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Purpur für Leitmeritz

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Spannungen und Entspannungen zwischen Kirche und Staat bringen im böhmisch-mährischen Raum merkwürdige und nicht immer erwartete Reaktionen hervor. Das war zur Zeit eines Johann von Nepomuk so und ist heute kaum anders.

Waren früher Prag und Olmütz die einzigen Erzdiözesen und aus vielerlei Gründen die gewichtigsten geistlichen Zentren des Landes — Prag überdies noch Sitz des „Primas Bo-hemiae“ — so sind heute beide Stühle nur von Apostolischen Administratoren besetzt — mögen beide auch im Bischofsrang stehen. Neben der Prager Erzdiözese, zu der neben dem böhmischen Kernland übrigens auch das ganze einst deutsche Eger-land zählt, spielten die drei anderen böhmischen Suffraganbistümer eine eher bescheidene Rolle, nämlich: Budweis im Süden, Leitmeritz im Westen und Königgrätz im Osten des Landes. Heute ist der Bischof von Leitmeritz, der Salesianerpater Doktor Stefan Trochta, Kardinal, wobei es tatsächlich das erste Mal ist, daß ein Leitmeritzer Bischof die Kardinalswürde trägt.

Es ist dies natürlich in erster Linie eine persönliche' Ehrung für Trochta, der in zwei Jahren sein 70. Lebensjahr vollenden wird, in seinem Leben aber eine kaum glaubliche Fülle meist unfreiwilliger „Abenteuer“ erlebte. Nach dem Theologiestudium, das er als Salvatorianer in Turin absolvierte, erfolgte 1932 seine Priesterweihe. Zehn Jahre später, von 1942 bis zum Kriegsende im Jahre 1945, befand er sich in den deutschen Konzentrationslagern Dachau und Theresienstadt. Nach dem Ende des Krieges begann aufs neue sein Wirken in der Priesterbildung. 1947 wurde er Bischof von Leitmeritz, sechs Jahre später, 1954, verurteilte ihn das Regime zu 25 Jahren Kerker. Sicherlich war diesem Prozeß eine der berühmten Präparierungen des Gefangenen vorausgegangen, von denen es heißt, daß sie meistens von ostdeutschen und russischen Spezialisten durchgeführt werden. Durch Drogen wird bei solchen „Prozeßvorbereitungen“ der Wille des Gefangenen vollkommen aufgehoben, bis das Opfer bereit ist, jedes Wort einer einstudierten Rolle auswendig zu lernen. Einer Rolle, die natürlich nur in einem Schuldbekenntnis gipfeln kann.

Nach einigen Jahren formlos entlassen, erhielt Trochta aber keine Seelsorgeerlaubnis, so daß er als manueller Arbeiter in Prag das Leben fristen mußte. Er soll als Chauffeur und Anstreicher tätig gewesen sein. 1968, im Prager Frühling, konnte er auf seinen Bischofsstuhl zurückkehren und wurde Mitglied der obersten Rehabilitierungskommission. Nach dem im Vorjahr erfolgten Tod des Bischofs von Budweis ist er heute der letzte Residentialbischof der sechs böhmischen Diözesen. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß der Mährer Trochta, jetzt Bischof der einst zum Großteil deutschen Diözese Leit-meritz, für die Kirchenanhänglichkeit der wenigen verblieben Deutschen immer größte Hochachtung zeigte und diese Hochachtung nie verheimlichte.

Hatten in der alten Monarchie Wien und Prag zu jenen Bischofsstühlen gehört, für deren Inhaber fast automatisch der Kardinalspurpur bereitstand, so war in der Tschechoslowakei nach 1918 die Erhebung des Prager Erzbischofs zum Kardinal so etwas wie eine Auszeichnung für den Fall, daß die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Prag erfreulich waren. Das war nicht gerade gerecht gegenüber jenen Persönlichkeiten, die diesen Stuhl in Spannungszeiten innehatten und deren Bürde somit die schwerere war. Heute ist viel durcheinandergeraten; der Kardinalspurpur für Trochta wird sich auch in der eher bescheidenen barocken Bischofskirche von Leitme-ritz, unfern der jungen Elbe und der einstigen Festung -von Theresien-stadt, die im zweiten Weltkrieg jenes berüchtigte KZ beherbergte, in dem auch Trochta war, nicht schlecht ausmachen,hs

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