zwölf römisch-katholischen Bistümern sind nur drei Diözesen ordnungsgemäß besetzt, zwei haben einen Titularbischof als Verwalter.

Da die Regierung in Prag die Kandidaten des Heiligen Stuhls für die Bischofssitze nicht genehmigt, ist die ordentliche Leitung der Bistümer durch regulär eingesetzte Bischöfe verhindert. (Die letzten Bischofsernennungen erfolgten am 3. und 4. März 1973 in Neutra und Olmütz.)

Die führende Persönlichkeit der tschechoslowakischen Kirche ist der 87jährige Kardinal Franti-šek Tomašek; Erzbischof von Prag. Auch die wenigen Bischöfe werden vom staatlichen Kirchensekretariat in ihrer Tätigkeit behindert. Kardinal Tomašek darf zum Beispiel Visitationen in den

Pfarrgemeinden nicht halten und auch nicht firmen, wo er will. Er muß am Anfang jedes Jahres eine Liste vorlegen, und er darf darm nur dorthin gehen, wo er die entsprechende Genehmigung erhält.

Es besteht ein Gesetz, das von jedem Geistlichen, ob Kaplan oder Erzbischof, eine staatliche Genehmigung zur Ausübung seines Berufes verlangt. Welche Konsequenzen dieses Gesetz hat, schilderte jüngst in einem Vortrag in St. Pölten der aus Böhmen stammende, jetzt in Rom lebende Pastoraltheologe Josef Rabas. Er sagte:

„Einmal flog Kardinal Tomašek von einer Romreise zurück nach Prag. Wegen der schlechten Wetterbedingungen wurde das Flugzeug nach Preßburg umgeleitet, und der Kardinal mußte dort in einem Priesterseminar übernachten. Dort durfte er aber dem Wunsch der Studenten, mit ihnen die Heilige Messe zu feiern, nicht nachkommen, weil er die entsprechende staatliche Genehmigung nur für die Erzdiözese Prag besitzt. Aus demselben Grund durfte auch der päpstliche Nuntius f ür besondere Aufträge, Erzbischof Francesco Colasuonno, als er Ende Jänner dieses Jahres in Prag war, die zwei Priesterseminare nicht besuchen.“

In der Tschechoslowakei fehlt es nicht nur an Bischöfen, sondern vor allem an Priestern. Bereits 1950 Wiarden alle 15 bischöflichen Priesterseminare aufgelöst. An deren Stelle hat man zwei Seminare in Leitmeritz und in Preßburg eingerichtet. Sie befinden sich beide unter Kontrolle des Staates. Auch das Lehrpersonal wird vom Staat ausgewählt, und zwar ohne Kontaktnahme mit einem der Bischöfe.

Nach dem Gesetz bestimmt das Kirchensekretariat die Vorlesungsentwürfe, die Prüfungsordnung und erteilt die Genehmigung für Priesterweihen. Dasselbe staatliche Kirchenamt entscheidet sowohl über die Aufnahme der Kandidaten ins Priesterseminar als auch über die spätere Zulassung zur Amtsausübung.

Kandidaten für das Theologiestudium sind verpflichtet, sich noch vor der Matura zu melden, was dann mit allerlei Schikanen verbunden ist, etwa mit der Ausschließung aus der Jugendorganisation. All diese Maßnahmen führen dazu, daß in den 4432 Pfarrgemeinden gegenwärtig 3285 Priester tätig sind. Mehr als 300 geweihte Priester unterliegen einem Berufsverbot.

Nach den Bestimmungen der Partei ,Jiaben die Kirche und die Religionsgemeinschaften die Aufgabe, die religiösen Bedürfnisse gläubiger Bürger zu befriedigen“ . Das Ausmaß dieser Bedürfnisse bestimmt der zuständige Kirchensekretär. Verboten sind Exerzitien, Einkehrtage, Bibelstunden, Gebetskreise, Brüderschaften sowie Marianische Kongregation.

Trotz all dieser Umstände be-kermt sich der Großteil der tschechoslowakischen Bevölkenmg weiterhin zum katholischen Glauben. Wie hoch der Preis dafür ist, kann man aus einem Brief der slowakischen Jugend entnehmen: „Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit und des ständigen Risikos imd der offenen Verfolgung der Gläubigen. Nie war in der Geschichte die Menschheit konfrontiert mit solch einem radikalen Feind von allem, was an Gott, an die Ewigkeit und die geistigen Werte erinnert, wie es dieses System ist.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung