6991123-1986_45_10.jpg
Digital In Arbeit

Was lernt man heute im Fach Religion?

Werbung
Werbung
Werbung

„Es ist eine Zumutung, wenn Kindern die Erschaffung der Welt durch Gott in sieben Tagen erzählt wird.“ „Heute lernen die Kinder im Religionsunterricht gar nichts mehr.“ „Muß man den Schulanfängern wirklich gleich den Mord Kains an seinem Rru-der Abel erzählen?“ „Im Religionsunterricht hört man gar nichts von den anderen Religionen.“

Diese und zahlreiche ähnliche Vorurteile werden in fast ungebrochener Tradition erzählt, wenn es gilt, den vermeintlichen

Religionsunterricht von heute zu beschreiben. Doch der Religionsunterricht hat sich in den letzten Jahren wirklich geändert. So hat sich in ihm eine Einsicht durchgesetzt, die auch bereits in alle Lehrpläne Eingang gefunden hat: Im Unterrichtsfach Religion können Inhalte nur dann vermittelt werden, wenn sie mit dem Leben und Denken der Schüler in irgendeiner Weise mehr oder weniger in Zusammenhang stehen.

So beginnt der Religionsunterricht längst nicht mehr mit den Erzählungen, mit denen die Bibel beginnt, zum Beispiel der Schöpfung. Die Zuteilung der einzelnen religiösen Inhalte für die einzelnen Schulstufen mit ihren Lehr-und Bildungszielen erfordert eine hohe pädagogische und theologische Kompetenz und muß immer wieder neu mit den gesellschaftlichen Veränderungen, von denen die jungen Menschen geprägt sind, in Beziehung gesetzt werden.

So kommt es, daß auch die Religionsbücher einem ununterbrochenen Wandel unterworfen sind. Gerade Bücher von österreichischen Religionspädagogen sind es, die auch in Nachbarstaaten, zum Beispiel Italien (Südtirol) und Schweiz, Anerkennung gefunden haben und deshalb auch dort verwendet werden. Die Katechismustradition, in der die Kinder dasselbe Lehrbuch wie die Eltern und oft auch wie die Großeltern hatten, ist vorbei.

Der österreichische „Schulbischof“ Helmut Krätzl hat die Ziele und Aufgaben des Religionsunterrichtes einmal so formuliert: „Erziehung zur Ich-Fähigkeit, zur Wir-Fähigkeit und zur Gottfähigkeit.“ Diese Ziele erklären Unterrichtsintentionen wie „erfahren, daß jemand zu mir hält“, „den Glauben in seiner lebensverändernden Kraft sehen“ oder „sich für Gemeinschaft und Frieden einsetzen“.

Dabei geht es um die Weitergabe von Inhalten, die nicht allein im kognitiven Rereich verstanden werden können, sondern auch im affektiven Rereich betroffen machen und zum Handeln führen sollten. Diese ganzheitliche Erziehung im Religionsunterricht hat es sich zur Aufgabe gemacht, eben alle drei Dimensionen des Menschen gleichzeitig zu aktivieren: den kognitiven, emotionalen und psychomotorischen Rereich (die „drei H“ - Hirn, Herz, Hand). Gerade dieses Remühen um eine ganzheitliche, harmonische Erziehung hat zu vielerlei Mißverständnissen geführt. Das Wissen um die Gebote führt nämlich nicht zum Halten der Gebote. Und das Wissen um die Liebe führt nicht zum Lieben.

Noch ein Umstand hat die Szene des Religionsunterrichtes wesentlich verändert. Lag vor wenigen Jahrzehnten der Unterricht fast zur Gänze in den Händen von Priestern (Katecheten), so verrichten heute überwiegend Laien diesen Dienst. In einer „stillen Revolution“ haben vor allem Frauen diese Aufgabe in der Kirche übernommen. Insgesamt unterrichten etwa 8000 Personen in Österreich in den verschiedenen Schultypen und Schulstufen Religion. Allein in der Erzdiözese Wien sind es im Schuljahr 1986/87 1650 Personen, davon etwa 400 Priester, 50 Ordensschwestern und rund 1200 Laien, 800 davon sind Frauen. Diese Zahlen verschieben sich von Jahr zu Jahr um einige Prozentpunkte zugunsten der Laien und innerhalb der Laien zugunsten der Frauen.

In den letzten Jahren sind in den verschiedenen Diözesen eigene Religionspädagogische Akademien als Ausbüdungsstätten für Laienreligionslehrer entstanden, die beiden jüngsten sind die der Diözese Gurk-Klagenf urt und der Erzdiözese Salzburg (beide seit 1. Jänner 1986). Die übrigen sind in Schwaz/Tirol, in Linz, in Graz und in Wien. Der Ausbüdungsweg ist dem an Pädagogischen Akademien gleichgestellt, sechs Semester für den Erwerb der Lehrbefähigung für das Fach Religion an Volksschulen oder Hauptschulen.

Der Autor ist Abteilungsleiter des Religionspädagogischen Institutes der Erzdiözese Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung