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Die Schüler für die Mitbestimmung ausrüsten

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„Partnerschaft statt Gruppenkampf' war Tenor und Bekenntnis der Schülerkonferenzen, die der Mittelschülerkartellverband (MKV) als größte Schülerorganisation Österreichs im Oktober und November für Schülervertreter veranstaltete. Im Mittelpunkt dieser Aktivitäten standen und stehen nicht die Schule als Institution, die Sozialhierarchie, Gruppenunterschiede oder Heils-utppien, sondern entsprechend der christlichen Weltanschauung, zu der sich der Verband bekennt, der Mensch.

Das Interesse des MKV - seine Aktivität zählt 17.500 Mitglieder unter 25 Jahren - liegt beim einzelnen Schüler, bei dessen persönlichen Schwierigkeiten mit der Umwelt, vor allem der Schule, seiner Selbstfindung und Selbstentfaltung und seiner Teilnahme an politischen Prozessen. Seine primären Ziele als Verband liegen in der Gemeinschaft und Freundschaft junger Menschen, die im aktiven Verbindungsleben zum Ausdruck kommen sollen. Daher existieren auch keine Abgrenzungsprobleme zur „Union Höherer Schüler (UHS)“, der ÖVP-nahen Schülervertretungsorganisation, die natürlich auch Mädchen offensteht.

Die Serie der vier Schülerkonferenzen war der Mitbestimmung der Schüler, dem Zentralthema jeglicher politischen Arbeit an den Schulen gewidmet. Mehr als 200 Schülervertreter nahmen in Wien, Graz und Salzburg an diesen Treffen teil, die einen doppelten Zweck erfüllten: Sie boten den Teilnehmern - MKV-nahe Schülervertreter aus dem gesamten Bundesgebiet - Information über die Durchführung des Schulunterrichtsgesetzes. Die Veranstalter erhielten eine Rückkoppelung ihrer Aktivitäten für die Schüler und in der Öffentlichkeit. Bildungspolitische Referate und Debatten sollten die Weichen für die Lösung längerfristiger Probleme stellen. „Partnerschaft

statt Gruppenkampf', der Slogan für die Anfang Dezember geplante Abschlußkonferenz, ist zugleich Geisteshaltung und Lösungsmodell des MKV für schulpolitische Kontroversen.

Die vom MKV bejahte Mitbestimmung soll dem Trend entgegenwirken, alles Mühsame dem Staat zu delegieren, der dem einzelnen dann Verantwortung wie Entscheidung abnimmt und ihn in eine Position zwangsweiser Lenkbarkeit und Abhängigkeit führt. Kartellsenior Günther Ofner sieht die Mitbestimmung in der Schule als Vorbereitung der jungen Menschen auf Rechte, Pflichten und Verantwortung als Staatsbürger, aber auch auf mögliche Gefahren: „Mitbestimmung darf keine Beschäftigungstherapie zur Kanalisierung von Kraft und Einsatz sein. Bei der Festlegung des Mitentscheidungsausmaßes ist der Kompetenz und Fachkenntnis der Betroffenen Rechnung zu tragen.“

Mitbestimmung bedeutet für den MKV aber auch Mitverantwortung. Wer sie übernimmt, muß die möglichen Konsequenzen der verschiedenen möglichen Entscheidungen absehen können. Die in diesem Zu-

sammenhang angestrebte Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Mündigkeit versteht Ofner nicht als ein Sich-treiben-Lassen, als ein Handeln nach dem Instinkt oder irgendwelchen Einflüssen, sondern das zu tun, was als richtig erkannt wird.

Entscheidend für diese Erkenntnis ist für den MKV die Familie mit ihren nicht delegierbaren Aufgaben der sozialen und emotionalen Erziehung des Heranwachsenden und der Vermittlung von Werten. Elternrechte müssen vor der staatlichen Allmacht im Schulbereich Priorität genießen.

Neben der Behandlung rein schulpolitischer Fragen wird sich der MKV im nächsten Jahr verstärkt dem Problemkreis „Humane Schule“ zuwenden, der Durchleuchtung des Arbeitsplatzes des Schülers. Den Anstoß dazu hat die hohe Selbstmordrate unter Schülern gegeben. 1977 wurden 300 Selbstmorde von Jugendlichen unter 25 Jahren registriert, ihre Zahl steigt von Jahr zu Jahr an.

Über die Grenzen Österreichs hinweg zielt die MKV-Aktion „Schüler helfen Schülern“, die Bücher für Südtiroler Jugendliche sammelt, gute Belletristik, Sachbücher und nicht mehr gebrauchte Schulbücher. Durch den Kursverfall der italienischen Lira im Verhältnis zu Mark und Schilling sind für Südtiroler Schüler und Jugendliche deutschsprachige Bücher und Unterrichtsmittel fast unerschwinglich geworden. Einen -wenn vielleicht unbewußten - erzieherischen Nebeneffekt hat diese „So-lidaritäts- und Hilfsaktion“: die Gratisschulbücher werden nach Gebrauch nicht sofort weggeworfen oder durch unachtsames Verhalten unbrauchbar gemacht, sondern ihrem geistigen und materiellen Wert entsprechend behandelt und einem vernünftigen Endzweck zugeführt. Den österreichischen Schülern wird der Begriff „Solidarität“ praktisch vor Augen geführt.

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