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Michael Hartmann, Soziologe und Elitenforscher an der TU Darmstadt, spricht mit der Furche über sozialen Folgen von Eliteunis.

Die Furche: Der Begriff "Elite" gehört mittlerweile zum alltäglichen Brot in der Diskussion um die Zukunft der Universitäten. Was impliziert dieser Begriff?

Michael Hartmann: Das grundlegende Problem sehe ich darin, dass Elite im Kern immer synonym gesetzt wird mit Spitzenleistung. Die Zugehörigkeit zur Elite erklärt sich aber nicht vorwiegend durch die individuell erbrachten Leistungen, sondern sie hat auch sehr viel mit Herkunft zu tun. Die Elite rekrutiert sich in der Regel mehrheitlich aus den Angehörigen der oberen gesellschaftlichen Klassen und bildet so ein Netz stabiler sozialer Beziehungen. Man darf auch den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungskarrieren nicht aus der Diskussion weglassen.

Die Furche: Welche sozialen Folgen bringt ein Dualismus im Bildungssystem mit sich?

Hartmann: Es entsteht ein mehr oder weniger geschlossener Kreislauf. Die Gemeinsamkeit der Elitebildungssysteme Frankreichs, Großbritanniens und der usa ist die höchst selektive Auswahl und Ausbildung der zukünftigen Eliten der jeweiligen Länder. In den Grandes Écoles in Frankreich, zum Beispiel, stammen rund 90 Prozent der Studierenden aus den oberen zehn Prozent der Gesellschaft. Die Absolventen dieser Elite-Hochschulen besetzen gut 70 Prozent der Spitzenpositionen in der Wirtschaft. In der Politik und hohen Verwaltung kommen zwei Drittel von der ena (École Normale d'Administration). Das ist eine ungeheure Konzentration von Macht bei den Absolventen dieser sehr kleinen Institutionen. Außerdem ist auch bemerkenswert, dass gut ein Drittel der Ausgaben für den Hochschulsektor in die Ausbildung von knapp drei Prozent der Studierende investiert wird.

Dieselben Rekrutierungsmechanismen sind in Großbritannien erkennbar. Drei Viertel der Spitzenmanager und der Richter, zum Beispiel, stammen aus den renommierten Privatschulen, den Public Schools, die für die Durchschnittsbevölkerung kaum zugänglich sind. Von Margaret Thatcher eingerichtete Stipendien haben völlig versagt: sie dienten zur Unterstützung von Familien, die wegen persönlicher Schicksalsschläge ihr früheres gesellschaftliches Niveau nicht halten konnten und nicht, wie beabsichtigt, der Förderung von Schülern aus minder bemittelten Gesellschaftsschichten

In den usa sind weniger die Privatschulen als die privaten Eliteuniversitäten ausschlaggebend für den Zugang zu gesellschaftlichen Führungspositionen. Auch hier ist die soziale Selektion deutlich erkennbar: vier Fünftel der Studenten stammen aus den oberen 20 Prozent der US-Gesellschaft. Für diese Selektion sind abgesehen von den Kosten des Studiums, die sich auf bis zu 50.000 Dollar im Jahr belaufen, auch gewisse auf die Persönlichkeit ausgerichtete Aufnahmekriterien ausschlaggebend

Die Furche: Wie sehen diese aus?

Hartmann: Das sind vor allem Auswahlgespräche, die mittlerweile auch in Deutschland praktiziert werden. Ein sehr offensichtliches Beispiel für die sozial gebundenen Kriterien - von der Politikwissenschaft in Darmstadt - ist die Frage, welche ausländischen Zeitungen der Kandidat von zu Hause kennt und liest. Oft wird einfach das Auftreten bewertet. Diese Mechanismen sind mir auch aus der deutschen Wirtschaft bekannt: Ähnlichkeit schafft Sympathie. So schließt sich der Kreis.

Das Gespräch führte Veronika Thiel.

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