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Düsseldorf und Klagenfurt

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Der 2. März 1978 ist zweifellos ein Stichtag für das österreichische Bildungswesen, wenn auch nicht von solcher Bedeutung wie jene Tage, an denen die großen Gesetzeswerke der Zweiten Republik für Schule und Hochschule verabschiedet worden sind Drei Punkte können abgehakt werden: die Neuregelung des Juristenstudiums, zu der hier ein Fachmann Stellung nimmt, dann das Schulzeitgesetz mit der Möglichkeit, die Fünftagewoche in der Grundschule einzu-föhren. Und schließlich - auch wenn dies nicht die Annahme eines neues Gesetzes betrifft- sollte auch die Versicherung des Ministers nicht übersehen werden, daß er nicht daran denke, den Forderungen auf eine zwölfjährige Einheitsschule nachzukommen.

Die Neuregelung des Schulzeitgesetzes fand die Zustimmung auch der ÖVP, den Freiheitlichen schienen die Begleitmaßnahmen noch zu ungenügend. Die Formulierung, wonach die Schule selbst und an ihr nicht zuletzt die Eltern entscheiden sollten, ob man nun den Unterricht auf fünf oder sechs Tage verteilen solle, ist im Grundsatz richtig. Sie entspricht dem Subsidiaritätsprin-zip. Ob sie sich in der Praxis verwirklichen lassen wird, muß sich erst herausstellen. Gerade das Nebeneinander von Fünf- oder Sechtage-Unterricht - mit gleichem Lehrangebot - an derselben Anstalt oder an benachbarten Schulen bietet die Möglichkeit zum Vergleich, bietet auch die Möglichkeit, wieder zurückzunehmen, was sich nicht bewähren sollte. Doch wäre es Illusion zu glauben, nun könnte sich jeder die ihm zusagende Schulform aussuchen - auch bei überzeugenden Mehrheiten für die eine oder die andere Version wird es immer Minderheiten geben, die sich dem fügen müssen, was die Mehrheit beschließt.

Die Frage Fünftageschule ließ Gegner und Befürtworter quer durch die Parteien aufmarschieren - je nachdem, welche Argumente dem einzelnen als triftiger erschienen. Das oberösterreichische Beispiel machte die Einigung leichter, die durchaus als Kompromiß gewertet werden kann. Wie jeder Kompromiß wird auch sie die Bedenken nicht zum Verschwinden bringen können - die Befürchtungen vor allem, daß hier nur der erste Schritt getan werden soll, auf den der zweite Schritt der Ausweitung auf die Hauptschule und der dritte mit der Einführung der Ganztagsschule folgen müssen. Halbinternate hat es immer gegeben, auch Ganztagsschulen wird es - fallweise - geben müssen, um auch hier den Forderungen jener Eltern, die sie für nötig halten, entgegenzukommen. Sie als Regelfall einführen zu wollen, würde wohl härtere Widerstände hervorrufen, als die Fünftagewoche. Daß sich die Eltern längst nicht mehr alles vorsetzen lassen, hat erst dieser Tage das erfolgreiche Volksbegehren gegen die kooperative Schule in Nordrhein-Westfalen bewiesen. Düsseldorf und Münster sind in dieser Beziehung von Wien gar nicht so weit entfernt.

Deswegen ist das klare Wort des Ministers Sinowatz zu begrüßen, mit dem er sich von den Forderungen seiner Genossen in Klagenfurt distanziert. Die Integrierte Gesamtschule sollte bis zur Matura ausgedehnt werden, hatten sie verlangt. Sinowatz bekannte sich zwar zur Gesamtschule als der „gemeinsamen Schule aller Schulpflichtigen“ und sprach von der „vollen Integration der Berufsausbildung in das Bildungssystem“, ohne diese Formel näher zu erläutern. Nun aber, im Nationalrat, stellte er eindeutig fest, daß er nicht die Absicht habe, diesen Ideen näher zu treten.

Wir glauben ihm. Allein - vor der Rundfunkreform ex 1974 gab es die Erklärung, am ORF-Gesetz nichts ändern zu wollen, vor der Fristenlösung die bereits fast perfekte Einigung über eine Indikationenlösung. Dann aber erhoben „relevante Gruppen in der SPÖ“ ihre Stimme. Klagenfurt liegt sehr nahe bei Villach ...

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