Mit Exzellenz geht's leichter

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Neue Eliten braucht das Land? Im Bereich der Wirtschaft bilden sich bereits an den Unis so genannte Exzellenz-Initiativen um "High Potentials" zu fördern.

Im holzgetäfelten Stüberl wird an diesem Abend getrunken und gelacht wie in den anderen Grazer Innenstadtlokalen auch. Auf den Tischen stehen Biergläser aufgereiht. Die Feierabendgemütlichkeit erlischt jedoch mit einem Schlag, als der dreißigjährige Mann aufsteht und von seiner Arbeit zu erzählen beginnt. Alexander Krauser ist beim größten österreichischen Schuhhandelsunternehmen als Projektmanager für den Einkauf zuständig. Gespannt hängen zwei Dutzend junge Leute an seinen Lippen, als er die Einkaufswege des Konzerns erläutert. Immer wieder unterbrechen sie seinen Vortrag mit kritischen Zwischenfragen. Nach zwei Stunden haben sie viel über die Schuherzeugung in China, die Tücken des "Supply Chain Management" (Optimierung der Logistikkette) und die Positionierung von Markenartikeln erfahren. "Das Kamingespräch war ein Erfolg", strahlt Patrick Zirngast. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am "Institut für Unternehmensrechnung und Controlling" der Universität Graz koordiniert die Aktivitäten des Studentenförderungsvereins "Cercle of Excellence". "Unser Ziel ist die Förderung von begabten, leistungsfähigen Studenten. Dabei wollen wir sie auch mit führenden Wirtschaftsvertretern zusammenbringen", erläutert er. Wer an der Exzellenzinitiative teilnehmen möchte, muss ausgezeichnete Studienergebnisse vorlegen, sich gesellschaftlich engagieren und Auslandsaufenthalte vorweisen können. "Wir suchen aber nicht die geistigen Überflieger, die das Doktorat in Mindeststudiendauer schaffen", sagt Zirngast. Viel wichtiger seien Offenheit, Lernbereitschaft und Teamfähigkeit. "Am Ende ist entscheidend, wer zur Gruppe passt." Den 20 Teilnehmern, die jedes Jahr mitmachen dürfen, stehen Möglichkeiten zur Verfügung, von denen andere Studenten nur träumen können: intensives Persönlichkeits-Coaching, Training für Bewerbungsgespräche, Workshops mit renommierten Unternehmen, Kontakte zum exklusiven Alumni-Netzwerk. Ein Elite-Rekrutierungsverein sei der "Cercle of Excellence" aber keineswegs, so Zirngast. Das Wort Elite würde er am liebsten gar nicht in den Mund nehmen.

Reiche unter sich

Auf so viel Distanz zum Elite-Begriff ist Julia Friedrichs bei ihren Begegnungen mit angehenden High Potentials selten gestoßen. Viel häufiger traf sie auf schnöselhaften Dünkel und abgehobene Arroganz. In ihrem Buch "Gestatten: Elite. Auf der Spur der Mächtigen von morgen" beschreibt die junge deutsche Journalistin das Ergebnis ihrer Expedition zu den Eliteproduktionsstätten, die in Deutschland aus dem Boden schießen, seit der Ruf nach Eliten wieder laut erschallen darf. Die junge Wirtschaftselite meidet die überlaufenen Massenuniversitäten und geht ihren Studien in kleinen, teuren Privathochschulen nach. Friedrichs Feldforschung in die abgeschottete Parallelwelt der Reichen und Mächtigen führte sie auch in die Eliteinternate und in die Luxuskindergärten, die tausend Euro im Monat kosten und für die Dreijährigen neben Fremdsprachenunterricht auch einen Wellnessbereich mit Sauna anbieten. Wie Friedrichs anschaulich demonstriert, zeichnet die teuren Privathochschulen nicht unbedingt wissenschaftliche Exzellenz aus. Bewerber, die den erforderlichen Notendurchschnitt von 2,6 beim Aufnahmetest an der "European Business School" in Oestrich-Winkel im ersten Anlauf nicht schaffen, dürfen es auch ein zweites Mal versuchen. Wichtig ist bloß, dass man die 40.000 Euro Studiengebühr bezahlen kann. Friedrichs hat ausgerechnet, dass bis zum Abschluss eines Master-Studiums Kosten von insgesamt 80.000 Euro anfallen. Ihre Schlussfolgerung: Hier studieren nicht die Besten, sondern die Reichsten.

Lanze brechen

Während Friedrichs die problematischen Seiten dieser "Elitisierung" betont, bricht die deutsche Publizistin Heike Schmoll in ihrem Buch "Lob der Elite" eine Lanze für die Eliten. Was Schmoll bietet, ist eine Elitengeschichte von der Antike bis in die Gegenwart. Elite ist für sie weniger eine soziale Position als eine Art des Denkens und eine Lebenseinstellung. Echte Eliten zeichnen sich nach Schmoll durch unabhängiges Denken und ein hohes Leistungsethos aus. Eliten seien gerade in demokratischen Gesellschaften notwendig. In schwierigen Umbruchssituationen behalten sie den Blick für das Wichtige im Auge und haben den Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Privilegien der Eliten würden vom Rest der Bevölkerung akzeptiert, so lange alle von deren Leistungen profitieren. Eliten könne man aber nicht an Elite-Hochschulen und mittels Exzellenz-Initiativen aus dem Boden stampfen. Dementsprechend scharf kritisiert sie alle Bestrebungen, die in dieser Hinsicht unternommen werden.

Mit der Entscheidung für das Spitzenforschungszentrum "I.S.T-Austria" in Maria Gugging sprang auch Österreich auf den Elite-Zug auf. Die Elite-Universität werde den "Braindrain" aus Österreich verhindern und internationale Spitzenwissenschafter anlocken, so hoffen die Projektbefürworter. Lautstarke Kritik hatte das Unternehmen aber von Beginn an begleitet. Viele befürchten, dass das Geld, das in die Elite-Uni fließt, den anderen Universitäten fehlen wird. Kritisiert wurde auch die Orientierung an kurzfristiger wirtschaftlicher Verwertbarkeit. "Wissenschaftliches Kapital ist Risikokapital", sagt der Philosoph Gerhard Fröhlich von der Universität Linz. "Wir wissen heute nicht, was wir in 50 Jahren brauchen werden. Das wird die Nachwelt bewerten." Das Nachahmen ausländischer Forschungseinrichtungen führe bloß zu schlechten Kopien des Vorhandenen und garantiere keineswegs wissenschaftliche Exzellenz.

Der Ruf nach Elite-Universitäten lässt sich auch als Reaktion auf die Krise der Massenuniversitäten auffassen. Eine andere Antwort auf diese Krise sind Exzellenzinitiativen wie der "Cerlce of Excellence". Die erste Exzellenzinitiative wurde in Österreich schon 1989 an der Wirtschaftsuniversität Wien mit dem "Center of Excellence" begonnen. "Der Zeitpunkt war günstig. Die politischen Vorbehalte gegen den Begriff Elite sind damals schwächer geworden", erinnert sich Initiator Oskar Grün, mittlerweile emeritierter Vorstand des Instituts für Organisation und Materialwirtschaft. "Wir haben 1500 Absolventen pro Jahr. Es fehlen uns die Ressourcen, um alle so zu fördern, wie wir es gerne tun würden. Also musste etwas geschehen, um der Meinung, wo Masse ist, kann keine Qualität sein, zu entgehen", erläutert er. Am zwei Jahre dauernden Exzellenz-Programm dürfen die 60 Studenten mit dem besten Notendurchschnitt eines Jahrgangs teilnehmen. "Im Grunde machen wir dabei etwas ganz Schlichtes", sagt Oskar Grün, "wir bringen die jungen Menschen mit exzellenten Persönlichkeiten und Institutionen zusammen."

Nach Talenten angeln

Davon profitiert unter anderem die Wirtschaft. Große Unternehmen, insbesondere Consultingfirmen, angeln in den Talente-Pools gern nach Topabsolventen. "Sehr viele unserer neuen Mitarbeiter kommen aus solchen Gruppen", bestätigt Harald Dutzler, für Recruiting in Österreich verantwortlicher Principal des Strategie- und Technologieberatungsunternehmens "Booz Allen Hamilton". Oft verabschieden sich die "Rohdiamanten" aus dem aufreibenden Consultinggeschäft, sobald sie den letzten Schliff erhalten haben. Ihre Erfahrung öffnet ihnen die Türen zu Führungspositionen in anderen Unternehmen. Exzellenzinitiativen sind also wichtige Stufen auf dem Weg nach oben. Den Teilnehmern verschaffen sie Startvorteile im Rennen um Geld und Macht. Auch wenn keinerlei Elite-Kult betrieben wird.

GESTATTEN: ELITE Auf den Spuren der Mächtigen von morgen. Von Julia Friedrichs. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008. 255 Seiten, geb., € 18,50

LOB DER ELITE Warum wir sie brauchen. Von Heike Schmoll. C.H Beck Verlag, München 2008. 173 Seiten, geb., € 18,40

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