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Elternrecht macht halt vor Gesamtschule?

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Das Stichwort „Elternrecht” stand gleich am Anfang. Auf Einladung des Clubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten berichteten die Schulsprecher der drei Parteien anläßlich des zehnten Gründungstages der Schulreformkommission über ihre Vorstellungen zur Schulreform im allgemeinen, zur Gesamtschule und zur Ganztagsschule im besonderen. Und hier zeigte sich, daß das einstimmige Bekenntnis zum Elternrecht sehr bald auf Grenzen stieß. Nicht nur auf praktische Grenzen dort, wo die Größenordnungen zu klein sind, um alle Wünsche erfüllen zü können, sondern auch auf ideologische Grenzen bis zum Willen, gewachsene Vielfalt aufzuheben, um politischen Vorstellungen gerecht werden zu können.

Das ließ SPÖ-Schulsprecher Hermann Schnell, wenn auch spät, so doch klar deutlich werden: „Wir wollen, daß nicht wie bisher die Kinder bereits nach der Volksschule ohne wahre Kenntnis ihrer Begabung auf einen bestimmten Schultyp hin fixiert werden. Anstatt sie mit zehn Jahren an eine Hauptschule oder ein Gymnasium zu schicken, sollen sie an einer Schule bis zum 14. Lebensjahr miteinander lernen. Das entspricht auch viel stärker dem Prinzip der Chancengleichheit.”

Schnell bekannte sich eingangs eindeutig zu Elternrecht - meinte jedoch, wenn für alle Kinder eine gemeinsame, leistungsdifferenzierte Schule angeboten werde, sei damit dem Elternrecht auf eine gute Ausbildung ihrer Kinder Genüge getan. Im Gespräch mit der FURCHE trat er dafür ein, auch in Gesamtschulen Latein als Freifach einzuführen, wo es die Eltern wünschten - er lehnte es aber ab, das Elternrecht auf freie Wahl unter mehreren, vorhandenen Möglichkeiten anzuerkennen.

Er begründete diese Weigerung mit den Schwierigkeiten, die „viele” Kinder heute in der Unterstufe des Gymnasiums hätten, in die sie nicht hineingehörten, wenn 50 und mehr Prozent einer „Population” in die höhere Schule strebe. Um diese Schwierigkeiten zu beseitigen, müßten alle Kinder in einer Schule erzogen werden.

Gegen den Ausdruck „Eintopf1 protestierte Schnell mit dem Hinweis auf die abgestuften Anforderungen in den Leistungsgruppen und der Feststellung, man könne nicht für fünf Prozent besonders hochbegabter Schüler eigene Schulen einrichten. Warum eigentlich nicht, wenn man für einigeiiundert gute Sportler spezielle Schi- oder Sportgymnasien einrichtet? Im übrigen blieb Schnell die Antwort schuldig, wer seiner Parteifreunde seine Kinder in die Gesamtschule schicke.

Der neue Schulsprecher der ÖVP, Hans Katschthaler, betonte, in einer Welt wie der heutigen, in der die Konkurrenz zu vielfältigen Leistungen zwinge, brauche man eine entsprechende Typenvielfalt im Schulwesen. „Statt den Menschen weiter zu vereinheitlichen, sollen wir alles tun, um mit dem Schulangebot individuellen Neigungen entgegenzukommen.”

Obwohl Katschthaler versicherte, die ÖVP werde der Gesamtschule nie zustimmen, sondern auf der differenzierten Hauptschule bestehen, gab Schnell die Hoffnung nicht auf, „in der siebten oder achten Novelle zum Schulorganisationsgesetz” – heute steht man vor der sechsten - das Ziel erreichen zu können. Auch FPÖ- Sprecher Friedrich Wolfram wandte sich dagegen, daß die Gesamtschule die einzige Ausbildungsform dieser Altersstufe sein solle, und bestand auf den bisherigen Formen des Gymnasiums.

Vorher schon hatte sich deutlich gezeigt, wie sehr die Disküssionen durch die ständige Vermengung von Materien, die miteinander nichts zu tun haben, vernebelt wird: Sogar Katschthaler versprach sich versehentlich und sagte: „Gesamtschule”, als er „Ganztagsschule” meinte - ein Lapsus, der auch am nächsten Tag dem Moderator des Morgenjoumals im ORF unterlief (hier jedoch sichtlich aus Unkenntnis der Dinge).

Ganztagsschule oder Tagesheimschule? Uber die Notwendigkeit des Angebots ganztägiger Schulformen ist man sich weitgehend einig. Auch Schnell hatte gegen die Tagesheimschule - die den Unterricht auf den Vormittag beschränkt - nichts einzuwenden und trat nur dort für die Ganztagsschule mit Unterricht auch am Nachmittag ein, wo genügend viele Eltern sie wünschen. Nur als Angebot, nicht als Zwang - wie ist es aber etwa mit der Volksschule in Alt-Erlaa, die bisher Halbtags- und Ganztagsklassen nebeneinander geführt hatte und nun die Halbtagsklassen eingestellt hat? Auch im Fall der Fünf- und Sechstageschulen wurde die Zusage des Stadtschulrates, in allen Bezirken Alternativen einzurichten, bisher nicht erfüllt. Deswegen ist man auch bei anderen Versicherungen skeptisch.

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