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Offenheit und Mut!

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Ich könnte nicht sagen, daß ich unsere Salzburger Studenten als „eine ratlose, freudlose Masse“ empfinde, was von Münchner Studenten in einer deutschen Zeitung behauptet wurde. Aber auch mir fällt zuneh-

mena ein resigna- tiv-mißtrauischer Grundton auf.

Ich erinnere an einige Symptome. Die Berufsaussichten der Studenten haben sich bekanntlich verändert. Auch wenn ich grundsätzlich die Meinung teile, daß mit keiner „Akademikerschwemme“ zu rechnen sei, kann man es dem Rektor einer Universität, an der zu einem hohen Grad Lehramtsstudien betrieben werden, nicht verargen, wenn er an eine Diskussion erinnert, bei der sich ergab, in den kommenden sechs Jahren sei mit 3500 bis 4000 Lehramtsabsolventen zu rechnen, für die nach dem derzeitigen Standard keine Schulposten zur Verfügung stehen.

Sicher hilft die Forderung und Förderung von Mobilität - bei gutem Willen aller Beteiligten wird man für die derzeitigen Studenten zumutbare Arbeitsplätze, die ihrer Ausbildung entsprechen, finden. Zugegeben, die sich ändernden Berufschancen werden sich im Bereich der mittleren und höheren Schulen durchsprechen. Auf der anderen

Seite ist bei Absolventen der Mittelschulen ein gelegentlich nahezu „irrationaler“ Drang zum Studium nicht wegzuleugnen. Studenten, auf die Berufsaussichten angesprochen, meinen resignierend, dann kann man eben das studieren, was einen freut, • -ohne an die Berufsaussichten denken zu müssen. Andere reagieren mit Resignation. Auch das Problem der Drop-outs (frühzeitige Studienabbrecher) kann damit Zusammenhängen. Anderp versuchen es wieder anders herum. Allbekannt und zum Teil übertrieben ist die hochschulpolitische und andere Inaktivität so vieler Studenten, die sich besonders deutlich bei Wahlen und bei der Beobachtung der Basisarbeit feststellen läßt. Ein mir eher unerwünschtes Reagieren ist der oft genug bestätigte gestiegene Konkurrenzkampf unter Studenten.

In einer Zeit sich mindernder Berufschancen gewinnt das Studium als Bildungschance einen ganz spezifischen Wert. Ich meine mich nicht zu täuschen, wenn Studierende in der allgemein menschlichen Reifung hinter anderen zeitlich Zurückbleiben. Ich bin allerdings der Überzeugung, daß gerade wir an den Universitäten die Chance haben, Bildung als Reifungschance zu üben. Wir dienen als Wissenschafter nicht der Wissenschaft, sondern durch die Wissenschaft den Menschen. Das muß sich zuerst an denen erweisen, die zu uns kommen, um in die Wissenschaft eingeführt zu werden. Ich halte nichts davon, durch Tatarennachrichten junge Menschen vom Studium äbzuschrecken, vor allem, wenn sie gar keine ordentliche Alternative für ein zumutbares Berufsleben aufgewiesen erhalten. Ich glaube auch, daß die öffentliche Einschätzung der Drop-outs geändert werden muß. Es ist eine effektive und gute Chance, eine Zeitlang an der Universität gewesen zu sein. Ein Drop-out ist keineswegs als gescheitert einzuschätzen. Was täte Salzburg, wäre nicht der Drop-out Leopold Mozart gewesen!

Auch einige typische Probleme von Studentinnen müssen erwähnt werden. Zu den Symptomen der Resignation zählt für mich, wenn ich gelegentlich von Studentinnen - übrigens ausgezeichneten, menschlich erfreulichen - fast gleichlautend die Meinung gehört habe: „Ich möchte keine Kinder, sie werden ja doch nicht glücklich.“ Welche Resignation in einem artikulationsfähigen Teil unserer jungen Gesellschaft!

Damit zu einem anderen Problem, dem der Studentenkinder. Allein an meiner Fakultät sind im letzten Jahr acht Babys von Studentinnen zu verzeichnen. Ich halte in diesem Zusammenhang nicht viel vom Moralisieren - es gilt, zu helfen. Studienabbruch ist für mich nicht das geeignete Mittel frustrierte Mütter sind meines Erachtens keine guten Mütter. Gerade die erwähnten acht Babys in meinem unmittelbaren Lebensbereich haben mir gezeigt, daß man bei entsprechender Bereitschaft zu gemeinsamem Zusammenwirken sehr wohl die betroffenen Studenten im Studium halten kann. Man muß freilich Studentenehepaare genügend menschlich fördern, damit sie die Mehrbelastungen bewältigen können.

All das muß man zur Kenntnis nehmen, man soll und muß darüber reden. Wichtig ist für mich, was mąn jetzt tun soll, um weiterzukommen. Ich empfehle dazu eine Haltung, die der neutestamentlichen Parrhesia entspricht: Förderung von Offenheit, Mut, Zuversicht, Redebereitschaft, Hörbereitschaft.

(Auszug aus der Inaugurationsrede des neuen Rektors der Universität Salzburg, Professor für Bibelwissenschaft des Neuen Testamentes DDr. Wolfgang Beilner, über das Thema „Parrhesia“.)

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