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Warum eine private Pflichtschule ?

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Private Volksschulen, Hauptschulen, Sonderschulen: Die Angebote sind zahlreich, die Elternmotive vielfältig.

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Private Volksschulen, Hauptschulen, Sonderschulen: Die Angebote sind zahlreich, die Elternmotive vielfältig.

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„Es gibt mehr Ding* im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit träumen läßt”, sagt Shakespeares Hamlet zu Horatio. Und dennoch: die Schule ist eine Pflicht für jedermann, zumindest die Absolvierung einer Pflichtschule.

Der Eintritt ins schulpflichtige Alter ist ein einschneidender Abschnitt im Leben eines jeden Menschen. Das Kind wird von nun an endgültig mit der Realität des Lebens konfrontiert: fand der Sechsjährige bis dahin seine Lebensbezüge meist in seiner unmittelbaren Umgebung, im Elternhaus, bei den Spielkameraden, so ist er jetzt gezwungen, mit einer ganzen Gemeinschaft Gleichaltriger auszukommen.

Vieles in der Volksschule ist für den Schulanfänger neu: ein ihm bis dahin fremder Erwachsener fordert Leistungen in Form von

Wissensaneignung. Der Schüler muß sich in einer größeren Gemeinschaft erst behaupten, muß aber auch lernen, seine eigenen Ansprüche zurückzustellen, wenn es das gemeinschaftliche Zusammenleben im Klassenverband erfordert.

Kurzum: die ersten Jahre der Schulpflicht und die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, sind oft auch schon bestimmend für den weiteren Lebensweg.

Wer sein Kind daher einer privaten Volksschule überantwortet, der erwartet von den dort tätigen Lehrern, daß sie mehr als vielleicht in einer öffentlichen Schule individuell auf die Fähigkeiten jedes Schülers eingehen können. Die Eltern, die sich für den privaten Schulerhalter entscheiden, wollen aber auch ein entsprechendes Milieu gesichert wissen, in dem sich ihr Kind in seinen ersten Schuljahren besonders entfalten kann.

Das Angebot an privaten Pflichtschulen ist - je nach Bundesland — unterschiedlich, vor allem in Wien und in Graz relativ groß. Viele Pflichtschulen werden an Anstalten geführt, an denen auch ein breites Angebot für die weitere Schullaufbahn bereitsteht. Schon bei der Schuleinschreibung wird die Möglichkeit des Verbleibs in ein und demselben Haus nach Ende der Volksschulzeit als Hauptargument für die Wahl einer privaten Pflichtschule genannt.

Denn obwohl die einzelnen Schultypen an solchen Anstalten von der jeweiligen Direktion und dem Lehrpersonal autonom geführt werden, schafft allein die räumliche Nähe etwa von Volksschule und Allgemeinbildender Höherer Schule vermehrte Möglichkeiten der Kontaktnahme zwischen den Lehrern.

Ein anderes Argument für die Wahl einer privaten Pflichtschule ist der Umstand, daß viele - vor allem von Orden geführte Schulen — einen Kindergarten und vereinzelt auch Vorschulklassen anbieten. Das Kind wächst in einer solchen Umgebung langsam in die Schulpflicht hinein, der Ubergang vom Kindes- ins Schulalter verläuft weniger abrupt.

Fast alle privaten Pflichtschulen bieten darüber hinaus auch Betreuung nach Ende des Unter7 richts an, sei es in Form eines Tagesheims oder in Form eines Halbinternats. Neben zusätzlicher Lernhilfe warten viele private Pflichtschulen mit einem umfangreichen Freizeitangebot -von Instrumentalunterricht bis zu Sport — auf.

Die Betreuung der Schüler am Nachmittag schätzen vor allem jene Eltern, wo beide Partner ganztägig einem Beruf nachgehen.

Die meisten privaten Volksschulklassen werden heute ko-edukativ geführt. Dem Gedanken des gemeinsamen Unterrichts von Knaben und Mädchen in den privaten Hauptschulen stehen dagegen derzeit nicht so sehr pädagogische Erwägungen im Weg, sondern zumeist nur die hohen Investitionskosten baulicher Natur, die mit der Einführung der Koedukation verbunden sind.

Die Entscheidung für eine private Hauptschule fällt zumeist deshalb, weil viele Eltern nicht nur vom Hörensagen wissen, daß der Unterricht in dieser mittleren Ausbildungsstufe in nicht wenigen öffentlichen Schulen aus verschiedenen Gründen im Argen liegt. Dazu kommt, daß private Hauptschulen meist keinen zweiten Klassenzug geführt haben. Die Anforderungen an die Hauptschüler von privaten Anstalten -so das Urteil vieler Eltern - befähigen jedenfalls zu mehr, etwa zum Besuch einer Handelsschule.

Mit Beginn des Schuljahres 1985/86 stellt sich den privaten Hauptschulen allerdings eine neue Herausforderung: die Einführung der „Neuen Hauptschule” im Regelschulwesen (Abschaffung des zweiten Klassenzugs, Einführung von Leistungsgruppen).

Nicht nur, daß alle Stufen der Hauptschule dann zweiklassig geführt werden müssen, an die privaten Schulträger wird dann wohl auch vermehrt der Wunsch herangetragen, lernwillige, aber lernschwache Schüler intensiv zu betreuen.

Und Gastarbeiterkinder?

Ein Faktum, das für die Entscheidung der Eltern für eine private Pflichtschule vor allem in den letzten zehn Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, soll nicht verschwiegen werden: viele wollen ihre Kinder „davor bewahren”, die Klasse mit Gastarbeiterkindern „teilen zu müssen”. Oftmals leide, so die Klagen, der Unterricht der österreichischen Schüler in öffentlichen Schulen unter den Sprachschwierigkeiten der ausländischen Kinder.

Den privaten Schulträgern, aber auch den Eltern kann man diesen Umstand allerdings nur schwer zum Vorwurf machen. Herausgefordert ist zuerst die Schulbehörde, im Unterricht in den öffentlichen Pflichtschulen besser als bisher die Probleme der „gemischtsprachigen” Volksschulklassen zu bewältigen.

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