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Ein verpatzter Auftritt

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Am Ende des verflixten siebten Jahres der diversen Minder- und Mehr- heits regie rungen Bruno Kreiskys scheinen Bundesregierung und Regierungspartei arg ins Schleudern geraten zu sein. Waren frühere Regierungsklausuren noch gelungene Demonstrationen von Macht, Prunk und Herrlichkeit am Hofe eines Sonnenkönigs, so ähnelte das Treffen in Bad Kleinkirchheim der Zusammenkunft eines Gesangvereins, dessen Mitglieder mit belegten Stimmen zu falschen Noten Wohlklang und Frohsinn verbreiten sollten. Besonders indisponiert zeigten sich dabei die Minister Karl Lütgendorf und Willibald Pahr; Gesundheitsminister Ingrid Leodolter hielt die Tagesform, der Rest machte ohne semen routinierten Dirigenten.

Gedacht war die Regierungsklausur in Bad Kleinkirchheim als glanzvolle Ouvertüre zu einem harten politischen Frühjahr. Insbesondere die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sollte eine glanzvolle Selbstdarstellung erfahren. Finanzminister Hannes Androsch präsentierte ein „Aufschwungprogramm“, das spezielle Maßnahmen zur Förderung der Exporte, der Bauwirtschaft, des Fremdenverkehrs und des Gewerbes enthielt Da und dort hatte dieses „And- rosch-Paket“ einen durchaus mittelstandsfreundlichen Charakter, ein Urteil, das auch für die Einführung eines Zuschusses zur Wohnungsmiete für einkommensarme und kinderreiche Familien durchaus zutreffend ist.

Vorschläge zur Schaffung neuer Lehrstellen sollten laut Klausurregie im Mittelpunkt des „Aufschwungprogramms“ stehen. Tatsächlich versprach Handelsminister Josef Stariba- cher, daß die diversen Einrichtungen der öffentlichen Hand ein besonders großes Angebot an Lehrstellen für die geburtenstarken Jahrgänge zur Verfügung stellen werden. Mit der Wirtschaftskammerorganisation wurde zudem vereinbart, die private Wirb Schaft für die Aufnahme von Lehrlingen besonders zu motivieren. Dem steht freilich die von der Regierung seit langem gehegte Absicht, das Berufsbildungssystem von Grund auf zu ändern, im Wege. Dabei geht es Regierung und ÖGB vor allem darum, den Einfluß des Staates und des Gewerkschaftsbundes auf die Lehrlingsausbildung stark auszudehnen.

In der Bundesrepublik Deutschland scheiterten ähnliche Pläne am allmäh-

liehen Aufkommen einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, von der objektive Beobachter annehmen, daß sie nicht zuletzt auf die radikalen Berufsausbildungspläne zurückzuführen ist. Es bleibt zu hoffen, daß Staribacher in diesem Zusammenhang Ausbildungsdogmen einer durchaus sinnvollen und bewährten Wirklichkeit überordnet.

Bundeskanzler Kreisky weiß am allerbesten, daß mit seiner Partei derzeit nicht viel Staat zu machen ist. Ihre wichtigste Säule, die Wiener SP, befindet sich nach der Bauring- und den Brückenkatastrophen in einem Tief, das an Slavik-Zeiten erinnert In der Meinungsforschung ist nur noch Leopold Gr atz verhältnismäßig gut placiert, doch seine Position ist sowohl von der Organisation und der Stadtrats- und Gemeindefraktion als auch von der Bundes-SPÖ arg bedroht. Wann immer es um Geld für Wien geht, läßt Finanzminister Androsch seinen Rivalen abblitzen; wo immer Doktor Kreisky Gelegenheit findet, seinen Stellvertreter zu desavouieren, also oft, macht er davon reichlich Gebrauch.

In Niederösterreich und der Steiermark herschen in den sozialistischen Landesorganisationen Mittelmaß und Verliererfiguren (Hans Czettel und Adalbert Sebastian), in Oberösterreich wird Rupert Hartl weder mit der eigenen noch mit der ÖVP-Regie- rungspartei fertig. Der neue SPÖ-Chef von Salzburg, Moritz, kommt mit seiner Profilierungskampagne kaum vom Fleck, die harte Oppositionspolitik der Vorarlberger SPÖ wird von den Alemannen nicht goutiert und von Tirols Solcher weiß ganz Innsbruck, daß er kaum den Tag erwarten kann,da er Gesundheitsminister Leodolter beerben darf. Bloß im Burgenland, wo in einem knappen Jahr Landtagswahlen stattfinden, hält Theodor Kery Popularität und seine Mehrheit auch in den Meinungsumfragen.

Die Belastungswelle, eine nun doch schon reichlich altbacken wirkende Regierungspolitik, das notorische Fehlverhalten deplacierter Regierungsmitglieder, Affären um Waffen, Gerichtsurteile und Brücken sind nicht spurlos an der SPÖ und der von ihr allein gestellten Bundesregierung vor eigegangep- Kreięky—wer sonst?!-. - soll auch 1979 SP-Spitzenkandidat im Nationalratswahlkampf sein, ein Faktum, worüber in Bad Kleinkirchheim erst gar nicht diskutiert wurde; eine Aussicht, die freilich auch dem erfolgsgewohnten Bundeskanzler angesichts des Zustandes seiner Partei zu denken geben dürfte.

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