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Randbemerkungen eines bemühten Christen
oran mag es wohl hegen, daß der Religionsunterricht in seiner jetzigen Form so wenig Anklang findet?
Ich glaube, das Übel beginnt bereits in der Volksschule, wo wir Schüler Nebensächliches wie die Geschichtchen und Geschichten aus dem Alten Testament und später dann aus der Kirchengeschichte des Mittelalters lernen. Leider bleibt da für eine persönliche Beziehung zwischen dem Lehrer und uns keine Zeit mehr.
In den Jahren des Loslösens vom Elternhaus haben es Jugendliche dann oft bitter nötig, einen Vertrauten und Ratgeber zu haben, weil die Eltern als solche nicht mehr genügen.
Der Religionslehrer ist es dann aber nicht, weil er Religion als ein Fach wie jedes andere unterrichtet hat.
In diesem Moment, in dem sie Hilfe gesucht und nicht gefunden hatten, meldeten sich viele meiner Kameraden vom Religionsunterricht ab oder kehrten der Religion gleich ganz den Rücken. Sie wurden verlockt von der Möglichkeit, „nicht mehr beten zu müssen“; von der Gelegenheit, sich zwei freie Stunden zu verschaffen und auch von der Chance, sich im Halbstarkenalter als hart zu erweisen.
Erleichtert wurde ihnen dieser Schritt durch das Gesetz, das es jedem Schüler über 14
Nun sitzen sie in den Bänken und lassen den Unterricht teilnahmslos über sich ergehen.
Auch wir, meine Mitschüler und ich, verhalten uns in Religion äußerst lethargisch. Wir verwenden die Stunden zur Vorbereitung auf die kommenden Gegenstände oder machen einfach gar nichts. Und unser Professor muß es gezwungenermaßen tolerieren.
Es muß schon ein vielversprechendes Thema wie „Partnerschaft und Sexualität im katholischen Rahmen“ sein, damit sich von 25 Anwesenden drei oder vier beteiligen. Aber auch diese letzten Getreuen fallen ab, sobald sie selber die Initiative ergreifen und z. B. selbständig ein Thema ausarbeiten sollen.
Trotzdem sehe ich die Sache nicht so düster.
Ich selber habe vieles mehr unfreiwillig gelernt - nur dadurch, daß ich anwesend war. Eigentlich war ich mir nie bewußt, was mir mein Lehrer alles mitgegeben hat und wie schlecht ich es ihm gedankt habe. Er übt seinen Beruf aus, obwohl er zeitweise auf offene Ablehnung stößt. Sicherlich hat er einen großen Glauben an seine Berufung, sonst müßte er verzweifeln.
Eines haben mir einige Freunde bestätigt: So einem Mann gebührt Achtung, wenn er jahre- oder jahrzehntelang seine Überzeugung in den
Wind predigt, wenig Erfolg hat und trotzdem weitermacht
Ich habe mich gefragt, ob es an der Materie liegt oder an den pädagogischen Fähigkeiten dieses Mannes. Ist Religion überhaupt unterrichtbar?
Nein, Religion ist nur lehrbar, nicht unterrichtbar. Die Stunden sollen zur Sglbstfin- dung, zum Aufbau einer eigenen Überzeugung beitragen, und nicht nur reines Wissen vermitteln.
Solange die Religionslehrer ihren Beruf als Berufung und nicht als Job auffassen, sehe ich den Religionsunterricht daher nicht gefährdet. Und niemand wird ihn wegdiskutieren können, wenn solche Menschen mit diesem Engagement und dieser Ausdauer unterrichten.
Doch was können wir, die Schüler, dazu beitragen, um
ihnen die Arbeit zu erleichtern?
Wir sollten versuchen, unsere Lehrer zu verstehen, wir sollten versuchen, mit ihnen zu arbeiten, und nicht, sie „fertigzumachen“, wie es leider an verschiedenen Schulen gehandhabt wird. Wir sollten unsere Grundeinstellung zum Unterricht und speziell zum Religionsunterricht ins Positive kehren.
Erst wenn wir die Schule als Teamwork und nicht als Kampf sehen, werden wir etwas davon haben.
Gottseidank werden die jungen Lehrer - das gilt Tür alle Zweige -, schon viel besser pädagogisch geschult, als es früher üblich war. Doch noch immer unterrichten viel zu viele für den Lehrberuf ungeeignete Menschen, was sich im Fach Religion entscheidend auswirkt.
Um mein eigenes, letztes Jahr Religionsunterricht gewinnbringend hinter mich zu bringen, werde ich jedenfalls versuchen, meine Kollegen zu der oben genannten Einstellung zu bringen. Dann ist es nicht mehr so entscheidend, wie geschickt der Lehrer ist, weil er uns nicht mehr „ködern“ muß.
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