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Sprengstoff vom MKV
Die jüngste Umfrage des Mittelschüler-Kartellverbandes (MKV), zwei Tage nach Schulbeginn und einen Tag nach dem TV-Schul„Kreuzverhör" veröffentlicht, hat wieder einmal für reichlich frischen Brennstoff gesorgt, um das heiße Eisen Schulreform weiter glühend zu erhalten.
Läßt man einmal die gegenüber allen Umfragen berechtigte (und hier naturgemäß von der SPÖ deutlich geäußerte) Skepsis beiseite, sprechen die Ergebnisse eine mehr als klare Sprache. Die im Juni 1980 an alle Schulsprecher der höheren Schulen Österreichs gerichtete Umfrage brachte immerhin eine Rücklaufquote von 57 Prozent und zum Teil noch schärfere Kritik an der sozialistischen Bildungspolitik als die letzte M KV-Umfrage vom Winter 1977/78 (in der Folge in Klammer die Vergleichszahlen der vorigen Umfrage).
So treten beispielsweise nur mehr 11,7 (13,5) Prozent der Schulsprecher für die Einführung der integrierten Gesamtschule ein, nur mehr 1,6 (6,8) Prozent befürworten eine generelle Einführung der Ganztagsschule und nur 15,2 (21,1) Prozent wollen an ihrer Schule die Fünf-Tage-Woche eingeführt sehen.
Leicht geschwächt scheint die Position des Religionsunterrichts (siehe auch nebenstehenden Beitrag): Nur mehr 43,4 (53,3) Prozent wollen ihn weiter in der bisherigen Form, 50,0 (44,1) Prozent halten ihn für reformbedürftig und 3,5 (2,2) Prozent plädieren für seine völlige Abschaffung. Für die Abschaffung von Latein treten 13,3 Prozent, für die ersatzlose Streichung der Matura 11,7 Prozent ein (keine Vergleichszahlen vorhanden), man fordert allerdings Reformen, vor allem mehr Praxisbezogenheit bei der Matura.
Die Schulbuchaktion hält eine klare Mehrheit für zu teuer und meint, einige Bücher könnten weiterverwendet werden. Immerhin wußten91,8 (89,7) Prozent von mindestens einem angeschafften Schulbuch, das im Unterricht im ganzen Schuljahr überhaupt nicht verwendet wurde.
Vier Fünftel sehen zwar in der No-tengebung die Ursache vieler Schulkonflikte, aber nur 8,6 (25,6) Prozent sind für die Abschaffung der Noten. Anmerkung: Fast zwei Drittel wünschen ein Mitbestimmungsrecht der Schüler bei der Benotung.
Was liegt den Schülern sonst noch deutlich am Herzen? Zum Beispiel, daß man in der Schule zu wenig für die Praxis lernt, daß zuviel Detailwissen verlangt wird, daß außerhalb des Unterrichts zu wenig Kontakt mit den Lehrern vorhanden ist, daß sich seit dem Schulunterrichtsgesetz das Klima zwischen Lehrern, Schülern und Eltern nicht verbessert hat, daß die Schülervertretung kaum wirksam werden kann, daß es mehr Verbreitungsbeschränkungen für Schülerzeitungen (die deutlich zugenommen haben) als bisher gibt. Wo bleibt die „innere" Schulreform?
Besorgniserregend sind auch die Symptome von Politikverdrossenheit. Zwar sind die wichtigen Schüler- und Jugendorganisationen bekannter als vor drei Jahren, doch unter den Schulsprechern sind nur mehr 19,9 (23,1) Prozent politisch organisiert. Die Bereitschaft, einer Schüler- oder Jugendorganisation beizutreten, hat deutlich -besonders unter Mädchen und an AHS - abgenommen.
Daß zugleich kritisiert wird, die Schule biete zu wenig politische Bildung, läßt wohl nur folgende Formel zu: Politik ja, Parteien nein!
Und das ist der Punkt, wo alle Parteien, auch wenn ihnen die Ergebnisse zu Schulorganisationsfragen behagen mögen, sehr, sehr nachdenklich werden müßten.
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