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80 Stunden für Zehnjährige

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Heiß umfehdet, wild umstritten ist nach wie vor die künftige Schule der 10- bis 14jäh-rigen in Osterreich. Mehrere Modelle, aber im Grunde nur zwei verschiedene Auffassimgen stehen einander gegenüber: auf der einen Seite die Gesamtschule mit mehr oder weniger innerer Differenzierung, auf der anderen das bisherige Nebeneinander von verschiedenen Schultypen (AHS-Unterstufe und Hauptschule).

In der Diskussion darüber wird gerne für sich selbst Sachlichkeit

beansprucht, den Gegnern aber das Gegenteil vorgeworfen oder als einziges Argument „Hochmut" zugebilligt.

Mangel an Hochmut ist momentan jedenfalls auch den Schulbehörden in Wien (Stadtschulrat und Unterrichtsministerium) nichtvorzuwerf en. Die vonEltern-initiativen in Wien-Liesing und Hartberg angestrebte Einrichtung von achtklassigen öffentlichen AHS in diesen Regionen steht nach wie vor aus (FURCHE 28/1981).

Bekanntlich bestehen in beiden Regionen (jeweils rund 70.000 Ein

wohner) für 10- bis 14jährige nur Hauptschulen oder Schulversuche des Modells „Integrierte Gesamtschule", aber keine AHS-Langformen. Wer sein Kind ins Gymnasium schicken will, muß diesem entweder einen Platz in einer Privatschule (Internat) besorgen oder einen sehr langen Schulweg zumuten, „eine 70- bis 80-Stunden-Woche", wie der Wortführer der Hartberger Initiative, Rechtsanwalt Gunnar Clement, erklärt.

Aus dem Wiener Randbezirk Liesing pendelten im Vorjahr 1275 10- bis 14jährige zum AHS-Besuch in andere Bezirke, Konflikte mit Erwachsenen in öffentlichen Verkehrsmitteln sind keine Seltenheit. Daß ein einzelner Schulneubau das Problem nur lindern, aber nicht völlig lösen kann, ist auch dem Wiener Stadtschulratpräsi-

denten Hans Matzenauer klar.

Aber vorläufig stößt sogar dieser eine auf Schwierigkeiten. Die SP-dominierte Liesinger Bezirksvertretung sprach sich nämlich in einer stürmischen Sitzung dafür, aus, nur eine „AHS oder BHS""beim Bund zu beantragen. Dafür wurde ein Grundstück in Aussicht genommen, das noch in Privatbesitz ist.

Der Liesinger Elternvertreter Walter Kyral bemängelt, man sei damit nur optisch auf die Elternanliegen eingegangen. Nach wie vor gehe es um eine Schule für 10-bis 14jährige, den älteren BHS-Schülern sei ein längerer Schulweg eher zuzumuten.

Aber auch Stadtschulratspräsi-dent Matzenauer gibt derzeit dem Bau von BHS Priorität. Während Kyral erklärt, die Eltern hätten bereits mindestens drei Objekte

im Besitz von Bund oder Gemeinde für eine AHS vorgeschlagen, sagt Matzenauer, ihm sei kein geeignetes Objekt bekannt.

Größere Erfolgschancen hat die Hartberger Initiative, deren Anliegen der Steirische Landes-^chulrat unterstützt. Im neuen Schulzentrum wäre auch Raum für eine AHS-Unterstufe vorhanden, ihn dafür zu nützen, ist freilich eine politische Entscheidung, die das Unterrichtsministerium zu fällen hat. Also doch eine politische Frage?

Fast sieht es so aus, denn sobald Mandatare damit befaßt werden, versteifen sich die Fronten. Man wartet das Ergebnis der Schulverhandlungen ab. Dabei kommt das „Fußvolk" der Initiativen (immerhin jeweils 6.000 Unterschriften) aus allen Lagern.

Selbst wenn die Gesamtschule die beste Schulform der Welt wäre, müßte in einer Demokratie, wo das Erziehungsrecht der Eltern etwas gilt, dem Wunsch von so vielen Eltern Rechnung getragen werden, auch wenn sie eine Minderheit sein sollten (der Wiener Bürgermeister hat ja gerade Minderheiten seinen Beistand zugesagt).

Alles andere fiele unter den fatalen Begriff „Zwangsbeglük-kung".

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