Das Ringen um den roten weg

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Die SPÖ gerät durch die Wirtschaftskrise in einen Richtungsstreit. Sollen die alten Ideale der linken Vorzeit auferstehen und als Reichensteuer Wirklichkeit werden? Eine Zerreißprobe.

Als die Sozialdemokratie noch Sozialismus hieß und die Altvorderen noch das Sagen hatten, war vieles noch im linken Lot - und unumstritten: "Die Sozialdemokratie fordert die Demokratisierung des Steuerwesens: Abbau der Verbrauchssteuern auf notwendigen Massenverbrauch, Ausbau progressiver Einkommens-, Vermögens-, Erbschafts- und Luxussteuern. Höhere Besteuerung des Einkommens aus Besitz als des Einkommens aus eigener Arbeit."

Diese Worte schmücken das "Linzer Programm" der Sozialisten aus dem November 1926, geschrieben wurden sie von Otto Bauer und Karl Renner inmitten der Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Mehr als 80 Jahre später - auch jetzt in der Wirtschaftskrise - droht ein ähnliches Ansinnen, die SPÖ in eine Zerreißprobe zu treiben. Diesmal sind es der steirische Landeshauptmann Franz Voves und der Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer, die die roten Wegmarken setzen. Ein 20 Seiten umfassendes Papier mit dem Titel "New" fordert im neuen Gewand, was im Grunde schon 1926 Programm war: soziale Gerechtigkeit, Umverteilung und Reichensteuer, dazu noch eine Re-Verstaatlichung von gemeinnützigen Dienstleistern (Details auf Seite 5). Bis zu 4 Milliarden Euro könne man allein schon lukrieren, indem man Geld- und Sachvermögen nicht mit 0,1 Prozent, sondern mit OECD-üblichen 0,4 Prozent besteuere.

Voves und Marterbauer stellten das Papier heute, Donnerstag, offiziell vor. Doch schon vor zwei Wochen eröffnete der Landeshauptmann die Offensive mit deftigen Botschaften an Kanzler Werner Faymann: "Jetzt ist Schluss mit lustig. Jetzt geht es darum, wie sich die SPÖ in der Regierung durchsetzt." Die SPÖ auf dem Weg in einen neuen Klassenkampf - oder in eine Schlacht der ideologischen Flügel? Oder doch nur "Kernöl-Sozialismus" (Wirtschafts-Publizist Christian Ortner)?

Faymann in der Zwickmühle

Der Kanzler und sein Regierungsteam versuchten zunächst erfolglos, die Debatte wieder einzufangen: "Kommt nicht in Frage, das steht nicht im Koalitionsabkommen. Das wäre eine Steuer gegen Häuslbauer." (Faymann am 7. April). Doch mit sich verschärfender Debatte ließ man sich dann doch zu dem Versprechen hinreißen, "die Steuerkommission wird sich das anschauen" (Faymann, 14. April).

Dass dieses matte Zugeständnis den Linken in der SPÖ genug sein wird, ist auszuschließen. Angesichts der Krise hat die Parteibasis die Schuldigen längst in den Chefsesseln des Kapitalismus ausgemacht. Und hämisch kommentiert die Basis auf den Internetplattformen Rotglut, Rotdorn oder Linksnet, wie in Frankreich und England Manager bedroht, beschimpft und belagert werden.

So sind die steirischen Genossen denn auch wild entschlossen, ihre Vorschläge den höchsten Parteigremien vorzulegen. Kurt Flecker, SP-Soziallandesrat, sagt: "Unser Programm wird im Bundesparteivorstand eine satte Mehrheit bekommen. Dann kann die Regierung nicht mehr daran vorbei." (Siehe Interview rechts.) Zum anderen finden sich immer mehr Parteimitglieder, die das wiedergefundene soziale Gewissen der SPÖ mittragen wollen. Oberösterreichs Soziallandesrat Josef Ackerl ist für die Vermögenssteuer, ebenso wie führende Gewerkschaftsvertreter. Rudolf Kaske, Chef der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida: "Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit stellt sich und ist von der Regierung in den kommenden ein bis zwei Jahren zu beantworten."

Auf Faymanns Seite bringen sich prominente Funktionäre in Stellung, wie Altkanzler Franz Vranitzky oder Hannes Androsch. Vranitzky wendet sich strikt gegen jede Re-Verstaatlichung, Androsch wettert gegen die Steuerpläne als eine "verfehlte Debatte zum Nachteil des Wirtschaftsstandorts".

Doch das beeindruckt die reformfreudigen Kräfte in der SPÖ wenig. Gewerkschafter Kaske will sich etwa "von Androsch nicht das Nachdenken verbieten lassen". Wilhelm Haberzettl, Chef aller SP-Gewerkschafter, ebenso wenig: "Es ist nicht einzusehen, dass die Arbeitnehmer mit ihrem Einkommen den Großteil der Hilfspakete zahlen müssen."

Auch auf eine vorübergehende Entschärfung darf der Kanzler nicht hoffen. In Oberösterreich, der Steiermark und Wien stehen Landtagswahlen vor der Tür. "Je näher die Wahlen rücken, desto populistischer werden die Töne der SP-Politiker werden", sagt der Politologe Thomas Hofer. Ihn erinnern die Vorgänge frappant an ein altbekanntes Geschehen: "Faymann befindet sich zunehmend in der gleichen Lage wie Alfred Gusenbauer. Es geht darum, wie viele sozialdemokratischen Ideale in der Regierung umgesetzt werden können." Hofers Kollege Peter Filzmaier sieht die SPÖ im "Dilemma zwischen Theorie und Praxis". Denn einerseits seien Wirtschaftskrise und Kampf um den Arbeitsplatz ein klares Thema für die SPÖ. Doch andererseits: "Was kann die Regierung eines kleinen Landes gegen eine einbrechende Weltwirtschaft tun? Sie kann also in ihrer Funktion als regierende Partei nicht punkten."

ÖVP beunruhigt

So massiv ist die Diskussion in der SPÖ, dass sich nun auch Koalitionspartner ÖVP um das Wohl der Regierung zu sorgen beginnt. Generalsekretär Fritz Kaltenegger zieht gegen die "üblichen Heckenschützen" zu Felde, während sein Parteichef Josef Pröll eine "absolut unglückliche, kontraproduktive Diskussion" ortet. Aber selbst damit kann Pröll nun nicht mehr punkten. Im Gegenteil. Schon beginnen sich Teile des schwarzen ÖAAB für die "Reichensteuer" stark zu machen, und selbst unter Experten sind keine Gegenstimmen zu vernehmen. Der Politologe Emmerich Talos meint gegenüber Ö1 sogar, eine Vermögenssteuer sei "notwendig". Die Zahlen sprächen für eine solche Steuer, so Talos: Nur fünf Prozent der Steuern würden in Österreich aus Vermögen lukriert, 90 Prozent dagegen aus Arbeit.

Unbestritten scheint, dass zumindest für die SPÖ die Zeit drängt. Denn das Duell lautet nicht Voves gegen Faymann, da sind sich die Politologen Hofer und Filzmaier sicher: Der eigentliche Gegner erwartet die SPÖ am Wahltag, und er wird gewinnen, solange es nur "gegen die da oben" geht: die FPÖ.

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