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Mittelschulen unter der Lupe

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Das Milieu übt als psychischer Faktor auf den Lernerfolg der Schüler maßgeblichen Einfluß aus. Zu diesem Ergebnis ist man an Hand von statistischen Untersuchungen schon vor langer Zeit gekommen. Wie sieht dies aber nun in der Praxis aus, mit den Augen eines Statistikers gesehen, der das Können der Schüler auf der Mittelschulbank einmal mit Röntgenaugen sieht und in unwiderlegbaren Zahlen klassifiziert. Hier drängt sich auch die allgemeine Frage auf, wie die Lernerfolge an unseren österreichischen Mittelschulen überhaupt und wie sie innerhalb der einzelnen Mittelschulformen sind. Welche Erscheinungen zeigen sich beispielsweise im Ablauf des letzten Dezenniums und welches Bild zeichnet sich heute im Lernerfolg ab.

Zur Beantwortung dieser Fragen sollen vorerst die allgemeinen Mittelschulformen des Gymnasiums, Realgymnasiums, der Realschule und Frauen-Oberschule herangezogen werden, weil diese Mittelschulformen immerhin in ihrer Breiten- und Tiefenwirkung eine maßgebliche Schülerfrequenz für beide Geschlechter aufweisen.

Im allgemeinen kann man die Beobachtung machen, daß der Schülerabfall bis zur Beendigung der Untermittelschule im Durchschnitt rund ein Drittel beträgt, der im wesentlichen seine Ursache darin hat, daß ein Teil überhaupt nur die Absicht hatte, die Untermittelschule zu besuchen oder im Laufe der Jahre zur Erkenntnis kam, daß ein positiver Lernerfolg in der Obermittelschule voraussichtlich nicht erwartet werden kann. Von 100 Schülern der ersten Klasse erreicht im Durchschnitt rund die Hälfte die achte Klasse.

Es wird daher von wesentlichem Interesse sein, den mit der Reifeprüfung abgeschlossenen Mittelschulerfolg zu untersuchen. Im Laufe der letzten neun Schuljahre 1951 52 bis ÜW öOi-iburden f wagen n an mallen erwähnten. Mittele Schultypen einschließlich der Externisten rund 47.300 Kandidaten geprüft. Hiervon entfielen auf die Mittelschulform Gymnasium 19 Prozent, auf die Realschule 10 Prozent, auf das Realgymnasium 56 Prozent, auf die Frauen-Oberschule 6 Prozent und auf die Externisten und andere Mittelschulformen 9 Prozent (Arbeiter-Mittelschule und Aufbau-Mittelschule).

Realschule nicht sehr gefragt

In der Höhe der Frequenz steht das Realgymnasium an erster, das Gymnasium an zweiter und die Realschule an dritter Stelle. Während das Realgymnasium im Schuljahr 1951 52 57 Prozent aller Maturaprüfungskandidaten stellte und im Schuljahr 1959 60 gegenüber dem vorerwähnten Schuljahr nur um 1 Prozent abgesunken ist, betrug der Matura-Kan- didaten-Anteil des Gymnasiums im Schuljahr 1951 52 22 Prozent und verringerte sich im Schuljahr 1959 60 auf 15 Prozent. Nichtsdestoweniger reihte aber die Mittelschulform Gymnasium nach wie vor an zweiter Stelle. Der Anteil der Realschule von nur 10 Prozent im Schuljahr 1951 52 hat gegenüber dem Schuljahr 1959 60 nur eine leichte Erhöhung auf 12 Prozent erreicht und bleibt nach wie vor an dritter Stelle. Der Anteil der Frauen-Oberschule hat vom Schuljahr 1951 52 gegenüber dem im Schuljahr 1959 60 eine Erhöhung von 4 Prozent auf 7 Prozent erfahren.

Zusammenfassend kann daher behauptet werden, daß das Realgymnasium mit mehr als der Hälfte der Frequenz an erster Stelle reiht. Die oft nur gefühlsmäßige Ansicht, daß das Gymnasium durch die Realschule verdrängt wird, ist irrig. Die Mittelschulform Gymnasium steht nach wie vor im Laufe des letzten Dezenniums 'frequenzmäßig an zweiter Stelle.

Wenn man die Anzahl der Matura- Prüflinge des Schuljahres 1951 52 mit 100 annimmt, dann hat sich ihre Anzahl bis einschließlich dem Schuljahr 1954 55 auf 89 verringert und stieg von da an bis zum Schuljahr 1959 60 auf 214, also auf das mehr als Doppelte des Schuljahres 1951 52 an.

Was die Geschlechtsverteilung bei den Maturakandidaten anlangt, weist die höchste Frequenz das weibliche Geschlecht mit 44 Prozent beim Realgymnasium auf, 8 Prozent beim Gymnasium und nur 6 Prozent bei der Realschule. Im Laufe der mehrfach erwähnten letzten neun Schuljahre von 1951 52 bis 1959 60 hat sich der weibliche Anteil im Bereiche des Realgymnasiums um 3 Prozent verringert, hingegen beim Gymnasium um 8 Prozent und bei der Realschule um 5 Prozent erhöht. Der verstärkte Zuzug des weiblichen Geschlechts zum Gymnasium ist aus den statistischen Unterlagen allein nicht erklärbar.

Bestes Maturajahr 1956 57

Unter Berücksichtigung aller Mittelschulformen haben im Durchschnitt der Schuljahre 1951 52 bis 1959 60 rund 88 Prozent der Prüfungskandidaten die Reifeprüfung bestanden. Die positiven Ergebnisse der Reifeprüfungen in den einzelnen Schuljahren der vorerwähnten Periode schwanken zwischen 86 bis 90 Prozent. Das relativ beste positive Ergebnis zeigt das Schuljahr 1956 57 mit 90 Prozent. Die unterste Grenze mit 86 Prozent ergaben die Schuljahre 1952 53 und 1959 60. Vom Schuljahr 1956 57 über die Folgejahre bis zum Schuljahr 1959 60 zeigt sich durchgehend alljährlich eine ein- bis zweiprozentige Minderung des Reifeprüfungserfolges. Eine ebenso fallende Tendenz scheint in der gleichen Zeitperiode bei den Kandidaten auf, die die Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden haben. Der prozentuelle Anteil der mit Auszeichnung bestandenen Reifeprüfungen verringerte sich vom Schuljahr 1952 53, der in diesem Schuljahr 19 Prozent aller positiven Prüfungsergebnisse ausmachte, bis zum Schuljahr 1959 60 auf 13 Prozent. Während in den Schuljahren 1953 54

bis einschließlich 1957 58 der prozentuelle Anteil jener Prüflinge, die die Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden haben, je 17 Prozent betrug, war der Anteil im Schuljahr 1958 59 nur noch 15 Prozent und verringerte sich, wie bereits efwähnt, im Schuljahr 1959 60 auf 13 Prozent. Das umgekehrte Bild zeigt der prozentuelle Anteil jener Personengruppe, die die Reifeprüfung fürs erste nicht bestanden hat. Hierzu werden jene gerechnet, die auf den nächstfolgenden oder übernächsten Termin, oder auf ein Jahr reprobiert wurden. Ihr Anteil stieg von 10 Prozent im Schuljahr 1956 57 auf 14 Prozent im Schuljahr 1959 60. Der Anteil an Reprobierten betrug im Durchschnitt der letzten neun Schuljahre 12 Prozent.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß ab dem Schuljahr 1956 57 bei Nichtaufgliederung der einzelnen Mittelschulformen zeitlich durchgehend sich von Jahr zu Jahr der prozentuelle Anteil des posi tiven Erfolges bei der Reifeprüfung vermindert. Die gleiche Erscheinung zeigt sich auch im prozentuellen Anteil jener Personen, die die Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden haben.

Weniger positive Schulerfolge

Nicht uninteressant wäre es nun, die gleichartige Aufgliederung für die einzelnen Mittelschulformen und nach dem Geschlecht zu untersuchen. Im Durchschnitt der Zeitperiode 1951 52 bis 1959 60 wurden 12 Prozent der Realschüler beim erstmaligen Antritt zur Reifeprüfung reprobiert beziehungsweise haben ohne Erfolg abgeschlossen. Der prozentuelle Anteil für das Realgymnasium betrug 10 Prozent und fürs Gymnasium nur 9 Prozent. Für die Frauen-Oberschule betrug der Anteil 10 Prozent. Während des gleichen Beobachtungszeitraumes betrug der Anteil jener Personen, die die Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden haben, für den Bereich des Gymnasiums 19 Prozent, des Realgymnasiums 15 Prozent, der Realschule 11 Prozent und der Frauen- Oberschule 9 Prozent. Es liegt also offensichtlich im qualitativen Abschluß der Reifeprüfung die Mittelschulform Gymnasium an der Spitze.

Beim Vergleich der Schuljahre 1951 52 und 1959 60 ergibt sich das gleichartige Bild und die gleichartige Rangfolge, wenngleich auch in allen Formen der Mittelschule nicht nur ein Absinken eines positiven Erfolges, sondern auch ein Absinken des Anteils jener Personen, die die Prüfung mit Auszeichnung abgelegt haben, festzustellen ist.

Aus diesen Tatsachen wäre zu folgern, daß das geistige Niveau und die Aufnahmefähigkeit in den letzten Jahren eine: fallendeiTendenz zeigten, dies unter der Annahme, daß die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Kandidaten im allgemeinen gleichgeblieben sind.

Auch Gymnasiasten gehen auf die Technik

Nicht uninteressant wäre schließlich «och die Feststellung, für welche Hochschulen sich die Mittelschulmaturanten entscheiden. Die Tatsache, daß rund 70 Prozent der Gymnasialmaturanten das Studium an einer Universität wählen, wird wohl nicht überraschen; daß aber immerhin 12 Prozent der Gymnasiasten das Studium an der Technischen Hochschule wählen, dürfte nicht allgemein bekannt sein. An dritter Stelle wird die Hochschule für Welthandel gewählt und erst im weiteren Abstand fällt die Wahl auf die Hochschule für Bodenkultur.

Von den Maturanten des Realgymnasiums wählen rund 60 Prozent das Studium an einer Universität und 20 Prozent an einer Technischen Hochschule. Die Hochschule für Welthandel und die Hochschule für Bodenkultur werden von Realgymnasiasten im annähernd gleichen Maß frequentiert wie von Gymnasialmaturanten.

Von den Realschulmaturanten tendieren rund 60 Prozent an die Technische Hochschule. Nicht uninteressant ist aber die Tatsache, daß immerhin 19 Prozent Realschulmaturanten als Hörer an einer Universität aufscheinen. 15 Prozent wenden sich dem Studium der Hochschule für Welthandel zu.

Rund zwei Drittel der Maturantinnen der Frauen-Oberschule wählten das Studium an einer Universität, das restliche Drittel besuchte zum überwiegenden Teil die Hochschule für Welthandel, die Akademie für angewandte Kunst und die Akademie für Musik und darstellende Kunst.

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