Der Kandidat des Boulevards

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Der Wiener Sozialdemokrat Werner Faymann schafft eine weitere Karrierestufe an die Spitze der SPÖ. Dabei gilt er vielen als Mann ohne Eigenschaften.

Er ist sehr smart, sagen die einen. Er ist ein sehr gescheiter Kerl, sagen die Nächsten. Und sie meinen Werner Faymann, 48 Jahre alt, einen Sozialdemokraten der alten Wiener Schule: Unaufgeregt, wirksam, bescheiden, aber bedingungslos loyal. Und so einen wollen die Sozialdemokraten wieder an ihrer Spitze: Einen, der nicht alleine alles und schon gar nicht mehr sein will als die Partei. Sie wird ihn kriegen, diesen Vorsitzenden. Die 648 Delegierten zum Bundesparteitag der SPÖ am 9. und 10. Oktober 2008 in Graz wissen seit dieser Woche, was sie dort zu tun haben: Werner Faymann zum unspektakulären Vorsitzenden zu wählen, um damit den amtierenden Parteichef und Noch-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer nach Eskapaden und Misserfolgen abzulösen. Ob Faymann jedoch das bringt, was sich die SPÖ erhofft, nämlich Wähler, bleibt vorerst fraglich. Denn bisher hat Faymann seine tatsächlich enorme politische Karriere vor allem seiner brillanten Technik im Umgang mit Macht und Medien zu verdanken. Er gilt daher auch als Kandidat des Boulevards.

Weder Faymann noch der Herausgeber der Kronen Zeitung, Hans Dichand, äußern sich über ihre Beziehung. Aber sie haben nie dementiert, mehr als gut bekannt miteinander zu sein.

Kolumne in der "Krone"

Faymann, zuletzt 13 Jahre lang Wohnbau-Stadtrat in Wien, hatte in der Kronen Zeitung eine eigene Kolumne: "Der direkte Draht zum Stadtrat". Und als Verkehrsminister schien er auf den Bahn-Doppelseiten in der Kronen Zeitung auf: "Sie fragen - der Minister antwortet". Eine kausale Beziehung zwischen den Inseraten von Wien Wohnen des Stadtrates Faymann sowie der Bahn des Verkehrsministers Faymann einerseits und der Kronen Zeitung andererseits wurde oft behauptet, aber nie bewiesen. Sicher hingegen ist da schon dreierlei.

Werner Faymann ist in der Politik nach innen enorm effektiv, nach außen sehr populär und hinsichtlich der Massenmedien bestens informiert und eingestellt.

In der Koalition von Rot-Schwarz weiß man: Faymann ist für Medienauftritte bestens ausgebildet. Er lässt die Medien täglich analysieren, lässt regelmäßig abtesten, welche Themen Land und Leute bewegen. Da wird dann klar, weswegen er intensive Journalistenkontakte meidet, bei Interviews zurückhaltend ist, in der Koalition intensiv und konstruktiv arbeitet, dafür aber auch den Fast-Populisten abgibt, wie die Beispiele zeigen.

Der Semmering-Tunnel war sein Meisterstück. Das Projekt ist seit Jahrzehnten umstritten: Die Steiermark will den Eisenbahntunnel für die Südstrecke, Niederösterreich lehnt ihn ab. Das Thema spaltet die ÖVP, doch Faymann machte, was er in Wien bei seinem politischen Ziehvater, Bürgermeister Michael Häupl, gelernt hat: Mit den Betroffenen reden, bis es eine Lösung gibt. Das schaffte Faymann mit LH Pröll, der Tunnel kriegt eine neu Trasse, Niederösterreich ist dafür. Ähnlich verfuhr Faymann mit Bahnstrecken in Kärnten, Bahnhöfen in den Bundesländern. Doch wer so viel in Büros sitzt, will und muss dann in die Zeitung. Das schafft Faymann, indem er etwa der unpopulären Aktion "Licht am Tag" für Autos den politischen Strom abdreht, Trunkenheit und Raserei bekämpft, zugleich dafür sorgt, dass während der Fußball-Eropameisterschaft in Österreich Fähnchen an den Autos befestigt werden dürfen. Bei so viel populären Maßnahmen fallen die unpopulären offenbar nicht mehr ins Gewicht, etwa die enorm teuren Ablösen der Vorstände der Autobahngesellschaft Asfinag oder der Bundesbahn. Ganz im Gegenteil: Alle fragen sich, wie macht er das, der Faymann.

Ein Mann, ein Vorbild

Faymann hat sich geradezu bedingungslos seiner Partei und der Politik verschrieben. Mit 21 Jahren wurde er Landesvorsitzender der Sozialistischen Jugend in Wien, mit 25 Jahren Mitglied des Wiener Gemeinderates, mit 34 Jahren - und einem endgültig nicht abgeschlossenen Jus-Studium - Stadtrat. Kennzeichen: Keine aufwändige Lebensführung, keine teuren oder spektakulären Hobbys (außer Skifahren und Tourengehen), keine abendlichen Ausflüge wie Kollege Erwin Buchinger, sondern ein geordnetes Privatleben, in zweiter Ehe verheiratet mit der Wiener Gemeinderätin Martina Ludwig, und zwei Kinder. Solche Gerechten liebt der Boulevard.

Für seine Bahnprojekte bekam Faymann immer große Artikel in der Kronen Zeitung und in Österreich. Die beiden begrüßten den designierten neuen SPÖ-Chef geradezu hymnisch. Ohne zu erwähnen, dass seine Stärke zugleich zu seiner Schwäche werden könnte.

Er könne mit Konflikten nicht umgehen, heißt es über Faymann seitens seines Koalitionspartners. Er leidet unter Kritik wirklich persönlich, sagen Manager staatsnaher Betriebe. Das stimmt wahrscheinlich. Darum gibt sich Faymann eben so smart, so konziliant, dass ihn manche irrtümlich für einen Scientologen halten, andere wieder, ebenfalls unzutreffend, für einen Mann ohne Eigenschaften. Er wird, soll er Gusenbauer bald als Kanzler ablösen, Profil zeigen müssen. Aber nicht mehr, als es die SPÖ erlaubt und für Wahlsiege braucht.

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