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Die Pennäler proben den Aufstand

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Die Geister, die er rief, wird Unterrichtsminister Dr. Fred Sinowatz offenbar nicht los. Verkündete die sozialistische Regierung bisher stets lauthals die „Demokratisierung aller Lebensbereiche“, so scheint sie nun im Bereich der Schulpolitik etwas leiser zu treten. Die Schüler aber, denen man die ganze Hand versprochen hat, wollen sich offenbar mit dem kleinen Finger nicht länger zufriedengeben. Sie fordern, daß Sinowatz, der bereits vor fünf Jahren (am 7. Februar 1973) grundsätzlich A zu einem Schülervertretungsgesetz gesagt hat, jetzt auch endlich das B über seine Lippen bringen soll.

Der derzeitige „Schülerbeirat“ ist zwar ein von Schülervertretern aus allen Bundesländern gebüdetes Gremium, stellt aber bestenfalls eine Zwischenstufe zu einer gesetzlich geregelten bundesweiten Schülervertretung dar, denn er soll in erster Linie nicht die Interessen der Schüler vertreten, sondern der Beratimg des Unterrichtsministers dienen. Dieser bestimmt auch die Zahl und die Termine der Zusammenkünfte. Genau dieser Schülerbeirat aber fühlt sich „seit Jahren nur gefrotzelt“, wie ein Schülervertreter betonte, weü eben die Schaffung eines Schülervertretungsgesetzes seit 1973 verschleppt worden sei. Für die Schülersprecher Grund genug, die letzte auf drei Tage anberaumte Sitzung des Schülerbeirates schon am ersten Tag mit Vier-Fünftel-Mehrheit zum Abbruch zu verurteüen.

Minister Sinowatz - bei der Schülertagung persönlich gar nicht anwesend - sieht in der plötzlich so harten Haltung der Schülervertreter ein parteipolitisches „Spiel mit dem Feuer“, das von der ÖVP nahestehenden Schulergruppierungen geschürt werde. Er lasse sich aber das Gesetz des Handelns nicht von Kräften vorschreiben, denen es um Parteipolitik gehe. Schließlich habe es zur Regierungszeit der ÖVP nicht einmal einen Schülerbeirat gegeben.

Hinter der Forderung, die Schülervertretung auf Landes- und Bundesebene endlich gesetzlich zu regeln, stehen aber nicht nur die Schüler, sondern auch die Eltern, die Lehrer, die Landesschulräte und die beiden Oppositionsparteien. Die ÖVP brachte sogar am 30. November 1976 einen entsprechenden Initiativantrag ein, der freüich nicht zum Ziel führte. Die im

Bundesjugendring vertretenen Jugendorganisationen beschlossen im Juni 1977 einstimmig ein Konzept „Uberschulische Schülervertretung“, wiewohl die Vorstellungen der einzelnen Gruppierungen doch um einiges voneinander abweichen.

Die Sozialistische Jugend (SJ) befürwortet aus naheliegenden Gründen eine Gesamtschülervertretung in einem gemeinsamen Gremium, in das jede der fünf Schultypen (AHS, BHS, berufsbüdende mittlere Schule, Berufsschule und Polytechnischer Lehrgang) gleich viel Vertreter entsenden kann, womit zweifellos einige Schultypen über- und andere unterrepräsentiert wären. Dagegen plädiert der Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV) für drei Bundesausschüsse - einen für AHS, einen für BHS und berufsbüdende mittlere Schulen, einen für Berufsschulen und Polytechnische Lehrgänge -, die zwar zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten mindestens einmal pro Jahr zusammentreffen, ansonsten aber unabhängig voneinander arbeiten sollen

So wertvoll die im Gesetz verankerten Rechte der Schüler auf Mitwirkung, Mitbestimmung und Mitgestaltung sind, so sehr sie wohl von den Schülern selbst geschätzt werden, ist die Schule überhaupt in die „Demokratisierung aller Lebensbereiche“ einzubeziehen? Dazu MKV-Kartellsenior Günther Ofner: „Die Schule hat vom Gesetz her bestimmte Aufgaben, und der Staat muß prüfen, ob diese erfüllt werden. Man kann die Schule nicht wirklich demokratisieren, denn die Mitbestimmung hat dort eine Grenze, wo die Aufgabe für die ganze Gesellschaft gefährdet werden könnte. Schuldemokratie kann daher nur die Erziehung zur Mitverantwortung sein.“

Ein Schülervertretungsgesetz allein wird dem Klima an den Schulen, das sich laut MKV-Umfrage seit dem Schulunterrichtsgesetz keineswegs verbessert hat, nicht nützen. Denn Gesetze können - so Ofner - nur den Rahmen abstecken, innerhalb dessen die einzelnen Menschen initiativ werden können und müssen, sonst droht die sicher nicht wünschenswerte totale staatliche Versorgung: „Wir brauchen eher weniger Gesetze, aber gute, die die Voraussetzungen für einen guten Erziehungsprozeß schaffen“

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