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Religionsunterricht - slowakisch

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Inzwischen hat die Berliner Ordinarienkonferenz am 13. Jänner eine geharnischte Erklärung zur geplanten Fristenlösung in der ,JDR“ abgegeben. Für die Bischöfe der „DDR“ war ihre Erklärung ganz unzweifelhaft mit größeren persönlichen Risken verbunden, als das im Westen jemals der Fall wäre. Dennoch haben sie den Mut gehabt, das Unrechtsregime Honeckers in seine Schranken zu weisen; die Bischöfe der Bundesrepublik haben dies gegenüber den konkret formuner Moraltheolage Franz Böckle jüngst dankenswerterweise mit aller Klarheit festgestellt.

Für den gläubigen Christen gilt ohnedies — noch immer — das vom II. Vaticanum formulierte Verbot, das einer uralten christlichen Lehrtradition entspricht: „Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorg-

Das Slowakische Erziehungsministerium gab kürzlich neue, subtilere Direktiven bezüglich des Religionsunterrichtes in den Schulen aus. Zwei Funktionäre des Ministeriums, Bohumil Bican und Josef Melichar, gaben in der „Ucitelske Noviny“ offen zu, daß das Ziel und die Intention der Behörden „die Paralysierung des Einflusses der Kirche auf die Erziehung der Jugend“ und die Reduzierung der Zahl der Teilnehmer am Religionsunterricht sei. Die erwähnten Ministerial-beamten drohten gleichzeitig mit harten Konsequenzen den Lehrern, wenn sie sich an der Regierungskampagne nicht aktiv genug beteiligen, ja sogar ihre eigenen Kinder für Religionsunterricht einschreiben lassen würden. Die Art und Weise erinnert stark an die stalinistischen Methoden in den fünfziger Jahren.

Was steht also in den neuen Direktiven ...? Die Anmeldung der Kinder für die Religionslehre erfolgt vom 15. bis zum 25. Juni des Jahres. Religionsunterricht außerhalb der Schule ist nicht mehr erlaubt, weil Schuldirektoren und Lehrer genau wissen müssen, welche Kinder daran teilnehmen. Genaue Registrierung und amtliche Propaganda sowie persönliche Verantwortung der Lehrer sind die neuen Parolen. Die liberale Handhabung aus den Jahren 1968 und 1969 wurde abgeschafft. In „sozialistischen Schulen“ der CSSR können die Lehrer sich der persönlichen Verantwortung nicht entziehen. Es steht in den neuen Direktiven unter anderem geschrieben: „Die Schule kann nicht passiv bleiben in der ideologisch-politischen Erziehung ...“ Und noch schöner: „Nur solche Lehrer, die überzeugte

Atheisten sind, sind dafür qualifiziert, daß sie an dieser Tätigkeit teilnehmen.“ Bekanntlich war immer der Bock der beste Gärtner!

Die neuen Direktiven des Erziehungsministeriums der Slowakischen Sozialistischen Republik traten bereits am 1. Juni 1970 in Kraft, nur wurden sie bisher nicht einmal vom Lehrkörper emst genommen. Das mußte rasch geändert werden. Deshalb die noch neueren, subtileren Direktiven zu den „neuen Direktiven“ des Vorjahres. Der Jugend muß ein „marxistisch-wissenschaftliches Weltbild“ entworfen und gelehrt werden, um „den Einfluß der idealistischen Ideologie der Religion“ zu eliminieren. Die Aufgabe der Schule ist nicht allein mit der Registrierung der Schüler erfüllt. Die Schuldirektoren sollen in den Ferien mit den Eltern vertrauliche Gespräche führen, Arbeitgeber und Unternehmen, sowie Parteiorganisationen besuchen, damit die Zahl der Schulkinder, die am Religionsunterricht im kommenden Schuljahr teilnehmen wollen, herabgesetzt werden kann. So wurde eine „substantielle Reduktion“ in Krupin, Zvolen, Sliac, Gelnice, Spiska Nova Ves usw ... erzielt! Viele Gläubigen und „Laien-Aktivisten“ blieben jedoch nicht untätig: gedruckte Registrierungsformulare wurden unter den Eltern in Levice, Humenne und Cachticie sowie in den Bezirken Trencin, Nove Zamky, Presov und Cadca verteilt. Die Schuldirektoren wurden vom Erziehungsmdnister aufgefordert, solche Registrierungsformulare abzulehnen und ähnliche Fälle sofort beim Kirchensekretariat bei der Kulturabteilung des Bezirks-Nationalkomitees anzumelden.

Die Klassenführer-Lehrer müssen die Kinder namentlich und genau registrieren, welche am Religionsunterricht teilnehmen, damit sie und hauptsächlich ihre Eltern, mit „entsprechenden Argumenten“ bearbeitet, das heißt, vor Beginn des neuen Schuljahres 1971/72 abgehalten — lies zurückgeschreckt! — werden können. Die Lehrer sollen den Eltern einzeln zureden, daß sie ihre Kinder von den Registrierungslisten für Religionsunterricht „streichen“ lassen. Dabei soll man nicht zu bürokratisch vorgehen! Kein Zwang, eher Argument! Man soll die Lehrer und Schuldirektoren deswegen nicht „quälen“, wenn „manchmal in religiös-fanatischen Städten“ mehr Schüler für Religionsunterricht eingeschrieben werden als sonstwo. „Dies würde nichts helfen!“ Konstante, konsequente „Überredung“ soll dazu führen, daß schrittweise die entsprechenden Bedingungen zur Ausrottung des Religionsunterrichtes geschaffen werden.

Es wäre eine falschverstandene Kollegialität, wenn in dem kommenden Schuljahr weiterhin geduldet würde, daß sogar Kinder von Religionslehrern am „freiwilligen Religionsunterricht“ teilnehmen. Wörtlich an ihre Adresse: „Diese Leute — die Lehrer — müssen es verstehen, daß, wenn sie unfähig sind, ihre eigenen Kindern im progressiven Geist zu erziehen, die Schulleitung keine Garantie dafür hat, daß ihre Lehrtätigkeit auf den Prinzipien des Marxismus-Leninismus beruht. Deshalb sollen sie die Schulen, die Schuldirektoren und Inspektoren nicht dafür tadeln, wenn diese die notwendigen Konsequenzen aus ihrem Betragen ziehen.“

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