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Prolongierter Kulturkampf

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Vor mehr als zehn Monaten — am 8. März 1971 — wurde zwischen dem Vatikan und Österreich ein Zusatzvertrag zum Konkordat unterzeichnet, wonach der Staat mit 1. September 1971 die Finanzierung der gesamten Lehrerkosten an .den katholischen Schulen übernehmen sollte. Allerdings hatten die österreichischen Vertragsunterzeichner Kirchschläger und Gratz die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und dieser Wirt war in diesem Fall die sozialistische Regierungspartei.

Eigentlich stellt die routinemäßige Behandlung solcher Verträge im Parlament keine Schwierigkeit dar. In diesem Fall freilich wurden die Schwierigkeiten im wahrsten Sinn des Wortes „gemacht“. Als nämlich der Zusatzvertrag mit dem Vatikan mit der diesbezüglichen Novelle zum Privatschulgesetz am 15. Juli im Nationalrat zur Verhandlung stand, fand sich im Gesetzestext ein Paragraph 20 a, nach dem es Bund, Ländern und Gemeinden ausdrücklich untersagt sein sollte, weitere Aufwendungen — sprich Subventionen —, die über die Abgeltung der Lehrkosten hinausgehen, den Privatschulen zukommen zu lassen. Uberraschend war auch, daß dieser ominöse Paragraph in der ersten Vorlage nicht enthalten war, sondern erst nach der Begutachtung „hineingeschmuggelt“ wurde.

Deshalb lehnten die Abgeordneten der Volkspartei und der Freiheitlichen eine Verabschiedung des Gesetzes ab und erzwangen damit eine Rückverweisung an den Unterrichtsausschuß. Damit — das Neuwahlgespenst hatte zu diesem Zeitpunkt schon konkrete Formen angenommen — war die Erfüllung des Vertrages mit dem Vatikan durch Österreich unmöglich und die katholischen Privatschulen waren mit einem Schlag um 56 Millionen Schilling ärmer. Soviel hätte nämlich der Vertrag mit dem Heiligen Stuhl jährlich den katholischen Privatschulerhaltern gebracht.

Antiklerikaler Schnell

Erst die Folgezeit brachte Licht in die „dunkelroten“ Hintergründe, die an der in Österreich einmaligen Nichteinhaltung eines solchen Vertrages Anteil haben. Innerhalb der SPÖ hatte vor allem der Wiener Stadtschulratspräsident . und nunmehrige SP-Nationalratsabgeordnete Schnell gegen den Konkordatszusatzvertrag ins Horn gestoßen. Durch seine Einwände wurden alte, antiklerikale Geister innerhalb der Sozialisten wiedererweckt, die jede Besserstellung der katholischen Privatschulen aus gesellschaftspolitischen Überlegungen grundsätzlich ablehnen und die im Gegenteil — lieber heute als morgen — das Privatschulwesen überhaupt liquidiert sehen würden. Diese Kreise um Schnell sind es, die nicht nur die Unterzeichnung des zwischenstaatlichen Vertrages verhinderten, sondern die darüber hinaus auch jetzt noch innerhalb der SPÖ in dieser Frage den Ton angeben.

Bundeskanzler Kreisky und sein ehemaliger Unterrichtsminister

Gratz haben diesen Vorhaltungen durch die Aufnahme des Subventionsverbotes Rechnung getragen. Jetzt allerdings, nachdem der Überraschungscoup gescheitert ist, scheint eine Lösung noch schwieriger. Gratz -Nachfolger Sinowatz ließ bei der Klausurtagung der Regierung in Bad Vöslau keinen Zweifel offen, daß die Frage innerparteilich noch nicht ausdiskutiert ist und die Gegensätze nach wie vor bestehen. Um jedoch auch gegenüber der Öffentlichkeit das Gesicht zu wahren, wird eine Lösung angestrebt, die sowohl dem Vertrag mit dem Vatikan als auch den antiklerikalen Sozialisten genügen würde. Sinowatz meinte dazu. daß die Übernahme der Personalkosten der Privatschulen dann möglich sei, wenn sich die Kirche bereit-erklärt, die bestehende Relation zwischen den Privatschulen und den öffentlichen Schulen nicht zu verändern. Denn die Angst der konservativen Sozialisten richtet sich vor allem gegen ein mögliches Schulbauprogramm der Kirche. Aber auch die jetzt von Sinowatz angestrebte Kompromißlösung — unter Wegfall des Subventionsverbotes — richtet sich einseitig gegen die Kirche als Privatschulerhalter, womit Schnell und seine Genossen gegenüber den aufgeschlosseneren Sozialisten um Kreisky die Oberhand behalten würden.

Chancengleichheit?

Wie auch immer jetzt die Lösung aussehen mag, sie wird wahrscheinlich das Gegenteil von dem bringen, was der Sinn und Zweck der Konkordatserweiterung war: An die Stelle einer besseren Lage für die Privatschulen tritt eine weitere Benachteiligung. Da Österreich im laufenden Schuljahr die Übernahme der Personalkosten nicht erfüllt hat, gehen Millionen Schilling verloren, und was die Zukunft bringen wird, ist noch ungewiß. Dabei haben die 327 katholischen Privatschulen schon wesentlich weiterreichende Sorgen: Die Schulreform stellt immer neue Ansprüche, die gedeckt werden müssen. Im Sinne der von Dr. Kreisky propagierten Chancengleichheit fordern die Privatschulerhalter auch Chancengleichheit für die Schulen und meinen damit eine Übernahme des Sachaufwandes durch die öffentliche Hand.

Die Erfüllung solcher Ansprüche ist freilich Zukunftsmusik, wo nicht einmal noch die Regelung für die Personalkosten unter Dach und Fach ist. Fragwürdige Gewinner der bisherigen Auseinandersetzung sind zweifellos die lauteren sozialistischen Politpädagogen, die dem antiklerikalen Kulturkampf auch noch 1972 zu einem Sieg über rund 50.000 katholische Privatschüler verholten haben, denen zum Trost mehr Schulgeld aus den Taschen gezogen, dafür aber Chancengleichheit gepredigt wird.

So gut wie nichts

Mit dem Kompetenzgesetz, das ein Gesundheits- und Umweltschutzministerium begründen soll, scheint die Regierung sich selbst — vor allem aber ihrem neuen Mitglied, Frau Dr. Leodolter, ein probates Eigengoal zu schießen. Denn statt wenigstens die Übertragung der Koordinationskompetenz zu erhalten, bleibt diese beim Bundeskanzleramt und Frau Leodolter darf nur die „allen Verwaltungszweigen gemeinsamen Interessen“ wahrnehmen. Was das heißt, kennt man in der Verwaltung spraxis. Es ist so gut wie nichts.

Noch grotesker steht es um die Gesundheitspolitik. Bisher hat das Sozialministerium sowohl die Volksgesundheit, als auch die Sozialversicherung kompetenzmäßig erfaßt. Jetzt teilt man die Angelegenheit — und schaltet die Medizinerin Leodolter bei der (angekündigten) Reform des Krankenkassenwesens aus.

Dafür soll das neue Ministerium

— man staune — die Kompetenz der Veterinärangelegenheiten erhalten; und die Standesangelegenheiten der

— Tierärzte...

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