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Wie einst die öVP

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Mit dem Slogan „Versprochen und gehalten“ hatte die Regierung ihre Frühjahrsoffensive abgewickelt, die aber durch die Gegenaktion des ÖVP-Bauernbundes, der den Ministern, wo immer sie hinkamen, den Spiegel unerfüllter Forderungen hinhielt, an Wirksamkeit verlor.

Versprochen hatte jedenfalls Bundeskanzler Dr. Kreisky schon vor einem Jahr bei einer Klausurtagung der Regierung im niederösterreichischen Bad Vöslau, man werde die Bevölkerung fragen, was ihr die Gesundheit wert sei. Clevere Parteistra-

tegen hatten damals als Sprachregelung die Bezeichnung „Gesundheitsschilling“ erfunden, um jeden Anschein einer Steuererhöhung zu vermeiden. Trotzdem war damals der Sturm der Entrüstung groß und che Idee wurde wieder vergraben — zumal die Verhandlungen, die die da-, mals frischgebackene Gesundheitsministerin Frau Dr. Leodolter mit den zuständigen Funktionären der Bundesländer über ein bundeseinheitliches Spitalkonzept führte, keinerlei Ergebnis brachten.

Schon in Bad Vöslau war unter den Berichterstattern der Massenmedien kolportiert worden, es seien sogar Plakate für die Befragungsaktiori gedruckt worden, die dann in den Kellern des Finanzministeriums verschwunden seien.

Die Kritik der Oppositionsparteien ist herb wie im Vorjahr und klingt bestechend. Wenn ÖVP-Obmann Schleinzer meint, es fehle bisher der Spitalsplan und der Finanzminister solle mehr für die Gesundheitspolitik und die Spitalserhaltung bereitstellen, so hat er recht. Fatal für ihn ist

nur, daß sich sicher noch viele Menschen in Österreich daran erinnern können, daß die ÖVP, als sie regierte und ihr das Budgetdefizit über den Kopf zu wachsen drohte, selbst unter dem Trommelfeuer der damaligen Oppositionskritik zu einer unpopulären Maßnahme greifen mußte, zur Einführung der Autosondersteuer, die erst unter der SPÖ-Regierung wieder aufgehoben worden ist.

Die Mehrbelastungen für Raucher und Autofahrer sind übrigens ein altes Allheilmittel der skandinavischen Staaten zur Aufrechterhaltung des Sozialstaates. So kostet etwa in Dänemark ein schlichter Volkswagen knapp 100.000 Schilling (also rund das Doppelte wie in Österreich), eine Schachtel durchschnittlicher Zigaretten kostet dort zirka 27 Schilling (ebenfalls das Doppelte wie in Österreich).

Daß der Bundeskanzler dieses Versprechen einer Erhöhung von Abgaben einhalten wird, auch wenn das Ergebnis der Meinungsforschung nicht zu seinen Gunsten ausfällt, kann angenommen werden. Doch ist man in der Umgebung des Bundeskanzlers optimistisch und rechnet mit einer zustimmenden Haltung der befragten Österreicher.

Schwerpunkt: Strafrechtsreform

Das Forcieren der Familien- und Gesundheitspolitik der Regierung hat mehrere Ursachen. Das finanzielle Chaos der Spitäler, von dem seit Jahren gesprochen wird, kann sehr bald zu einer echten Katastrophe führen. Ein zentrales Spitalskonzept ist also notwendiger denn je. Minister Leodolter hat aber auf diesem Gebiet bisher keinerlei Erfolge zu verzeichnen. Bevor der Unwillen.der Bevölkerung über die Erfolglosigkeit der Frau Minister weiter steigt, muß sie durch populäre Dinge aufgebaut werden. So darf sie in der nächsten Zeit die geplanten Intensivstationen zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit eröffnen, deren Notwendigkeit ganz gewiß von jedermann verstanden und respektiert wird.

Ähnlich ist die Strategie für Frau Staatssekretär Karl. Sie wird durch die Lande reisen und eine Beratungsstelle für FamiMenplanung nach der anderen eröffnen — und so dokumentieren, Welche Aufgaben sie im Bundeskanzleramt zu erfüllen hat. Allzuoft war ja gerade in letzter Zeit die Notwendigkeit von drei Staatssekretären im Bundeskanzleramt in Frage gestellt worden.

Ein Hauptgrund, warum gerade jetzt, Anfang Mai, die Familie zum Schwerpunkt der Regierungsarbeit erkoren worden ist, ist die Strafrechtsreform. Die Diskussion über die Fristenlösung und neuerlich sogar über die totale Freigabe des Schwangerschaftsabbruches, macht dem Justizminister und dem Bundeskanzler zu

schaffen. Nicht zuletzt ist es ja die Schwiegertochter des Regierungschefs, Dr. Eva Kreisky, promovierte Juristin, die in der Partei zur Verbreitung des Spruches „Mein Bauch gehört mir“ beigetragen hat. Nun, bevor die SPÖ durch eine starke Pro-

paganda endgültig zur zügellosen „Abtreiberpartei“ gestempelt wird, versucht der Bundeskanzler zu dokumentieren, was gerade die Sozialisten für die Familien tun wollen.

Viele Fragen sind bei der Regierungstagung in der Vorwoche offen geblieben. Aber der Bundeskanzler hatte auch dafür einen Grund parat: das Parlament arbeitet zu langsam. Es gäbe ja genug Regierungsvorlagen, aber die Ausschüsse...

Bei der Linzer Klausurtagung gab es immer noch eine zwei Seiten lange

Liste von Vorhaben, die in der Regierungserklärung angekündigt worden waren und die bisher nicht erledigt sind. Diese Liste ist nicht viel kürzer als die Arbeitsunteriage, die der Bundesregierung im Frühjahr 1972 in Bad Vöslau zur Verfügung stand und genau so lang wie die Liste, die bei der Klausurtagung im Jänner dieses Jahres in Dürnstein durchbesprochen worden ist.

Vom Versprochenen bleibt noch viel zu verwirklichen.

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