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Lebensmut geben

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Viele Eltern schicken auch in einer säkularisierten Gesellschaft ihre Kinder in eine katholische Privatschule. Was ist an diesen Schulen so attraktiv?

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Viele Eltern schicken auch in einer säkularisierten Gesellschaft ihre Kinder in eine katholische Privatschule. Was ist an diesen Schulen so attraktiv?

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Warum wählen Eltern katholische Privatschulen und zahlen dafür auch noch Schulgeld? Sie suchen zunächst eine besonders „gute" Schule, und viele katholische Privatschulen genießen diesen Ruf. Sie sind oft besser, weil kleiner und überschaubarer, weil der Lehrkörper homogener ist, die Zusammenarbeit mit den Eltern, die diese Schule ja ausdrücklich wählten, leichter gelingt, und weil hier mehr als sonst üblich neben Bildung auch Erziehung garantiert wird. Eltern schätzen auch die Nachmittagsbetreuung. (Im Unterschied zu Ganztagsschulen können Eltern diese Betreuung jeweils wählen.) Eine ausgesprochen religiöse Erziehung erwarten nur wenige. Sie wird nicht, wie man früher fürchtete, „aufgezwungen", wohl aber wird das Bildungsgut auf dem Hintergrund christlicher Weltanschauung angeboten.

Es soll auch Eltern geben, die eine Privatschule bevorzugen, weil es dort weniger „Ausländerkinder" gibt. Das Motiv wäre nicht edel und bringt katholische Schulen in Verdacht, „ausländerfeindlich" zu sein. Das ist unwahr, sie nehmen natürlich grundsätzlich auch Schüler mit fremder Muttersprache und anderem Religionsbekenntnis. Jedoch können sich gerade Flüchtlingsfamilien oft das Schulgeld nicht leisten und Eltern, die eine andere Glaubensüberzeugung haben, werden nicht ohne weiteres gerade eine katholische Schule wählen.

Katholische Schulen bieten oft über den verpflichtenden Lehrplan hinaus erstaunlich viele Zusatzprogramme an. Nur einige wenige Beispiele aus der Erzdiözese Wien: Das Jesuitengymnasium in Kalksburg hat schon 1970 als erste Schule Computerunterricht erteilt. Den fünften bis siebenten Klassen wurde handwerkliche Ausbildung als Tischler, Schlosser und Bürotechniker ermöglicht. Das Gymnasium des Institutes Sacre Coeur in Preßbaum hat sehr oft bildende Künstler, Literaten und Musiker zu Gast im Haus und bietet Ausstellungen und Konzerte an. Dadurch angeregt werden viele Schüler selbst in Schauspiel, bildender Kunst und Musik kreativ. Eine Begegnung mit Politikern aller Parteien galt zunächst fast als Sensation.

Das Sacre Coeur Gymnasium in Wien am Rennweg ist durch fächerübergreifende Projekte bekannt geworden. Wohl das eindrucksvollste war zum Thema „Theodizee", also zur Frage „Der gute Gott und das Leid in der Welt", das in den Fächern Religion, Deutsch, Französisch, Englisch, Latein, Psychologie und Philosophie gemeinsam erarbeitet wurde. Daraus entstand eine 150 Seiten starke Broschüre und eine eineinhalb-stündige szenische Präsentation von höchster Qualität. Ähnliches wurde auch zu den Themen „Toleranz", „Schöpfung", „Quantität-Qualität" und „Metalle" gemacht. Das Gymnasium der Schulschwestern in der Friesgasse hat 1993/94 ein ganzes Schuljahr das Projekt „Jüdisches Leben" durchgezogen. Das Thema wurde in verschiedenen Fächern gründlich aufbereitet, eine jüdische Ausstellung gestaltet, es wurden persönliche Kontakte mit Zeitzeugen, Vertretern der mosaischen Beligion, der jüdischen Schule in Wien und Berlin gesucht und eine Exkursion nach Auschwitz gemacht.

In vielen katholischen Schulen wird besonderer Wert auf Interessen-und Begabungsförderung gelegt, zum Beispiel für Fremdsprachen, Musik, Sport. Besonders erzieherisch sind soziale Aktivitäten, wie Kooperation mit Behinderteneinrichtungen und Altenheimen. Sind große Orden Schulträger, kommt ihre internationale Vernetzung einem „weitsichtigen", weltoffenen Unterricht zugute.

Die öffentlichen Schulen von morgen werden sich auf mehr Autonomie und Integration hin entwickeln. Beides verlangt ein Umdenken bei Lehrern und Eltern und eine Erprobungsphase. Katholische Privatschulen hätten Voraussetzungen und Motive, um hier beispielhaft zu werden. Autonomie verlangt mehr Mitverantwortung der ganzen Schulgemeinschaft in finanziellen Fragen, in der Gestaltung des Lehrplanes, und führt zu mehr Eigenverantwortung.

Das fordert kirchliche Schulen heraus, junge Menschen noch bewußter zu Selbständigkeit zu erziehen, sie zu befähigen, einmal im pluralen Angebot von Werten verantwortlich wählen zu können. Durch Hinführen zu einer eigenen Glaubensentscheidung könnten Jugendliche gegen den verwirrenden Einfluß von Sekten und Pseudoreligionen gefeit werden. Integration bedeutet Herausforderung zu rnejr .sozialem Denken, zu gegenseitiger Hilfe, zum Abbau aller zwischenmenschlichen Vorurteile. Christliche Erziehung verpflichtet zu mehr Solidarität und zum Engagement für Schöpfung, Gesellschaft und Mitmensch. Schüler kirchlicher Schulen sollten nicht mehr an Uniformen erkennbar sein, sondern an besonderen Umgangsformen entgegen anderen Trends, an Lebensmut und Freude, für andere etwas leisten zu können, aber auch an der selten gewordenen Fähigkeit, Schweres durchtragen zu können und darin sogar zu reifen.

Privatschulen bieten den Eltern in einer pluralen Gesellschaft die Wahlmöglichkeit für die Bildung ihrer Kinder. In vielen Ländern Europas gibt es mehr Privatschulen als bei uns. W'ill Österreich auch im Bildungswesen europareif werden, müßte der Staat diese Schulen fördern, und nicht, wie es kurzsichtige Politiker wollen, noch mehr belasten oder gar abschaffen.

Der Autor ist katholischer Weihbischof in Wien.

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