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Eines langen Lebens Reise in die Ewigkeit

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Im November 1946, also inmitten der schweren Nachkriegszeit, erhielt das Prager Erzbistum nach fünfjähriger Vakanz wieder einen neuen Erzbischof, der, wie seine Vorgänger, den Titel „Primas Bohemiae“ trug und der — wenn auch unfreiwillig — der bewegten Kirchengeschichte der böhmischen Länder neue, dramatische Seiten hinzufügte: Josef Beran.

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Im November 1946, also inmitten der schweren Nachkriegszeit, erhielt das Prager Erzbistum nach fünfjähriger Vakanz wieder einen neuen Erzbischof, der, wie seine Vorgänger, den Titel „Primas Bohemiae“ trug und der — wenn auch unfreiwillig — der bewegten Kirchengeschichte der böhmischen Länder neue, dramatische Seiten hinzufügte: Josef Beran.

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Nach Ende des ersten Weltkrieges war das Chaos in Böhmen ähnlich wie nach 1945. Damals kehrte der Prager Erzbischof Graf Huyn nach einer Visitation im Egerland nicht mehr nach Prag zurück. Die beiden nachfolgenden Erzbischöfe der Zwi-schenkiriegszeit, Dr. Kordae und Doktor Kaspar, vermochten in der schwierigen Nachkriegszeit nicht nur die Abfallbewegung der „Tschechoslowakischen Kirche“ abzubremsen, sondern auch das Nationalitätenproblem in der gewiß schwierigen Prager Erzdiözese, in der rund eine Millionen Tschechen und eine Million Deutsche (vor allem die Bewohner des Egerlandes) lebten, eher zu beruhigen. Beide Erzbischöfe predigten ebensogut in tschechischer wie in deutscher Sprache. Hand in Hand mit der schwierigen innerkirchlichen Lage gestalteten sich die Beziehungen zwischen Prag und dem Vatikan. Erst 1920 wurden die normalen diplomatischen Beziehungen durch die Errichtung einer tschechoslowakischen Gesandtschaft beim Vatikan aufgenommen, aber schon 1925 wurden sie neuerlich unterbrochen, weil Prag den Huis-Tag als Staatsfeiertag beging. Erst 1927 gelang es, diesen Streit beizulegen, ein „Modus vivendi“ wurde als Ersatz für einen Konkordat geschlossen und 1928 die diplomatischen Beziehungen neuerlich, wenn auch nur für etwa mehr als“ zehn Jähre, aufgenommen. Nach Errichtung des Protektorates übersiedelte der Präger Nuntius Savefio Ritter in die Hauptstadt der selbständig gewordenen Slowakei, nach Preßburg, wo er allerdings durch irgendein Versehen nicht offiziell empfangen wurde und nach Rom zurückkehrte. Bis Kriegsende hatte dann die Slowakei, die vielfach als „Pfaffenstaat“ diffamiert wurde, keinen Nuntius. Nuntius Saverio Ritter kehrte übrigens nach Kriegsende nach Prag zurück, verließ aber das Land noch, bevor 1949 neuerlich die diplomatischen Beziehungen unterbrochen wurden. Hier fand Ritter vor allem die verwaiste Erzdiözese Prag vor, nachdem bereits 1941 der Prager Erzbischof Kardinal Kaspar verstorben war. Immerhin gab es eine Reihe von Weihbischöfen, die neben dem Kapitelvikar die wichtigsten Belange erledigen konnten. 1945 war jedoch auch der deutsche Weihbischof Reminger vertrieben worden.

Als dann nach langen Verhandlungen Josef Beran in November 1946 zum Erzbischof berufen und am 8. Dezember 1946 seine Erzdiözese übernehmen konnte, war ein Mann gewählt worden, der zwar in vatikanischer Sicht zu weit links stand, von dem man aber in Prag erhoffte, einen „modus vivendi“, eine innerstaatliche Koexistenz herbeiführen zu können.

Der damals 58jährige Beran, der am 29. Dezember 1888 aiis Lehrerssohn in Pilsen geboren war, dann in Rom studierte, 1911 die Priesterweihe erhielt, 1912 promovierte und sich 1932 an der theologischen Fakultät der Prager tschechischen Karl-Universität habilitierte, wurde 1934 Regens des Prager tschechischen Priesterseminars, als welcher er während des Krieges, 1942, verhaftet und in ein deutsches KZ gebracht wurde usw.

Wer aber hätte gedacht, daß dies fast die kleinere Prüfung war, der Beran ausgesetzt sein würde? Den drei Jahren im deutschen KZ folgten später 14 Jahre der Haft und Internie-x>ung durch seine eigenen Landsleute. Von den 23 Jahren, die er Erzbischof war, konnte er nicht einmal drei seiner Prager Erzdiözese widmen, und erst nach seiner Ernennung zum Kardinal und nach dem Verlassen seiner Heimat im Februar 1965 konnte er — inzwischen allerdings 77 Jahre alt geworden — wieder ein bescheidenes seelsorgliches Wirken aufnehmen.

1946 allerdings hatte man anderes erwartet — oder befürchtet. Josef Beran war eines der angesehensten Mitglieder des Verbandes der politisch Verfolgten; als einem der ersten wurden ihm das tschechoslowakische Kriegskreuz und der Orden für militärische Verdienste 1. Klasse verliehen. Fast schien es, als würden die Spannungen Staat— Kirche, wie sie nach 1918 mehrmals erschreckend deutlich sichtbar geworden waren, der Vergangenheit angehören; fast schien es auch, als würde die Prager Erzdiözese erstmals einen politisch stark akzentuierten Bischof erhalten. Auch die ersten Worte und Handlungen des neuen Erzbischofs schienen diese Vermutungen zu unterstreichen. Schritt für Schritt aber wurde — ähnlich übrigens wie sieben Jahre vorher beim Wiener Erzbischof Innitzer — aus dem gutmütigen und gütigen Erzbischof der harte Kämpfer.

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