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Das Leid der Schulsprecher

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Sie wollen zurück zur Aufnahmsprüfung, wollen Noten, fundierte politische Bildung und Sexualerziehung und mehr fürs Leben lernen. Gegen alle gängigen Klischees.

Soll der Zugang zu einer Allgemeinbildenden höheren Schule (AHS) von einer Aufnahmeprüfung abhängig sein? Ja - zumindest kommt dieser Wunsch von den Schü- lervertretem selbst. 63 Prozent der Schulsprecher an AHS und Berufsbildenden höheren Schulen (BHS) Österreichs sprechen sich jedenfalls dafür aus.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage (34 Prozent Rücklauf bei 437 versendeten Fragebogen), die der Mittelschüler- Kartell-Verband (MKV) in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Institut für Jugendkunde im Vorfeld seines Pennälertages, der zu Pfingsten in Ried im Innkreis stattfand, unter den Schulsprechern der höheren Schulen durchgeführt hat. Die überwiegende Mehrheit der Schulsprecher(innen) besucht übrigens in der AHS die siebente und in der BHS die achte Klasse.

Sie wollen es sich weder bequem machen noch bequem haben: 92 Prozent sind gegen eine Abschaffung der Noten, auch wenn die Zensuren für fast drei Viertel der Befragten die Ursache von Schulkonflikten sind. Überraschend vielleicht, daß nur 55 Prozent eine Überlastung der Schüler konstatieren - mehr in der BHS, weniger in der AHS - und mit der Ausstattung mit Lehr- und Unterrichtsmitteln ihrer Anstalten überwiegend zufrieden sind.

Die Unzufriedenheit konzentriert sich auf inhaltliche Fragen. Daß die politische Bildung zu sehr vernachlässigt wird, beklagen neun von zehn Befragten, wobei das Manko im AHS-Bereich (95 Prozent) besonders hervorsticht. Interessant wohl auch, daß alle Schulsprecherinnen (ein Drittel der insgesamt Befragten) - wohl ein Merkmal für das politische Interesse der Frauen - an der gegenwärtigen Form der politischen Bildung kein gutes Haar lassen.

Acht von zehn Schulspre- cher(inne)n wenden sich gegen die oft geäußerte Ansicht, daß Sexualerziehung nicht Sache der Schule sein soÜte, im Gegenteil: drei Viertel sind der Meinung, daß die

Sexualerziehung heute zu kurz kommt.

Thema Religionsunterricht: Daß der Religionsunterricht wie bisher beibehalten werden soll, bejahen immerhin 62 Prozent. Was aber Art und Inhalt betrifft, halten ihn rund sechs von zehn Schülervertretem für reformbedürftig, wobei die Unzufriedenheit im AHS-Bereich jene im BHS-Spektrum deutlich übersteigt.

Signifikante Unterschiede gibt es auch in der Beurteilung der Praxisrelevanz des Gelernten. Etwa ein

Drittel der BHS-Vertreter, aber die Hälfte der AHS-Schulsprecher sieht sich zuvorderst für die Schule und nicht für das Leben lernen. Wahrscheinlich liegt das auch an den Lehrplänen, deren Überfrachtung mit Details zwei Drittel beklagen. Bei den Lehrmethoden sind die Auffassungen geteilt: Daß sie schlecht sind - und schwächere Schüler deshalb nicht mitkommen - finden zwar 49 Prozent, umgekehrt lassen 46 Prozent dieses Argument aber nicht gelten.

Schülermitverwaltung und Schulpartnerschaft kommen in der MKV- Umfrage relativ gut weg. Rund die Hälfte attestiert ihrer Schule, daß das Schulorganisationsgesetz peinlich genau eingehalten wird - ohne daß sich freilich das Schulklima verbessert hätte. Verbessert hat sich die Position der Schülervertreter: Weder stimme (53 Prozent), daß ein Schülervertreter trotz des Gesetzes nichts machen könne, wenn es einmal zu Problemen kommt, noch ist es richtig (81 Prozent), daß der Klassen- oder Schulsprecher im Fall des Falles auf sich allein gestellt und ohne Unterstützung bleibt.Unter den wichtigen “Informanten“ finden sich sogar die Direktoren im Spitzenfeld.

Wie stehen die Eltern zum schulpolitischen Engagement ihrer Töchter und Söhne? 58 Prozent sehen es insgesamt eher positiv, wobei es das Elternhaus offenkundig bei Burschen (63 Prozent) eher lieber sieht als bei Mädchen (46 Prozent). Jede fünfte Familie einer aktiven Schulsprecherin steht dem Engagement der Tochter sogar eher negativ gegenüber

Ohne Illusionen beurteilt man die Wertschätzung der Schulsprecherarbeit bei den Mitschülern: Gleichgültigkeit (61 Prozent) dominiert, mehr in der AHS, weniger in der BHS. Und in der Gleichgültigkeit sehen die Schulsprecher auch das größte Problem (48 Prozent) der Schülervertretung. Weit abgeschlagen - mit 19 Prozent - kommen erst Klagen über mangelnde Kompetenzen und - mit 13 Prozent - Ängste vor Repressalien durch den Lehrkörper der Schule.

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